Mit dem Einmarsch der Franzosen hat in Waldshut und Tiengen am 25. April 1945 der Zweite Weltkrieg geendet. Mit einer weißen Fahne an einer Bohnenstange wurde der sich nähernden Panzerspitze am Stadteingang an der Ochsensteige signalisiert: Widerstand wird nicht geleistet. Mit dieser Aktion hatte Landrat Waldemar Ernst seinen Vertreter, Regierungsrat Grän, betraut und ihn zum kommissarischen Bürgermeister von Waldshut ernannt.
„Gegen ein Uhr mittags kommt der Telefonanruf vom Rathaus: ,Sie kommen!‘“, schilderte der damalige Polizeimeister Oskar Güntert, gleichzeitig Chauffeur des Landrats, das historische Ereignis. „Ich fahr‘ vors Rathaus, Bürgermeister Grän und die Dolmetscherin Frau Reich steigen ein. Die weiße Fahne zum Auto hinaushaltend, geht es im Tempo durchs Untere Tor, vorbei am Krankenhaus, da sehen wir die Panzerspitze schon den Ochsenbuckel heraufkommen. Ich kurve rechts ran zum Waldschloss. Der Bürgermeister und die Dame steigen aus und gehen auf den ersten Panzer zu, während ich beim Wagen stehen bleibe und mir den Vorbeimarsch der Truppen ansehe. Panzer hinter Panzer, dazwischen Mannschaftswagen, vollgepfropft mit weißen und schwarzen Soldaten hinter ihren Maschinengewehren. Auf einem der Wagen liegt auf dem breiten Kotflügel ein verwundeter deutscher Soldat. Ein Offizier geht auf mich zu: ,Wo Hospital?‘ Ich nehme den Verwundeten ins Auto hinein, fahre an der Panzerkolonne entlang, um ihn ins Lazarett in der Volksschule zu bringen. Doch beim Rathaus ist nicht durchzukommen, so sehr stauen sich dort die Truppen zusammen; es ist der Moment der Übergabe der Stadt an den französischen Kommandanten. Ich steige aus und bringe den Kameraden ins Lazarett“, soweit Günterts Schilderung.
MG-Schüsse auf die Schweiz
Während ein Teil des Militärs sich als Besatzungsmacht in Waldshut zu etablieren beginnt, rollt das Gros der Truppe jetzt weiter in Richtung Osten – und schießt am Grenzübergang der Straßenbrücke nach Koblenz Maschinengewehrsalven bis in die Schweiz hinüber. In Unkenntnis der geografischen Lage, rollt die Panzerspitze geradeaus auf die Brücke zu, anstatt nach halblinks in Richtung Tiengen. Die Brücke ist leicht gewölbt, weshalb die Franzosen nur bis zur Stacheldrahtsperre auf der Brückenmitte sehen können.

Dort warten 14 deutsche Soldaten ungeduldig darauf, dass ihnen die Internierung in der Schweiz erlaubt wird. Jetzt rennen sie los, während die Panzer das Feuer eröffnen. Ein Soldat wird von einer MG-Kugel tödlich getroffen, zwei andere liegen verletzt auf dem Boden. Im Feuer eilen zwei Schweizer Sanitäter herbei, um sich um die Verletzten zu kümmern. Als die Franzosen den Irrtum endlich bemerken und weiter in Richtung Tiengen vorstoßen, stellt man in der Schweiz Einschüsse im Zollhaus und zwei weiteren Gebäuden fest.
Bomben auf Tiengen
Tiengens Bürgermeister Wilhelm Gutmann, seit 1935 im Amt, ist ein glühender Nazi und Mitglied der Kreisleitung. Am 24. April teilt er Landrat Ernst mit, sein Amt niedergelegt zu haben und die Stadt zu verlassen. Maurermeister Schmid ist jetzt kommissarisch Bürgermeister. Doch Gutmann hetzt auf einer von ihm angesetzten NS-Kundgebung am Abend des 24. April auf dem Marktplatz zum Widerstand auf und sorgt auch noch am Vormittag des 25. April, ehe er flieht, für Unruhe in der Stadt.
Dies führt dazu, dass noch keine weiße Fahnen gehisst sind, weshalb gegen 13.30 Uhr vier französische Flugzeuge etwa 60 Splitterbomben über den Bereichen Marktplatz und Bahnhof abwerfen. Sieben Tote und mehrere Verletzte fordert der Angriff. Jetzt werden die weißen Fahnen hinausgehängt, während Fabrikant Herion und Kaufmann Vonderach am Westeingang der Stadt der heranrollenden französischen Panzerspitze die kampflose Übergabe der Stadt erklären. Die formelle Übergabe von Tiengen wird von Bürgermeister Schmid auf dem Rathaus vollzogen.
Der Krieg war vorbei, auch wenn Deutschland erst am 8. Mai 1945 kapituliert. Die Menschen atmeten auf, hielten das Schlimmste für überstanden. Dabei stand ihnen die schwerste Zeit noch bevor: die harten Jahre der Besatzung. Plünderungen, Repressalien, Vergewaltigungen in den ersten Tagen, Beschlagnahmung von Wohnungen, Fotoapparaten, Radios, Möbeln und Bekleidung sowie karge Lebensmittelrationen ließen kein Gefühl aufkommen, befreit worden zu sein. „Die Schwere der Last, welche sie (die Franzosen, Red.) der Stadt auferlegten, messen sie jetzt an der Last, die sie selber fünf Jahre lang getragen, und zahlen mit Zins und Zinseszinsen zurück – wer Sturm sät, kann nicht Wind ernten“, schrieb Pfarrer Joseph Ruch in einem Zeitungsbeitrag vom 26. April 1960.