Jürgen Scharf

Der Weg ist das Ziel: Der grenzüberschreitende Kunstparcours führt durch eine einzigartige Natur- und Kulturlandschaft, durch Rebberge, vorbei an Gärten und Streuobstwiesen, mit Ausblicken auf Jura und Vogesen und das Panorama der Stadtlandschaft am Rheinknie. Die Objekte, 24 Wegmarken, die man unterwegs entdecken kann, dienen der Orientierung und haben eine eigene Nützlichkeit. Es sind Nistkästen, Bienenhäuser, Wetterhäuschen, Straßenlaterne, Fernrohr, Hochsitz, Mülleimer.

Wie wohl das Wetter wird? Der Künstler Tobias Rehberger unter seinem Wetterhäuschen, einer Station auf dem Kunstparcours.
Wie wohl das Wetter wird? Der Künstler Tobias Rehberger unter seinem Wetterhäuschen, einer Station auf dem Kunstparcours. | Bild: Jürgen Scharf

Der im September 2015 eingeweihte Skulpturenweg verläuft länderverbindend auf einer Länge von fünf Kilometern zwischen der Schweiz und Deutschland. Diese Route will erwandert sein und lädt zu Erkundungen am Wegesrand ein. Dieses Jahr gibt es sogar ein kleines Jubiläum: Das fünfjährige Bestehen der „24 Stops“, die der Künstler Tobias Rehberger, ein Grenzgänger zwischen Kunst, Design und Architektur, geschaffen hat, feiern Vitra und das Museum Beyeler mit einem abwechslungsreichen Veranstaltungsprogramm. Dieses reicht von Weinproben, bei denen man – bei schönem Wetter sogar im Rebberg – einen edlen regionalen Tropfen degoustieren kann, über themenbezogene Spaziergänge, die das Wissen zur Historie der Region vertiefen, bis zu einer geführten Vollmondwanderung, bei der man atmosphärisch das nächtliche Lichterspiel Basels bestaunen kann.

Neongrüner Hochsitz mitten in der Landschaft: ein Objekt auf dem Rehberger-Weg, der heuer fünf Jahre alt wird.
Neongrüner Hochsitz mitten in der Landschaft: ein Objekt auf dem Rehberger-Weg, der heuer fünf Jahre alt wird. | Bild: Jürgen Scharf

Starten kann man sowohl in Riehen als auch in Weil am Rhein. Die einzelnen Stops sind fußläufig erreichbar. Wer auf Schweizer Seite vom Berower Gut, dem Sitz der Fondation Beyeler, los wandert, sieht den Himmel voller Vogelkäfige hängen. Die Kästen schweben im Innenhof wie Seilbahnen zwischen den Wirtschaftsgebäuden des historischen Guts und dem Kunst-Raum Riehen. An dünnen Seilen gespannt hängen die leeren Vogelvolieren mit offenen aufgebogenen Türen, in verschiedensten Farben und Formen in luftiger Höhe, im Baum und über dem Brunnen. Man fragt sich, wohin sind all die Vögel entschwunden?

Ein Himmel voller schwebender Vogelkäfige: Die Installation von Tobias Rehberger im Hof der Fondation Beyeler in Riehen ist ein ...
Ein Himmel voller schwebender Vogelkäfige: Die Installation von Tobias Rehberger im Hof der Fondation Beyeler in Riehen ist ein Blickfang auf dem Weg der 24 Stops. | Bild: Jürgen Scharf

Vorbei an der bonbonfarbenen „Glocke“, die man anschlagen kann, führt die Kunsttour weiter am Naturbad Riehen vorbei und anschließend auf deutscher Seite durch die Weinberge des Tüllinger Hügels bis zum Weiler Vitra Campus mit dem Vitra Design Museum. Den Weg säumen allerhand der farbigen Objekte Rehbergers, die von Alltagsgegenständen inspiriert sind. Eine Station auf dieser Entdeckungsreise ist ein Wetterhäuschen, das wie ein Barometer die aktuelle Wettersituation mit zwei farbigen Kugeln anzeigt: Je nach Luftfeuchtigkeit schiebt sich eine andere Kugel nach vorne, bei Tiefdruck ist es die Regenkugel. Die Wetterfahne dreht sich im Wind, ihre Richtungspfeile D und S weisen in die beiden Länder Deutschland und Schweiz. „Je nach Windrichtung verändert sich‘s halt“, meinte der Künstler beim Einweihungs-Spaziergang lakonisch. Seine Kuckucksuhr spielt auf die Schweiz, das Land der Uhren, und den Schwarzwald, die Heimat der Kuckucksuhren, an.

