Herr Bach, ist es schon soweit: Kann ich mit meinem Smartphone ein Foto meiner Autoreifen machen und mit der CST-KI-Technologie angezeigt bekommen, ob sie noch die nötige Profiltiefe haben?

Die Technologie funktioniert und wird augenblicklich von einigen wenigen Kollaborationspartnern verwendet und getestet. Mit deren Hilfe entwickeln wir die Technologie weiter und passen Sie auf die entsprechenden Kundenwünsche an. Für das Jahr 2023 planen wir dann eine flächendeckende Markteinführung. Zielgruppen sind unter anderem Auto-Werkstätten, Reifendienstleister, Versicherungen, Leasinganbieter und interessierte Privatpersonen.

Was bedeutet eigentlich der Name CST?

Unsere KI-Technologien zur Reifentiefenscannung funktionieren absolut berührungslos und mit einer Genauigkeit von hundertstel Millimetern. Sie sind eine „Contactless Scanning Technology“. Unser Name besteht aus den Anfangsbuchstaben dieser drei Wörter. Mit unseren berührungslosen KI-Technologien können wir allgemein Oberflächen erfassen und analysieren. Neben den Reifenprofilscannern haben wir weitere Produkte, die zum Beispiel in Laboren eingesetzt werden, wo auf Tablets die Flammhöhe von Kerzen gemessen wird.

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Diese Reifenprofilmessung ist eine Technologie, die auf künstlicher Intelligenz (KI) beruht, was ist das Grundmerkmal von KI-Technologien?

Ich sehe den Begriff KI sehr bodenständig: Im Prinzip ist diese nämlich nicht intelligent im menschlichen Sinne. Damit heutige KIs ihre volle Leistungsfähigkeit entfalten, ist es immer noch notwendig, die sogenannte Architektur an das Problem anzupassen. Das bedeutet, dass man die KI auf ihren speziellen Einsatz hin trainieren muss. Wenn eine KI ein Auto selbständig fahren soll, muss sie zum Beispiel wissen, was eine Ampel ist und wie sie funktioniert, sonst endet die Fahrt sehr abrupt an der nächsten Kreuzung. Also muss man der KI beibringen wie Ampeln aussehen, indem man ihr ganz viele verschiedene Bilder von vielen verschiedenen Ampeln zeigt. Und natürlich auch, was die Farben Rot, Gelb und Grün bedeuten. Merkmale der KI sind zum einen die statistische Natur, nur vorher gelerntes kann von einer KI-Lösung später reproduziert werden. Für jeden Bereich, jedes Problem, braucht es möglichst viele Eingangsdaten, um die KI zu trainieren. Es gibt keine eine KI, die heute die Bewertungen auf Amazon in positiv oder negativ einteilt und morgen Fehlstellen in Oberflächen erkennt.

Michael Bach, Geschäftsführer der Waldshut-Tiengener Firma CST.
Michael Bach, Geschäftsführer der Waldshut-Tiengener Firma CST. | Bild: CST GmbH

Können Sie Beispiele nennen, wie und wo wir täglich bereits mit künstlicher Intelligenz in Berührung kommen, ohne dies vielleicht bewusst wahrzunehmen?

Aber sicher. Mittlerweile setzt zum Beispiel die Google Suche auf künstliche Intelligenz und wenn Smartphones Gesichter erkennen, ist das auch eine KI.

Was ist mit dem Chip unter der Haut, ist er auch künstliche Intelligenz?

Nein, solche Chips haben im Grunde nichts mit künstlicher Intelligenz zu tun. Sie sind zum Beispiel in allen modernen Handys verbaut und ermöglichen es, Daten von einem Handy zum anderen zu übermitteln, ohne dass diese im selben Netzwerk sein müssen. Sie machen das Bezahlen mit dem Handy im Supermarkt möglich oder wenn der Chip als Implantat unter der Haut sitzt, ist hierfür auch kein Handy mehr nötig und auch kein Schlüssel mehr, um die Haustüre zu öffnen. Eine Handbewegung reicht aus.

