Herr Schießel, wie kamen Sie als Zimmermann auf die Idee, Schiffsführer zu werden?
Schon als Kind hatte ich mir von meinem Taschengeld ein eigenes Gummiboot gekauft. Später kam dann der Sportbootführerschein dazu. Die Liebe zum Wasser war einfach schon immer vorhanden. Als ich dann im Betrieb als Zimmermann immer unzufriedener wurde, hielt ich die Augen nach anderen Stellen aus. Als ich dann die Stellenausschreibung der Stadtwerke Waldshut-Tiengen für eine Schiffsführer-Stelle sah, musste ich mich einfach bewerben. Und das hat ja dann auch geklappt.
Und was genau sind jetzt Ihre Aufgaben?
Meine Hauptaufgabe sind die regelmäßigen Fährfahrten zwischen Waldshut und Full in der Schweiz. Dann gibt es im Sommer noch die Mittagsrundfahrten und Abendfahrten. Erlebnisfahrten wie die Sonntagsbrunchfahrt oder die Spanferkelfahrt sind besonders beliebt bei uns auf der Fähre. Außerdem können Gesellschaften das Schiff auch mieten, um zum Beispiel einen Geburtstag oder die Betriebsfeier auf dem Wasser zu feiern. Da fahre ich dann immer, während die Gäste die Fahrt, den Service und ihr Fest genießen. Um neben den Fahrten etwas Abwechslung zu bekommen, freue ich mich, dass ich auch das Büro der Rheinschiffahrt hier bei uns leite. Fragen beantworten, Reservierungen annehmen, Bestellungen aufgeben und Reparaturen veranlassen gehören eben auch zu meinem Aufgabenfeld.
Wie viele Menschen fahren im Jahr mit der Rheinfähre?
Im Jahr dürften das nur mit den Fährfahrten etwa 10.000 Menschen sein, die ich übersetze. Da zählen die Rundfahrten und Erlebnisfahrten aber noch nicht dazu. Der Hauptteil davon natürlich im Sommer, wenn die Leute nach Waldshut gehen, um ein Eis zu essen oder einen Kaffee trinken zu gehen. Die Schweizer Einkaufstouristen habe ich eher selten auf der Fähre. Im Winter sind es dann immer weniger Fährlustige.
Was macht Ihnen an Ihrem Beruf besonders Spaß?
Eben die Abwechslung, die ich gerade beschrieben habe. Das ist etwas anderes als bei Schiffsführern am Bodensee. Die arbeiten häufig acht Stunden auf dem Schiff und gehen danach nach Hause. Ich fände das auf Dauer langweilig. Die Nähe zu den Menschen gefällt mir besonders gut und so wird der Beruf richtig vielseitig. Im Winter, wenn dann weniger los ist, fühle ich mich teilweise sogar schon unterfordert. Auch die Nähe zur Natur während den Rundfahrten bei den verschiedenen Jahreszeiten ist etwas ganz Besonderes.
Was hat sich auf Ihrer Arbeit durch Corona verändert?
Die Gesellschaftsfahrten sind fast alle weggefallen, Reservierungen wurden storniert und unsere Erlebnisfahrten werden bis Ende Jahr ebenfalls ausfallen. Damit der Mindestabstand auch bei uns eingehalten werden kann, mussten wir im unteren Deck Tische und Stühle rausnehmen. Durch die wenigen Sitzplätze, die wir dadurch momentan haben, rentieren sich diese Fahrten leider nicht mehr. Während des Lockdowns war auch der Fährbetrieb ab dem 15. März drei Monate komplett zum Erliegen geblieben. Das gab es zuletzt im Zweiten Weltkrieg.
Wie lange dauert die Ausbildung zum Schiffsführer?
