Dass Iyad Hassan am Klinikum Hochrhein die Klinik für Chirurgie leitet, hat er auch ein klein wenig Karl-Heinz Rummenigge und Paul Breitner zu verdanken. „Ich wollte immer Arzt werden“, erzählt der 49-Jährige, der seit Kurzem die Nachfolge des langjährigen Chefarztes Johannes Zeller angetreten hat, im Gespräch mit dieser Zeitung. Hassan kommt aus Palästina, genauer gesagt aus dem Gazastreifen.
In seiner Heimat habe es für ihn Ende der 1980er keine Möglichkeit gegeben, Medizin zu studieren. „Ich musste ins Ausland“, sagt er und erklärt, warum seine Wahl ausgerechnet auf Deutschland fiel: „Ich war Fußballverrückt als kleiner Junge.“ Bei der ersten Weltmeisterschaft 1982 in Spanien, die er bewusst verfolgte, habe er der deutschen Mannschaft mit ihren Stars wie Rummenige, Breitner und Pierre Littbarski die Daumen gedrückt.
Doch so einfach war es für den jungen Palästinenser natürlich nicht, im Land seiner Idole Medizin zu studieren. Nach einem Haufen Bürokratie und Aufenthalten in Erlangen und Münster, wo er unter anderem Deutsch lernte, begann Iyad Hassan sein Studium an der Universität Marburg. „Ich wollte eigentlich Internist werden“, erzählt er und fügt schmunzelnd hinzu: Chirurgen seien für ihn zuvor Mediziner gewesen, die „nur schnippeln“. Erst durch seinen Mentor an der Uni habe er erkannt, dass der Beruf des Chirurgen neben manuellen auch intellektuelle Fähigkeiten erfordert.
Nach 18 Jahren an der Universität Marburg – zunächst als Student, später als Assistenz- und Oberarzt – entdeckte Iyad Hassan durch einen Zufall eine Stellenausschreibung für eine leitende Position in den Vereinigten Arabischen Emiraten. „Normalerweise habe ich das Deutsche Ärzteblatt immer ungelesen ins Altpapier geworfen“, erinnert sich der Chirurg, wie es dazu kam, dass er 2009 das hessische Mittelgebirge gegen die arabische Wüste tauschte.
In Al-Ain, einer Stadt an der Grenze zum Oman, half er, neue Strukturen am viertgrößten Krankenhaus des Landes aufzubauen und das Gesundheitsweisen in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu modernisieren. „Ich habe das Haus verlassen mit der höchsten Zahl an Schilddrüseneingriffen“, blickt Hassan nicht ohne Stolz auf seine Tätigkeit in dem Wüstenstaat zurück. Zuvor habe es minimalinvasive Operationen, für die er Spezialist ist und bei denen Eingriffe mittels kleinster Hautschnitte durchgeführt werden, in Al-Ain nicht gegeben.
Fachgebiet Schilddrüsenoperationsmethoden
Eines seiner Fachgebiete, die endokrine Chirurgie (Schilddrüsenoperationsmethoden) sei auch ein Grund gewesen, warum Iyad Hassan die frei werdende Stelle des Chefarztes für Chirurgie am Klinikum Hochrhein in Waldshut reizvoll fand. „Hier kann ich etwas aufbauen, denn im Bereich der Schilddrüse gibt es im Umkreis kaum Konkurrenz“, erklärt er gegenüber dieser Zeitung.
Nachdem der 49-Jährige 2017 mit seiner Familie nach Deutschland zurückgekehrt war, weil seine älteste Tochter hier Medizin studieren wollte, und nachdem er nach kurzer Tätigkeit als Chefarzt der Allgemeinchirurgie am Klinikum Main-Spessart im fränkischen Lohr am Rhein allein in die Vereinigte Arabische Emirate zurückging, sei das Angebot vom Hochrhein – das Klinikum sucht gezielt nach Führungskräften – gerade richtig gekommen. Denn wegen der Corona-Pandemie habe Iyad Hassan seine Frau und sechs Kinder nicht mehr regelmäßig sehen können.
„Ich finde die Natur hier großartig, und die Leute sind supernett“, sagt der Professor, der sich mit 35 Jahren habilitierte, über seinen neuen Wohnort und bezeichnet sich im Gespräch selbst als „ländlicher Typ“. Nur einen Kritikpunkt bringt er augenzwinkernd an: „Das Internet könnte schneller sein.“ Seinen Eindruck vom Klinikum Hochrhein bezeichnet er als sehr gut. Er freue sich als Chefarzt, eine „starke Gruppe“ zu leiten, in der jeder den anderen mitziehe. Wie bei seinem Vorgänger Johannes Zeller gelte bei ihm das Prinzip: „Keiner redet schlecht über eine andere Abteilung.“
Drei Punkte zählt Iyad Hassan auf, wie er das Klinikum Hochrhein auf seinem Gebiet weiterentwickeln will: „Sich um die Patienten kümmern, gute chirurgische Qualität und Innovation im technischen Bereich beispielsweise durch neue Geräte und Lupenbrillen.“ Sein Ziel ist es, Schilddrüsen minimalinvasiv, ohne Drainage und ambulant zu operieren. Das bedeutet, dass die Patienten nach dem Eingriff noch am gleichen Tag nach Hause können. Zudem plant der Chirurg eine regelmäßige Schilddrüsen-Sprechstunde in Waldshut sowie Vorträge.