Setze Frankreich schärfere Sicherheitsstandards durch, so seien diese auch für Schweizer Atomkraftwerke zu übernehmen, fordert Simon Banholzer von der Schweizerischen Energie-Stiftung. Schliesslich hält das Gesetz fest, dass die Schweizer Atomkraftwerke nachgerüstet werden müssen, „soweit als dies nach der Erfahrung und dem Stand der Nachrüstungstechnik notwendig ist.“
Doch der Reihe nach: Geht es um die Atomkraft, kommt in Europa niemand um Frankreich herum. Die Grande Nation ist Taktgeber in Europa: Der AKW-Park ist mit über 50 Meilern vergleichsweise riesig, in Flamanville ist gar ein neues Werk im Bau – und zeigt den neusten Stand der Sicherheitstechnik auf. Gleichzeitig gibt es in Frankreich 32 Werke, die zwischen 1978 und 1987 gebaut worden waren. Waren sie ursprünglich für 30 Jahre Einsatz geplant, rechnet man nun mit einer Laufzeit von 50 Jahren. Für den Weiterbetrieb müssen die Meiler aber eine periodische Prüfung überstehen – und eben die Standards erfüllen, die publiziert werden.
In Frankreich ist dies ein Politikum. Der staatliche Betreiber EDF ist nicht nur hoch verschuldet. Die Nachrüstungen sind teuer: 55 Milliarden Euro dürfte EDF in den nächsten Jahre dazu investieren. Je teurer die Nachrüstungen kommen, um so eher stellt sich die Frage, wie lange die Kernkraftwerke rentabel zu betreiben sind. Es ist nicht die einzige Parallele, welche die Energie-Stiftung zwischen der Schweiz und Frankreich zieht. Auch das Alter der Atomkraftwerke ist vergleichbar. Und mit Blick ins Nachbarland warnt die Stiftung, die zu Frankreich extra eine externe Analyse erstellen ließ: Trotz des Kostendrucks dürfen die Sicherheitsvorgaben politisch nicht in den Hintergrund rücken.
Frage von notwendigen Investitionen
Die Frage von notwendigen Investitionen – und damit zusammenhängend der zusätzlich erschwerten Rentabilität der Werke ist auch in der Schweiz Thema: Im Oktober hat Swissnuclear, der Verband der Schweizer Kernkraftwerksbetreiber, ein Strategiepapier veröffentlicht, das warnt: Maßnahmen dürften „den wirtschaftlichen Betrieb nicht ohne Sicherheitsgewinn erschweren und laufend verteuern.“ Die Kernkraftwerk-Gösgen AG musste im Sommer bei ihren Aktionären ein Darlehen über 50 Millionen Franken aufnehmen, auch mit dem Verweis auf Sicherheitsnachrüstungen. Ob und inwieweit französische Maßnahmen für die drei Schweizer Kernkraftwerke Beznau (Inbetriebnahme 1969/72), Gösgen (1979) und Leibstadt (1984) auch zu gelten haben, entscheidet das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi).
Dort betont man: Die Vorschriften in Frankreich hätten „keinen direkten Einfluss auf die Standards in der Schweiz„. Die Schweiz habe ihr eigenes Gesetz. Gleichzeitig hält das Ensi aber auch klar fest: „Der internationale Stand der Nachrüstungstechnik wird grundsätzlich immer beobachtet.“ Die Entwicklung werde diskutiert. Dabei könne man aber nicht eine 1:1-Übernahme einzelner technischer Vorgaben diskutieren. Es sei jeweils „das gesamte Sicherheitskonzept eines Kraftwerks gesamtheitlich zu bewerten“.
Übernahme „nicht zwingend“
Der Verband Swissnuclear sieht eine Übernahme der französischen Standards als „nicht zwingend“ an. „Die Betreiber sorgen unter der Aufsicht des Ensi dafür, dass die Kernkraftwerke den Sicherheitsanforderungen entsprechen“, heisst es. Seit Jahrzehnten würden große Summen in Modernisierung und Sicherheit investiert. Die Werke seien „permanent auf dem Stand der Nachrüsttechnik“. Auch der Energiekonzern Axpo, der an allen Schweizer Kernkraftwerken maßgeblich beteiligt ist, betont: „Sicherheit hat für uns immer oberste Priorität.“ Seit dem Bau seien mehr als 2,5 Mrd. Franken in Nachrüstung und Erneuerung von Beznau investiert worden.