Umstritten waren die drei Kunstrasenplätze der Stadt Waldshut-Tiengen ja schon immer. Der Beschluss zum Bau der 2,5 Millionen Euro teuren Sportanlagen fiel vor zehn Jahren mit einer hauchdünnen Mehrheit von 13 gegen elf Stimmen.
Sieben bis acht Jahre sind die Anlagen nun in Betrieb, da steht eine kostspielige Sanierung der drei Kunstrasenplätze ins Haus. Die Gesamtkosten dafür belaufen sich auf 180.000 Euro. Beantragt wurden Fördermittel in Höhe von bis zu 15.000 Euro pro Platz. Die Diskussion über die Maßnahme nutzten die Ratsmitglieder in jüngster Sitzung einmal mehr, um sich über Sinn und Unsinn der Kunstrasenplätze noch einmal sehr grundsätzliche Gedanken zu machen – und dabei auch das Vorgehen der Stadt zu hinterfragen.
Das Problem
Außerdem sind im Lauf der Zeit große Mengen des Infills verschwunden, wie Gutachter Hans-Jörg Kolitzus darstellte: „Ursprünglich wurden vier Kilogramm pro Quadratmeter verfüllt. Jetzt ist noch ein Kilo pro Quadratmeter übrig.“ Auch dies sei auf Witterungsverhältnisse zurückzuführen, aber auch auf den Spielbetrieb. So bleibe das Granulat immer wieder an Schuhen und Kleidung haften, so Kolitzus weiter.
So oder so: Der Verlust des Infills ist nicht unproblematisch. Denn in den Jahren 2014 und 2015, als die Plätze in Waldshut, Tiengen und Eschbach gebaut wurden, wurde standardmäßig noch Ethyl-Propylen-Dien-Kautschukdas (EPDM) benutzt. Heute gilt dies aus Umweltschutzsicht als höchst bedenklich, denn das Granulat fällt in die Kategorie Mikroplastik. Stattdessen wird Kork-Granulat verwendet. Dieses soll eben auch bei den Waldshut-Tiengener Plätzen eingesetzt werden.

Die Sicht der Vereine
Sowohl Klaus Fricker (Vorsitzender VfB Waldshut) als auch Stefan Rapp (SV Eschbach) konstatierten, dass sie von der Zuspitzung der Problematik im Herbst überrascht worden seien.
„Es gab nicht etwa Materialanhäufungen am Spielfeldrand, die auf Verluste beim Infill hingedeutet hätten“, so Fricker in der Sitzung. Auch sei die Pflege immer ernst genommen worden. Tatsächlich habe die Herstellerfirma selbst fünf Jahre lang den Unterhalt übernommen.
Noch hätten weder Materialverlust noch Verklumpungen Auswirkungen auf die Bespielbarkeit der Anlagen, so Rapp. Auch seien keine Schäden an der Bausubstanz oder dem Untergrund feststellbar. Doch es müsse zügig etwas unternommen werden, um negative Folgen zu vermeinen.
Wurde gepfuscht?
Ratsmitglied Harald Würtenberger (FW) und erst recht seine Fraktionskollegin Adelheid Kummle stellten unterdessen auch die Frage, ob möglicherweise Pfusch am Bau die Ursache für den Füllmaterialschwund und die Verklumpungen sein könnte.
Scharfe Kritik äußerte Kummle in diesem Zusammenhang am generellen Vorgehen der Stadt. Die ausführende Firma sei überhaupt nicht gehört worden, stattdessen wurde sofort ein kostspieliger Gutachter beauftragt. Das rufe bei ihr Unmut hervor, konstatierte Kummle: „Ich sehe darin einen schweren Verfahrensfehler der Stadt.“
All dies wurde zwar auch von Baubürgermeister Baumert zur Kenntnis genommen. Eine Klarstellung blieb allerdings aus.
Allerdings schließt der Experte Kolitzus eine schlechte Verarbeitung ebenso als Ursache für den Sanierungsbedarf aus wie Fehler bei der Pflege. Die Verklumpung des Materials hätte man wohl nur bei „sehr genauem Hinsehen“ erkennen können. Auch eine Nachfüllung des Materials werde zwar empfohlen, sei aber nicht unbedingt notwendig, um die Bespielbarkeit der Anlage zu gewährleisten.

Wäre Rückbau eine Alternative?
Die Grundsatzfrage, ob vor all diesen Hintergründen zum jetzigen Zeitpunkt nicht ein kompletter Rückbau sinnvoll wäre, eröffnete Claudia Linke (Grüne). Denn Kosten von etwa 60.000 Euro pro Platz seien kein Pappenstiel, zumal damit allenfalls sieben bis acht Jahre Weiterbetrieb erkauft werden. Die Lebensdauer der Kunstrasenplätze liege nämlich bei 15 Jahren, so Kolitzus. Spätestens im Jahr 2030 müsste also über eine komplette Erneuerung beraten werden.
Dennoch rieten sowohl Planer Hilpert als auch Baubürgermeister Baumert entschieden von der Rückkehr zu Naturrasen-Plätzen ab – insbesondere wegen des hohen Pflegebedarfs und Nachteilen bei der Bespielbarkeit. Auch Baumert zeigte sich überzeugt, dass die Gesamtinvestition von 180.000 Euro auf acht Jahre gerechnet durchaus vertretbar sei.
Das Vorgehen
Auch OB Philipp Frank teilte die Verärgerung, die bei vielen Gemeinderäten spürbar war. Gleichwohl regte er eine pragmatische Herangehensweise an – ebenso wie übrigens auch Peter Kaiser (CDU): „Eigentum verpflichtet, und es besteht auch ein gewisser Zeitdruck, denn die Sanierung kann nur bei kühlen Temperaturen stattfinden“, erklärte er.
Am Ende nahm das Gremium den entsprechenden Vorschlag zur Sanierung der drei Plätze mit 14 gegen eine Stimme bei vier Enthaltungen an. Ein alternativer Antrag von Petra Thyen (Grüne) fiel dagegen durch. Sie hatte vorgeschlagen, zunächst den am stärksten betroffenen Platz in Eschbach zu sanieren, und erst in sechs Monaten die anderen beiden, um Erfahrungen mit dem neuen Material zu sammeln.