Die rot gestrichenen Fensterläden der Doppelhaushälfte in der Tiengener Badstraße stechen Besuchern bereits von Weitem ins Auge. Eine Anspielung auf die Parteizugehörigkeit ihrer Bewohnerin Sylvia Döbele, die mit ihrem Mann Walter in dem Haus lebt, sei die Farbe jedoch nicht. „Rot gefällt uns halt. Aber die Fensterläden haben nichts mit der SPD zu tun“, sagt Döbele und lacht.

Zu den Sozialdemokraten sei die heute 63-Jährige, die bei den jüngsten Kommunalwahlen nicht mehr kandidiert hatte, wie die „Jungfrau zum Kinde gekommen“, erzählt sie. 1980 überredete eine Arbeitskollegin Döbele, sie zu einer Versammlung des SPD-Ortsvereins Tiengen zu begleiten. Bei dem Treffen nominierten die Mitglieder ihre Kandidaten für die bevorstehende Gemeinderatswahl. Ein Platz war noch frei. „Warum eigentlich nicht?“, dachte Sylvia Döbele, als sie gefragt wurde, ob sie ihren Namen auf die Liste setzen würde.

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In den Gemeinderat gewählt wurde sie damals noch nicht. „Aber ich hatte ein relativ hohes Ergebnis“, erzählt sie. Bei der darauffolgenden Wahl im Jahr 1984 kandidierte Sylvia Döbele erneut. Diesmal schaffte sie es in das Gremium.

Auch wenn sie eher zufällig in der Kommunalpolitik landete, sei sie schon in jungen Jahren ein politisch interessierter Mensch gewesen. Als sie ein Kind war, liefen bei ihrer Tante immer Bundestagsdebatten im Radio. „Sie war ein großer Fan von Herbert Wehner„, erinnert sie sich an den damaligen SPD-Bundesminister, der später den Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion übernahm. „Ich glaube, diese Zeit hat mich sehr geprägt“, erzählt sie.

Bürgerentscheid wird Thema im Unterricht

Später studierte die gelernte Erzieherin und Mutter von zwei Söhnen Politik- und Erziehungswissenschaften parallel zu ihrer Tätigkeit als Leiterin der Grundschulförderklasse an der Hans-Thoma-Schule in Tiengen. Von ihrer langjährigen Erfahrung als Stadt- und Kreisrätin profitieren Sylvia Döbeles Meinung nach auch ihre Schüler. „Wenn man beispielsweise im Unterricht das Thema Bürgerentscheid behandelt, ist das für die Schüler viel interessanter und anschaulicher, wenn ich von meinen persönlichen Erfahrungen mit dem Bürgerentscheid zum Waldshuter Freibad berichte“, sagt die Lehrerin für Geschichte, Gemeinschaftkunde und Ethik an den Gewerblichen Schulen in Waldshut.

Drei Oberbürgermeister von Waldshut-Tiengen hat Döbele in ihren 35 Jahren als Stadträtin erlebt. An Franz-Joseph Dresen, von 1976 bis 1991 Verwaltungschef der Doppelstadt, habe sie dessen Geradlinigkeit geschätzt. „Man hat immer gewusst, woran man bei ihm ist.“ Mit dessen Nachfolger Martin Albers (1991 bis 2015) habe sie „sehr gut zusammengearbeitet“. Die SPD-Stadträtin fügt hinzu: „Er hatte immer ein offenes Ohr für soziale Projekte.“

Über Philipp Frank, seit 2015 OB, sagt sie: „Ich habe ihn im Wahlkampf als sehr angenehm empfunden.“ Kritisch äußert sich Sylvia Döbele zu Franks Umgang mit Personal: „Mein Eindruck ist, dass es ihm sehr angenehm ist, dass sehr viele neue Leute in der Verwaltung und im Gemeinderat sind.“

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Als Höhepunkt in ihrer 35-jährigen Tätigkeit als Stadträtin bezeichnet sie die Zeit, in der Martin Gruner, bevor er 2014 Bürgermeister wurde, zwölf Jahre lang Hochbauamtsleiter der Stadt Waldshut-Tiengen war. „Er und die damalige Leiterin des Stadtplanungsamts, Margit Ulrich, haben eine tolle Entwicklungspolitik für die Stadt gemacht“, findet Döbele und verweist unter anderem auf den Bau der Mensa am Klettgau-Gymnasium Tiengen. Gruner und Ulrich haben die Stadtverwaltung inzwischen verlassen.

1999 kandidierte Sylvia Döbele als Bürgermeisterin in Wutöschingen

Seit 1994 ist Sylvia Döbele zweite Oberbürgermeister-Stellvertreterin. Hat sie jemals mit dem Gedanken gespielt, selbst als OB zu kandidieren? „Eigentlich nicht“, sagt sie, „aber als Martin Albers 2007 das letzte Mal kandidierte und so wenige Stimmen bekam, habe ich gedacht: Was war ich blöd, dass ich nicht kandidiert habe.“ Albers, der damals als einziger Bewerber kandidierte, erhielt 2307 von insgesamt 2499 Stimmen, was einem Wahlergebnis von 92,32 Prozent entsprach. Die Wahlbeteiligung betrug jedoch lediglich 16,42 Prozent. 1999 kandidierte Döbele als Bürgermeisterin in Wutöschingen und unterlag dabei Georg Eble.

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Die Entwicklung der SPD auf Bundesebene verfolgt die langjährige Kommunalpolitikerin Sylvia Döbele „mit großen Sorgen“. Über einen Austritt denke sie zwar nicht nach, „aber eine Partei, die so weit nach links rückt, ist nicht mehr meine Heimat“, sagt sie in Bezug auf die Aussagen des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert, der kürzlich die Enteignung von Großkonzernen wie BMW ins Spiel gebracht hat.

„Es ist jetzt genug“, sagt Döbele auf die Frage, warum sie ihre Ämter als Stadt- und Kreisrätin aufgibt. „Ich wollte nicht, dass die Wähler vielleicht eines Tages sagen: Die muss aufhören, die ist schon zu lange dabei“, fügt sie hinzu. Langweilig werde es ihr ohne Kommunalpolitik bestimmt nicht werden, sagt Döbele, die weiterhin ein volles Deputat an den Gewerblichen Schulen hat. Mehr Freizeit wird die begeisterte Hobbymalerin künftig haben. „Und ich denke, dass mir die Zeit einfach gesundheitlich gut tun wird.“

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