Philipp Zimmermann

„Spinnst Du?“ Solche Reaktionen erhielt der 86-jährige Louis Keller aus dem Kreis seiner Freunde und Bekannten auf seine Ankündigung. Keller hat sie nichtsdestotrotz wahr gemacht: Vor Kurzem hat er seinen Führerschein abgegeben. Freiwillig. „Ich hatte mir das schon vor zwei Jahren beim letzten Medizincheck vorgenommen“, erzählt der Senior. Nun hätte er den nächsten absolvieren müssen, um weitere zwei Jahre mit dem Auto fahren zu dürfen.

Mit dem Autofahren an sich habe er heute kein Problem. Er fühlt sich nicht überfordert. „Aber ich bin in einem Alter, in dem mich der Verkehr belastet.“ Er müsse sich beim Autofahren stark konzentrieren. „Das macht mich müde“, führt der Senior aus, der den Großteil seines Lebens in Endingen lebte und seit neun Jahren in Klingnau wohnhaft ist. 1952 bestand er die Fahrprüfung. 68 Jahre lang blieb er fast unfallfrei. Nur einmal, vor 40 Jahren, habe er im stockenden Verkehr eine Auffahrkollision mit Blechschaden verursacht.

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Und doch spricht Keller von einem „komischen Gefühl“. Er müsse sich mit der neuen Situation arrangieren. Freunde hätten ihre Fahrdienste angeboten. „Ich möchte aber selber mit dem öffentlichen Verkehr fahren.“ Falls nötig, werde er ein Taxi nehmen. „Wenn ich und meine Frau uns mit Freunden auf ein Glas Wein treffen, fahren wir jetzt schon mit dem Taxi.“

Senioren müssen in der Schweiz heute ab Alter 75 alle zwei Jahre zum sogenannten Medizinalcheck. Keller hat dazu eine dezidierte Meinung. „Sie sollten per Gesetz auch alle zwei Jahre mit ihrem Fahrlehrer einen ein- bis zweistündigen Fahrcheck absolvieren“, sagt er. „Der Fahrlehrer kann beurteilen, ob man fahrtüchtig ist oder nicht.“

Keller hat sich diese Prüfung selbst auferlegt, ab seinem zweiten Medizinalcheck als 72-Jähriger. Bis 2018 mussten Senioren in der Schweiz diesen noch ab 70 absolvieren. Gemäß Strassenverkehrsamt geben alljährlich rund 7,5 Prozent der Seniorinnen und Senioren ab 75 Jahren ihren Führerschein ab.

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Das Autokennzeichen AG 4123 hat Louis Keller fast ein halbes Jahrhundert lang begleitet. 1971 übernahm er es vom Vater. Am Montag schraubte es der Klingnauer Automechaniker Walter Vögeli von Kellers Renault Espace ab. Vögeli kennt zwar mehrere Senioren, die ihren Führerschein auch schon abgegeben haben. „Aber niemand war noch so fit wie Louis Keller„, sagt er und fügt hinzu: „Ich finde es super, dass er sich dazu durchgerungen hat.“

Das Kennzeichen AG 4123 bleibt in der Familie Keller: Vater Louis tritt es Sohn Patrick ab. Dessen Großvater hatte es im Jahr 1935 erhalten. Der damalige Endinger Gemeindeschreiber war erst der fünfte im Ort, der sich ein Auto kaufte. Die Übergabe von Autokennzeichen an nahe Verwandte ist im Kanton Aargau bis zur Nummerierung AG 10.000 möglich: Eltern, Kinder, Geschwister, Neffen und Nichten oder Schwager und Schwägerin können sie übernehmen. Ansonsten geht die Nummer an den Kanton, der sie versteigert.

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