Jetzt sind es auch für Thuy Pham zu viele. Als sie 2014 ihr „Euro Nails“-Nagelstudio an der Rheinstraße eröffnet hat, war sie eine der ersten in der Stadt. Sie sagt: „Damals hatten wir noch Arbeit für fünf Mitarbeitende, heute reicht es nur noch für zwei bis drei.“ Und zu planen, fällt der Chefin auch schwer. Die Kundinnen und Kunden wollten lieber ohne Termin kommen und am liebsten auch immer sofort bedient werden. Und wenn dann gerade doch alle Mitarbeitenden belegt sind, heiße es oft: Warten? Nein, danke, da probiere ich es lieber anderswo. Und „anderswo“ sind die Möglichkeiten inzwischen riesig. Am liebsten wäre es der Vietnamesin, die Stadt würde weiteren Nagelstudios einen Riegel vorschieben.
Aber das kann diese beim grundsätzlich freien Gewerbe der Nagelmodellage wohl nicht. „Aktuell sind im Bereich der kosmetischen Nagelpflege in der Gesamtstadt 14 Betriebe gemeldet“, sagt Rathaus-Sprecherin Verena Pichler. Das Gros davon dürfte in Waldshut sein. Die Stadt wertet deren Zahl nicht als kritisch, sondern sieht darin „bestehende Marktbedürfnisse“ widergespiegelt.
Auch von Verdrängung bestehender Betriebe könne keine Rede sein. Letztlich seien die jeweiligen Hauseigentümerinnen und -eigentümer in der Vermietung frei, „sofern die Nutzung mit den geltenden Bebauungsplänen und rechtlichen Vorgaben im Einklang steht“. Das sieht auch Thomas Wartner, Vorsitzender des Waldshuter Werbe- und Förderungskreis, so. Aber: An einer „kontinuierlichen und strategischen Stadt-Konzeption“ mitzuwirken, sollte auch Sache der Vermietenden sein, findet er.

Erstes Nagelstudio kam um 2012
„Ich war vor etwa 13 Jahren wohl die erste in der Stadt, die an Asiaten Räume für ein Nagelstudio vermietet hat“, sagt eine Waldshuterin, die nicht genannt werden möchte. Es ist das „Julia Nails“ im Oberen Tor. 50 Meter die Kaiserstraße runter, in Nummer 6 und 8, liegen das „Star Nails“ und das „American Nails“ direkt nebeneinander. In der Rheinstraße ist es in Nummer 3 das Kosmetik-Studio „Xenia“, das auch Nägel macht, und ein Haus weiter in Nummer 5 Thuy Phams Geschäft. In der Bismarckstraße liegen das „Sun Nails“ und das „Loume Nails“ vielleicht 100 Meter voneinander entfernt.
Während Thuy Pham Angst davor hat, bei der kommenden Rheinstraßen-Sanierung bleibt ihr die Kundschaft weg, dürften letztere Studios in Bahnhofsnähe mit viel Laufkundschaft besser aufgestellt sein. Schon jetzt wird deutlich: Bei eher abseitigen Lagen wie etwa in der Wallstraße, wo sich allein drei Studios befinden, liegen die Preise im Schnitt fünf bis zehn Euro tiefer.
Wer die Studios betritt, sieht sich überwiegend jungen Frauen gegenüber, die von Mitarbeitenden asiatischer Herkunft bedient werden. Mit einer Zeitungsanfrage konfrontiert – die Kommunikation auf Deutsch ist schwierig – reagieren die meisten Inhaber oder Geschäftsführer freundlich. Sie versprechen, sich rückzumelden, tun es dann aber doch nicht. Über den Verband der Nageldesigner Deutschland (VNDD) einen Kontakt zu einem örtlichen, asiatisch geführten Studio herzustellen, scheitert auch. Allein Thuy Pham ist bereit zu sprechen und erlaubt Fotos zu machen.
„Die haben eben Angst“, sagt Terri Malon, die VNDD-Vorsitzende. Weil sie etwas zu verbergen haben? Verdacht auf Menschenhandel, Sozialversicherungsbetrug und Steuerhinterziehung: Darum geht es größtenteils, wenn der Staat Kontrollen in Nagelstudios durchführt. „Schwarze Schafe“ will Malon für ihre Branche nicht ausschließen. Im VNDD aber sieht sie sich an Recht und Gesetz haltende Mitglieder, auch bei der wachsenden Zahl derer mit asiatischer Herkunft.

