Mit einem Festakt feiern die „Freien Wähler Wehr und Öflingen„ am kommenden Freitag ihr 100-jähriges Bestehen. Die heute als Verein organisierte Wählervereinigung geht zurück auf eine freie Bürgerliste, die in der damals selbständigen Gemeinde Öflingen zur Wahl des Bürgerausschusses am 25. Mai 1919 und einen guten Monat später zur Gemeinderatswahl antrat. Damit steht Öflingen für die Anfänge der Freien Wähler in der politischen Geschichte des Landes: Nirgendwo sonst gab es so früh nach dem Ende des Ersten Weltkrieges eine unabhängige Bürgerliste, die zu Wahlen antrat. In Wehr sollte es beispielsweise noch drei Jahre länger dauern, bis eine „Freie Bürgervereinigung“ auf einem Stimmzettel zur Gemeinderatswahl stand.

„Auch wenn unser Jubiläum in die Zeit des Kommunalwahlkampfs fällt, ist der Festakt ausdrücklich kein Wahlkampftermin“, erklärt der Vorsitzende der Wählervereinigung, Eugen Mulflur, im Gespräch mit unserer Zeitung. Mit rund 80 geladenen Gästen soll an die Anfänge der Vereinigung und ihrer Protagonisten erinnert werden. Die Festrede wird der der Vorsitzende des Landesverbands der Freien Wähler, Wolfgang Faißt, halten. Landrat Martin Kistler wird ebenso ein Grußwort sprechen wie der stellvertretende FW-Kreisvorsitzende Wolfgang Fürst.

In monatelanger Recherche hat die frühere Stadträtin Margot Richter Fakten und Dokumente aus der 100-jährigen Geschichte zusammengetragen, die zum Jubiläum in einem Buch veröffentlicht werden. Vorgestellt wird es ebenfalls beim Festakt am kommenden Freitag. „Es gibt nur wenige Dokumente aus den Anfangsjahren“, so Margot Richter, denn ein Gründungsprotokoll gibt es genauso wenig wie Mitschriften von späteren Zusammentreffen – aus gutem Grund: Weil sich die Urväter der Freien Wähler als unabhängig und frei sahen und sich damit bewusst von den Parteien abgrenzten, wollten sie dies auch in einer losen Struktur dokumentieren. „Ein eingetragener Verein wurde die Vereinigung erst viele Jahre später“, so Margot Richter. So standen bekannte Persönlichkeiten aus dem Ort stets über der Listengruppierung. Schon bei der Wahl zum Öflinger Bürgersausschuss am 25. Mai 1919 konnte die Bürgervereinigung 38 Prozent der Stimmen und damit 14 von der 36 Sitze, einen Monat später steigerte sie ihren Stimmenanteil sogar auf 41,4 Prozent. In Wehr wurde die erste Gemeinderatswahl 1919 übrigens abgesagt: Weil die Wehrer Parteiorganisationen von Zentrum, Sozialdemokraten und Demokratischer Partei eine gemeinsame Liste gebildet hatte, war ein Urnengang überflüssig: Die acht Kandidaten wurden automatisch zu Gemeinderäten.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war die „Einwohnervereinigung Öflingen„ eine der ersten Gruppierungen, die sich bei Wahlen engagierte. Bei der ersten Gemeinderatswahl im November 1948 erreichte die Liste 25,5 Prozent der stimmen. In Wehr dauerte es dagegen noch bis 1953, bis sich die Freien Wähler wieder gründeten – allerdings noch immer ohne feste Organisationsstrukturen. Vielmehr traf sich die Interessengemeinschaft über viele Jahre zu Zusammenkünften im legendären Cafe Wunderle. Einer der federführenden Protagonisten jener Zeit war dessen Besitzer Otto Wunderle, der zu den Treffen einlud. Erst im April 1970 wurde der Wehrer Ortsverband offiziell gegründet. Erster Vorsitzender wurde Martin Berger, sein Stellvertreter Gerhard Zastrow, der sich zuvor beim in den 60er-Jahre aufgelösten „Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten BHE“ engagiert hatte. In die Anfänge der 70er-Jahre fielen auch die Kreisreform und der Zusammenschluss von Wehr und Öflingen, für den sich die Freien Wähler in beiden Ortsteilen stark gemacht hatten. Der gemeinsame Ortsverband der Wählervereinigung in Wehr und Öflingen wurde 1974 gebildet, eingetragener Verein ist er seit 1980.

Das Jubiläum

Zum Jubiläum „100 Jahre Freie Wähler“ gibt es im Wehrer Stadtmuseum eine Ausstellung, die an den Sonntagen, 12. und 19. Mai, jeweils von 14 bis 17 Uhr zu sehen ist. Am 4. Oktober veranstaltet die Vereinigung in der Wehrer Stadthalle einen unterhaltsamen Benefiz-Abendzugunsten der Wehrer Bürgerstiftung mit Thomas Rühl alsia Karle Käpsele und seinem Programm „Schwaben trifft Baden“ sowie der Gruppe „Die Wilden Wälder“.

Freie Wähler

Vorsitzender der Freien Wähler Wehr und Öflingen ist seit 2009 Eugen Mulflur. Das beste Gesamt-Wehrer Wahlergebnis erzielten die Freien Wähler vor zehn Jahren: Mit 30,5 Prozent der Stimmen und acht Gemeinderatssitzen gelangen es ihnen erstmals, die CDU zu überflügeln. Die Freien Wähler im Internet.

Das könnte Sie auch interessieren