24 Millionen Mark, um 2,2 Kilometer Straße innerhalb von fünf Jahren zu bauen – der Bau der Ortsumfahrung Öflingen gestaltete sich überaus zäh. Erst als der Wehrer Beigeordnete Helmut Huber den baden-württembergischen Wirtschafts- und Verkehrsminister Rudolf Eberle mit einer Wette bei seiner Ehre packte, ging es auf der Zielgeraden ganz schnell.

„Der dieser Tage beinah unberührt auf dem Asphalt liegende weiße Schnee-Zuckerguss verzauberte Öflingen gar zu einem paradiesisch anmutenden Fleckchen Erde“, so schwelgte der SÜDKURIER-Redakteur kurz nach der Einweihung der Umgehungsstraße im Winter 1980.

Der Weg zu dieser Idylle war weit: Bereits in den 1920er Jahren kamen die Ernte- und Heuwagen auf der engen Straße kaum aneinander vorbei. Anders als heute gab es bis in die 70er Jahre hinein keine Bürgersteige an Öflingens Hauptstraße. Wiesen und Gärten vor den Häusern grenzten noch direkt an die Straße, erinnert sich der Öflinger Schreiner Horst Thomann.

Direkt an der Wehratalstraße aufgewachsen, erinnert sich Thomann noch an frühere Zeiten: Damals habe man mit dem Schlitten vom Bahndamm bis hinunter zur Wehra rodeln können, weder Verkehr noch Häuser kamen dabei in den Weg. Davon konnte man in den 70er Jahren nur noch träumen.

Von Blechschlangen ist im SÜDKURIER die Rede, Fahrzeuge schieben sich Stoßstange an Stoßstange durch Öflingen und bringen reichlich Lärm und Abgase mit sich. Die Bundesstraße durch Öflingen und Wehr ist die Hauptverkehrsader Richtung Wiesental, ein Überqueren der Straße ist zu Stoßzeiten nur im Laufschritt möglich.
Regelmäßig landeten Lastwagen in der Hausecke der damaligen Metzgerei in der scharfen Kurve Ecke Basler Straße und Wehratalstraße. Bis heute kann man an einem der ältesten Häuser im Ort die „runde“ Hausecke bewundern.

„Die Umgehungsstraße war schon eingeplant, als die Reihenhäuser unten an der Wehra gebaut wurden“, erinnert sich Thomann. „Erst nach dem Unfall gab es viel Druck, endlich mit dem Bau zu beginnen“, erinnert sich Hans Loritz. Ein junges Mädchen war auf dem Nachhauseweg an der Mauer bei der Buntweberei Brennet entlanggegangen, als ein Lastwagen mit einem schlecht gesicherten Bagger in der Kurve die Kontrolle verlor, so Thomann.

Ein weiteres Druckmittel war die geplante Autobahn, so Loritz. Der 75-jährige war 1974 bei den ersten Beratungen hierzu dabei. Als Bedingung für die Zustimmung zur Bergtrasse forderte die Stadtverwaltung die Umgehungsstraße für Öflingen und Wehr, so Loritz‚ Erinnerung.
Für die Verlegung der Bundesstraße war damals das Straßenbauamt Säckingen unter der Leitung von Rudolf Elesser zuständig. Parallel baute die Stadt auf der gleichen Strecke den neuen Abwasserhauptsammler. Die verschiedenen Arbeiten unter einen Hut zu bekommen, sich auf eine Streckenführung zu einigen und dazu noch Förderung durch Bundesmittel zu erhalten, kostete viel Zeit. So wurde zum Beispiel überlegt, die Trasse am Osthang des Tals zu bauen oder auch oberhalb der Wehra am Westhang. Lange war angedacht, die Bundesstraße weiter durchs Enkendorf zu leiten. Dafür wurden bereits Häuser bei der Gipsmühle abgerissen, erinnern sich Loritz und Thomann. Noch heute kann man die geplante Trasse auf Höhe des Öflinger Wehrs erkennen.
Auch im Ort sollte ein Haus weichen, weiß Thomann: Die Holbeinstraße bei der evangelischen Kirche sollte eine Abfahrt nach Öflingen werden. Federn lassen musste auch die Sporthalle: 1977 wurde der Geräteschuppen hinter der Halle abgerissen. Besonders hartnäckig zeigte sich die Brücke bei der Brennet. Beim heutigen Kreisel führte einst eine Steinbrücke über den Fluss. Mit Lockerungssprengungen wurde 1977 das massive Bauwerk zu Fall gebracht. Der schleppende Baufortschritt sorgte immer wieder für Diskussionen im Gemeinderat. Kritik gab es besonders an den langsamen Planungen der Teilstücke durch das Straßenbauamt. „Bombardieren sie mit allen Mitteln“, forderte SPD-Stadtrat Lüttner die Unterstützung von Finanz-Staatssekretär Rainer Offergeld ein.

Das letzte Teilstück, das die alte B 518 mit der neuen Trasse an der Zufahrt zu den Firmen Weck und Kownatzki verbindet, wurde schließlich „um die Wette“ gebaut: Wenn es dem Land gelänge, die Einweihung der Öflinger Umgehungsstraße bis spätestens Ende 1980 zu vollziehen, wollte der Beigeordnete Huber 30 Flaschen Wein spendieren. Im Dezember 1980 war es an Minister Eberle, 30 Flaschen Wein an die Bewohner der Altenheime zu überreichen. „Die Wette haben wir nun alle gewonnen“, sagte Eberle anlässlich der Einweihung.

In Öflingen brachen nun für die meisten ruhige Tage an. Und auch wenn es für die Anlieger der Umgehungsstraße nun laut wurde, überwog doch die Solidarität im Dorf: „Wir wollen uns nicht beklagen. Die droben im Dorf hatten den Verkehr lang genug vor der Nase“, so eine Anwohnerin damals im SÜDKURIER. Im Ortskern wurde hingegen gefeiert: „Wir haben ein Straßenfest mit allen Nachbarn organisiert“, erinnert sich Horst Thomann.

Unsere Serie
In der großen SÜDKURIER-Sommerserie „Gedächtnis der Region“ blicken wir in unseren Lokalteilen zurück in die 70er Jahre und zeigen Ihnen anhand von Bildern und Geschichten, wie sich das Leben in unserer Region verändert hat. Alle Folgen der Serie finden Sie hier.
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