Malon erkennt an: „Das sind fleißige und strebsame Leute, die hart arbeiten.“ Sie sagt, sie habe solche Kontrollen schon einmal erlebt und als „völlig überzogen“ empfunden. Da seien „schwerbewaffnete und mit kugelsicheren Westen“ ausstaffierte Beamte aufmarschiert und hätten so die Studio-Mitarbeitenden verängstigt.

Vietnamesen seit den 1990er Jahren im Geschäft
Aber warum sind das eigentlich so viele Asiaten? Und warum dominieren unter ihnen gerade die Vietnamesen? Diese waren als Geflüchtete im Westen und als Gastarbeiter in der früheren DDR im Land und entdeckten die ursprünglich aus den USA stammende Branche ab den 1990er Jahren für sich. Als dann Corona kam, waren die Nagelstudios mit die Ersten, die dichtmachen mussten. Deutsche Betreiber, so Malon, wichen auf Angestelltenjobs aus und ließen ihre Studios nach der Pandemie dicht. Vietnamesische aber, die keine Wahl hatten, machten sie wieder auf – und sind bis heute eben oft die Einzigen.
Kritik an den Hygienestandards
Doch es gibt sie noch, die nicht-vietnamesischen Betreiber: Rosa Walter von „Rosas Atelier“ in Tiengen etwa. Sie sieht die Vietnamesen auch nicht als Konkurrenten an. Weil es in Tiengen kaum welche gebe und weil deren Preise nicht mehr so niedrig seien wie noch vor Jahren. Sie habe sich eine Stammkundschaft aufgebaut und diese bleibe ihr treu. Auch Melanie Kaysi ist Nageldesignerin, mit einem Homestudio, auch in Tiengen. Sie sagt: „Ja, die Preise der Asiaten sind nicht mehr so tief wie früher. Trotzdem sind ihre Hygienestandards tief geblieben.“ Sie will in Asia-Studios schon beobachtet haben, dass darin Feilen für mehrere gleichzeitig und auch Einwegfeilen mehrfach benutzt worden sind, was gesundheitsgefährdend sei.
Thuy Pham will das für ihr Studio nicht gelten lassen. Eine Kundin pflichtet ihr bei. Sie sagt: „Ich komme jetzt schon seit Jahren zu ihr und hygienisch ist immer alles tiptop.“ Und: „Ich komme hierher, weil es die Asiatinnen am besten können.“
Wohin geht der Trend bei den Nagelstudios in Waldshut-Tiengen? Werden es bald noch mehr als die vorhandenen 14 sein? Wird der Branchenmix in der Stadt kippen? Oder ist der Markt gesättigt? Hält der Hype um künstliche Nägel an?

Deutlich wird: Sollten noch mehr Studios in Waldshut-Tiengen öffnen, hätte die Stadt nur geringe Chancen, sie zu verhindern. Gezielt einzelne Gewerbearten wie eben Nagelstudios auszuschließen, sei rechtlich heikel, erklärt Sprecherin Verena Pichler. Sie erwähnt Heilbronn, in der 2024 die örtliche CDU eine Obergrenze auch für Nagelstudios forderte. Aber laut Pichler „existieren derzeit keine konkreten Beispiele in Baden-Württemberg, bei denen eine solche Maßnahme eingeführt und höchstrichterlich bestätigt wurde“.