„Nee, ich will lieber singen.“ Rita Mosels Reaktion, als sie 1989 von Mitgliedern des CDU-Stadtverbands Waldshut gefragt wurde, ob sie für die nächste Gemeinderatswahl kandidieren wolle, fiel ablehnend aus. Die gelernte Hebamme, damals Mitte 40, war erst wenige Jahre zuvor mit ihrer Familie aus dem westfälischen Hamm nach Waldshut gezogen, nachdem ihr Mann Alfred Mosel Chefarzt der Gynäkologie am Spital wurde. „Wer kennt mich schon? Ich bin in keiner Partei, warum also kandidieren?“, fragte sich Mosel. Ihre Freizeit verbrachte sie beim Liederkranz Waldshut. In die Kommunalpolitik zu gehen, gehörten nicht zu den Plänen der zweifachen Mutter.

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Mosel ließ sich doch überreden und kandidierte. Große Chancen rechnete sie sich bei einem der letzten Listenplätze nicht aus. Die Wähler sahen es anders: „Ich bin auf Anhieb in den Gemeinderat gekommen“, erinnert sich Mosel. Ein halbes Jahr später trat sie in die CDU ein. „Wenn man für eine Partei im Gemeinderat sitzt, kann man ihr auch beitreten“, findet die Kommunalpolitikerin, die nun auf 30 Jahre im Gemeinderat, 20 Jahre im Kreistag und zehn Jahre als erste Oberbürgermeister-Stellvertreterin zurückblickt.

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Dem Kreistag bleibt Rita Mosel nach ihrer Wiederwahl mit 4812 Stimmen erhalten. Ihre anderen Posten gibt sie freiwillig ab. „Ich denke, ich habe das Alter, aufzuhören“, sagt die 75-Jährige auf die Frage, warum sie nicht mehr für den Gemeinderat kandidiert hatte. Sie habe den Platz freimachen wollen für junge Leute, die neue Ideen einbringen. „So wie Nathalie Rindt. Sie macht das super. Ebenso Philipp Studinger“, zählt Mosel zwei der neu gewählten und jungen CDU-Stadträte auf. „Ich bin überzeugt, dass wir eine gute Liste hatten; nicht nur die CDU, auch die anderen Fraktionen“, fügt sie hinzu. Zehn von 26 Mitgliedern des neuen Gemeinderats sind Frauen. Zuvor waren es fünf. „Das finde ich ganz toll“, sagt sie über den Frauenzuwachs. Sie selbst war mehrere Perioden lang die einzige Frau in der CDU-Fraktion und ist auch künftig allein unter Männern in der CDU-Fraktion des Kreistags. „Aber ich habe mich immer wohlgefühlt in dieser Männerwirtschaft“, sagt Rita Mosel rückblickend.

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Ins kalte Wasser sei sie geworfen worden, als sie 1989 ihr Mandat antrat. „Als Erstes wurde ich konfrontiert mit der neuen Brücke von der B 500 zur B 34 vorm Spital“, erzählt Mosel. Wenn sie sich mit einem Thema nicht auskannte und kundig machen wollte, habe sie immer beim jeweiligen Amtsleiter der Stadtverwaltung nachfragen können. Als gut empfand sie auch die Zusammenarbeit in der Fraktion und zwischen den verschiedenen Fraktionen. „Spannung gab es immer mal, aber große Probleme nicht“, erzählt Mosel.

Mit dem Gedanken, als OB zu kandidieren, den sie seit zehn Jahren als erste Stellvertreterin vertritt, habe sie nie gespielt. „Die Verantwortung für so eine große Stadt mit so vielen Menschen wollte ich nicht haben. Ich finde, ein Oberbürgermeister sollte Verwaltungserfahrung haben und die habe ich nicht.“ Zu den Projekten, die sie in ihrer Amtszeit noch gerne abgeschlossen gesehen hätte, gehören das Geschäftszentrum Klettgau-Carree in Tiengen, die Sanierung der Rheinstraße in Waldshut und die A 98. „Ein neues Parkhaus in Waldshut wäre auch wichtig“, fügt sie hinzu.

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Seit 36 Jahren lebt die gebürtige Hessin in Waldshut. Als junge Frau zog es sie in die Ferne. Im Auftrag des Deutschen Entwicklungsdiensts arbeitete Rita Mosel mit Anfang 20 für zwei Jahre in Tunesien in einem kleinen Krankenhaus am Rande der Wüste. „Ich wollte eigentlich lieber nach Schwarzafrika, aber zwei Tage vor der geplanten Abreise nach Togo gab es dort Unruhen und dann wurde ich stattdessen nach Tunesien geschickt.“ Ziel ihres Aufenthalts war es, den Einheimischen Hygienekenntnisse zu vermitteln. „Es war eine schöne Zeit“, sagt sie.

Später verbrachte sie einige Jahre mit ihrem Mann im US-Bundesstaat Ohio. „Ich habe dort Englisch gelernt. Mir fing das Leben in den USA an zu gefallen, aber mein Mann wollte zurück nach Deutschland, um seine Facharztausbildung zu machen.“

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Die beiden Töchter der Mosels leben inzwischen in Köln und München. Und dies ist auch ein Grund, warum die 75-Jährige den Gemeinderat verlässt: „Ich möchte einfach mal für ein paar Tage meine vier Enkelkinder besuchen.“ Als Stadträtin habe man viele Verpflichtungen, vor allem abends, die es fast unmöglich machen, spontan und ohne Zeitdruck zu verreisen oder Konzerte zu besuchen. Mosel freut sich auch darauf, „einfach mal abends zuhause bleiben zu können und nicht wegzumüssen – vor allem im Winter“. Langweilig wird es ihr in ihrem Haus mit Blick über Waldshut nicht werden. Im Garten gackern vier Hühner, die versorgt werden wollen.

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