In welchen Bereichen sehen Sie die größten Chancen für den erfolgreichen Einsatz künstlicher Intelligenz?

KI bahnt sich momentan mit extremer Geschwindigkeit den Weg in viele neue Anwendungsfelder. Google steuert mit KI die gezielte Bewerbung einzelner Personen. Facebook überprüft die Posts der Nutzer mit Hilfe einer KI darauf, ob sie den Regeln von Facebook entsprechen und löscht sie gegebenenfalls automatisch, falls dies nicht der Fall ist. Das größte Anwendungsfeld für KI wird zweifelsfrei im autonomen Navigieren von Fahrzeugen liegen. Ich bezweifle, dass wir bereits dieses Jahr komplett auf der Rückbank Platz nehmen können, aber viele Alltagssituationen wird das Fahrzeug ohne Eingriff schon dann meistern.

Und was ist mit der Medizin?

Hier liegen die gesellschaftlichen Chancen der KI. Ich sehe diese vor allem in der medizinischen Diagnostik. Hier ist die Technologie bereits in der Lage, die Natur von Hautveränderungen als gutartig oder bösartig zu erkennen. KI wird in der Lage sein, anhand von Bewegungsmustern anatomische Defizite zu erkennen und mit Verhaltensmustern trainierte KIs werden psychologische Negativzustände wie Burnouts oder Depressionen frühzeitig signalisieren.

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Ist künstliche Intelligenz in falschen Händen nicht auch eine Gefahr für die Menschheit?

Die Geschichte der Menschheit ist gefüllt mit Beispielen wo Gutes für Schlechtes missbraucht wird. Es ist zu bezweifeln, dass es sich mit KI anders verhalten wird. Grundsätzlich sehe ich die KI selbst aber eher als harmlos. Die Risiken liegen in der Beschaffung der Daten. Hier gilt: Je mehr Daten, desto besser die KI-Ergebnisse. Ich sehe somit das Risiko, dass durch KI-Einsatz ein extremer Datenhunger entsteht, der dadurch gedeckt wird, dass das gemeinschaftlich erwirkte Recht auf informationelle Selbstbestimmung sukzessive aufgelöst wird. Es wird mir somit die Möglichkeit entzogen, zu entscheiden, ob und wer meine Daten bekommt.

Können Sie sich vorstellen, dass eines Tages Roboter die Menschen kontrollieren und nicht mehr umgekehrt oder sind das reine Science Fiction-Stories?

Kontrolle im Sinne einer Überwachung findet auch ohne Roboter statt. Man denke an London, wo in Europa die Dichte an Überwachungskameras am höchsten ist. Die Menge an Videomaterial kann nicht mehr durch Menschen allein bewältigt werden. Computer, also KIs übernehmen das, und leiten nur noch fragwürdige Fälle an Menschen weiter. Dass wir uns in absehbarer Zukunft mit Terminator-Maschinen bekriegen, dass sich die Maschinen also einen Trieb nach Selbsterhaltung aneignen, das dürfen wir noch im Bereich der Science-Fiction sehen.

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In der Region sind hauptsächlich mittelständische Unternehmen angesiedelt – müssen Sie sich Ihrer Ansicht nach mehr mit KI auseinandersetzen als dies bislang der Fall ist?

Die Produktion von Gütern wird durch KI nicht besser oder erst ermöglicht. Aber KI kann helfen, Ausfallzeiten zu minimieren und Logistikprozesse effizienter zu gestalten. Damit beschäftigen sich die meisten Firmen aber nicht direkt, sondern kaufen Produkte, die zur Umsetzung dieser Aufgabenstellung möglicherweise eine KI beinhalten. Firmen werden KI einsetzen, bewusst oder unbewusst, aber sie müssen sich nicht zwingend selbst damit beschäftigen. Genauso wenig wird dies im persönlichen Bereich der Autofahrer oder Mitfahrer tun, obwohl sein Leben gerade davon abhängt.