Die Ausbildung zum Schiffsführer ist ein ganz normaler Ausbildungsberuf. In der Regel also drei Jahre. Bei mir ging das damals allerdings etwas schneller, da die Stadtwerke Waldshut-Tiengen dringend einen Schiffsführer brauchten und wir hier auf dem Hochrhein keinen Frachtschiffverkehr haben. Die Ausbildungskosten hat bei mir, wie bei anderen Ausbildungen auch üblich, der Betrieb übernommen.
Was waren Inhalte der Ausbildung?
Für den praktischen Teil müssen verschiedene Manöver gelernt werden. „Mann über Bord“ zum Beispiel. Das ist auf einer Fähre schon etwas anderes als auf einem kleinen Motorboot. Außerdem muss das Schiff bei jedem Wetter und in allen Situationen sicher manövriert werden können. Bei einem Maschinenausfall darf schließlich nicht lange überlegt werden. Da muss schon zackig reagiert werden. In der Theorie sind dann vor allem Knoten, Verkehrsregeln und die Ausrüstung des Schiffs relevante Themen. Es muss also sicher sein, was ich auf meinem Schiff dabei haben muss, welchen Vorschriften ich folgen muss und wer Vorfahrt hat. Wie beim Auto eben auch.
Gibt es Nachprüfungen oder Tests zur Untersuchung der Tauglichkeit?
Sobald ich 50 bin, muss ich alle fünf Jahre eine ärztliche Untersuchung machen. Bis jetzt musste ich das die letzten 20 Jahre nicht. Ich finde das aber auch richtig, schließlich transportiere ich Menschen, die sicher an ihrem Ziel ankommen wollen. Und wenn ein Schiff erstmal außer Kontrolle ist, kann es erheblichen Schaden anrichten und Menschenleben gefährden.
Haben Sie privat auch ein Boot?
Ich hatte mal ein kleines Segelboot. Das ist aber schon ein paar Jahre her.
Machen Sie trotz ihres Berufs noch gerne Urlaub am und auf dem Wasser?
Und wie. Mit Freunden miete ich mir oft ein Segelschiff irgendwo am Mittelmeer. In die Karibik ging es auch schon mal. Leider sind unsere diesjährigen Pläne wegen Corona ins Wasser gefallen. Über eine Agentur habe ich zeitweise sogar schon als Skipper auf Segelreisen mitgemacht. Ich bin also als Fahrer mit Urlaubern auf Segeltouren dabei gewesen. Das habe ich dann aber wieder gelassen, weil es vorkam, dass ich mir dafür extra Urlaub genommen habe und die Reise dann spontan vier Wochen vorher abgesagt wurde, weil sich nicht genügend Teilnehmer gefunden hatten.
Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?
Ich fahre gerne und viel Mountainbike. Da starte ich dann immer von zu Hause aus und erkunde die Umgebung. Im Winter lasse ich das Fahrrad dann zu Hause und bin lieber zu Fuß unterwegs. Außerdem spiele ich einmal die Woche Volleyball im Verein und bin im Turnverein aktiv. Den Sport habe ich durch meinen Beruf als Schiffsführer für mich entdeckt. Als Zimmermann war ich abends teilweise froh, mal nichts machen zu müssen. Aber weil ich als Schiffsführer viel sitze, tut mir der Ausgleich sehr gut.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Schiffsführer zu werden?
Generell kann jeder Schiffsführer werden. Es ist allerdings sehr wichtig, die Ruhe bewahren zu können. Und das in allen Situationen. Angst vor einem Gewitter oder schlechtem Wetter wäre da nicht von Vorteil. Auf dem Wasser kann es nämlich schnell ungemütlich werden und da hilft nur eines: ruhig Blut. Daneben spielt natürlich die Leidenschaft zum Wasser eine große Rolle. Das Gesamtpaket abrunden tut im Idealfall dann ein freundlicher Charakter und ein Lächeln den Gästen gegenüber. Denn die meisten Leute, die auf die Fähre kommen, sind in Urlaubsstimmung und selbst gut gelaunt.