Bonbonfarbene Glocke vor dem Vitra Haus in Weil am Rhein.
Bonbonfarbene Glocke vor dem Vitra Haus in Weil am Rhein. | Bild: Jürgen Scharf

Zwischen den Bäumen am Fluss Wiese entlang sind waben- und tonnenförmige Bienenhäuser als Insektenhotels auf Pfählen angebracht; Vogelhäuser auf hohen Stangen bergen echte Nistkästen im Innern. Auf dem Kunstpfad trifft man auf einen Wasserspeier an einer Dachrinne, einen in Signalfarben lackierten Brunnen, ein installiertes Fernrohr, das den Blick auf ein weites idyllisches Landschaftspanorama öffnet, einen stattlichen neongrünen Hochsitz, der erklettert werden will, und einen großen farbigen Baum inmitten von Obstbäumen.

Sehgewohnheiten verfremdet

Platziert sind die Objekte an ausgewählten Stellen, wo sie einen Dialog mit der Natur eingehen und durch ihre poppigen Neonfarben von Himmelblau über Sattgelb bis Pink und Orange auffallen. Gefertigt sind sie aus wetterfesten Materialien, meist Metall. An der Schnittstelle von Skulptur und Design, hinterfragen die Arbeiten auf spielerische Weise vertraute Sehgewohnheiten, sind sie doch abstrahiert in den Formen und in der Farbigkeit verfremdet.

Kunst zum Erleben

Der Spaziergänger soll überrascht sein, wenn er solche Fremdkörper in der Landschaft, aber auch an Häusern und am Wegesrand antrifft, die wie Skulpturen aussehen, aber Funktionalität haben. Teils amüsiert, teils irritiert bleibt man vor diesen plastischen Formen und begehbaren Environments stehen, die mit der Erwartungshaltung der Betrachter spielen: Kunst nicht nur zum Anschauen, sondern zum Erleben.

Entwickelt und designt wurden die Objekte im Studio Rehberger, einer Factory ähnlich der von Andy Warhol. Der aus dem schwäbischen Esslingen stammende und in Frankfurt lebende 54-jährige Künstler, der als Professor für Bildhauerei an der Städelschule Frankfurt unterrichtet, wurde 2009 an der Biennale Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Rehberger will seine Arbeiten bewusst nicht nur in Galerien und Museen verortet wissen, sondern im alltäglichen Bereich, im öffentlichen Raum platzieren: auf weiter Flur, an Flüssen, zwischen Feldern und Reben. Als „Land Art“ bezeichnet Rehberger seine originellen Wegmarken unter freiem Himmel aber nicht, dafür humorvoll als „Art in the Land“.

Einige Orientierungshilfen

Die Grundidee war, den Weg zwischen den beiden Museen erkennbar zu machen. Als Leitsystem dienen für die Wanderer, Spaziergänger und Fahrradfahrer die 24 Wegmarken auf der Route, von denen man sich leiten lassen kann. Orientierung schaffen eine Faltwanderkarte, aber auch eine App und ein Audioguide. So wird die Kunst-Wanderung fast schon zu einem multimedialen Erlebnis.

Für die Entwicklung und Realisierung dieses Projekts haben die Fondation Beyeler, die Gemeinde Riehen, Vitra und die Stadt Weil am Rhein in einer länderübergreifenden Kooperation partnerschaftlich zusammengespannt. Um den Rehberger-Weg mit den einzelnen Haltepunkten abzulaufen, benötigt man zu Fuß rund eineinhalb Stunden. Die Sommer- und Ferienzeit ist bestens dafür geeignet, die Gegend des Dreiländerecks, die malerische Natur und zwei wichtige Kulturstätten in zwei Ländern zu erkunden, die der Rehberger-Weg über die „grüne“ Grenze verbindet.