Während die Schockwellen über den Konkurs der Firma Kaiser-Uhren allmählich abflauten, braute sich in Schwenningen neues Ungemach zusammen: Die Firma Mauthe-Uhren musste Ende Oktober 1975 den Gang zum Konkursrichter antreten. Lange hatte das Unternehmen gegen den Niedergang gekämpft, so schildert Annemarie Conradt-Mach in der Stadtchronik „Der Weg in die Moderne“: „Wie bei Kaiser-Uhren machte sich die Absatzkrise der Branche auch bei Mauthe-Uhren bereits in den 60er Jahren bemerkbar.“ Den zurückgehenden Export von Weckern versuchte das Unternehmen durch Kooperationen und Diversifikation aufzufangen.

1969 hatte Mauthe 936 Beschäftigte. Die Personalkosten machen mehr als 50 Prozent des Umsatzes aus.“ Als Junghans, die bei Mauthe Kleinwecker fertigen ließen, 1970 den Auftrag kündigten, gab es bei Mauthe Entlassungen und Kurzarbeit. 1971 gab es einen Einstellungsstopp und man drosselte die Produktion. Erschwert wurde die Lage durch komplizierte Besitzverhältnisse: 1972 gab es durch Todesfälle und Erbregelungen statt fünf auf einmal 19 Gesellschafter, alles Nachkommen des Firmengründers Friedrich Mauthe, schreibt Annemarie Conradt-Mach. Damals wurden 70 Prozent des Umsatzes von den Personalkosten aufgefressen.
Sanierer gesucht
Der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Heinz Schade, sah die einzige Hoffnung für das Unternehmen in der Einstellung eines Fachmannes für Sanierung. Mit Dieter Reiber war dieser Fachmann gefunden, er war, wie in der Stadtchronik nachzulesen ist, zwar Schriftsetzer und Lokalreporter bei den Stuttgarter Nachrichten, wurde dann aber Verkaufsleiter bei Kodak. Dort war er so erfolgreich, dass Photo Porst ihn abgeworben hat. 1973 machte Reiber sich mit einem Beratungsunternehmen selbstständig und schon im November stellte er seine Überlegungen zur Sanierung von Mauthe vor. Es fehle vor allem an Methoden des modernen Marketings und fortschrittlichen Führungsmodellen.
Neues Produkt
Große Hoffnungen ruhten auf einem neuen Produkt, dem Kiss Kiss-Wecker, ein in ein weiches Kissen eingearbeiteter Wecker. Dieser wurde mit einem nie da gewesenen Werbefeldzug in den Markt eingeführt: Am 18. September 1974 stellte das Unternehmen den neuen Wecker im Beethovenhaus der Öffentlichkeit vor. Viel Geld wurde für den weltweiten Warenzeichen-Musterschutz ausgegeben, da man den Wecker sogar in Japan verkaufen wollte. In sechs Ausführungen gab es den Kiss Kiss-Wecker mit mechanischem Uhrwerk für 59 Mark. Leider floppte das Produkt und das Mauthe-Ende rückte näher.
Das Millionengeschachere
Zuvor aber überwies die Stadt nochmals eine Millionensumme an das Unternehmen für den Kauf von Grundstücken in der Kronenstraße und in der Muslen. Der damalige OB Gebauer sah darin eine Chance, die Firma wieder flott zu machen.“ Im Gegenzug sollten die Anteilseigner 1,5 Millionen für die Sanierung aufbringen, das Geld blieb aber aus, auch die Landeskreditbank gewährte Ende Mai 1975 keine Kredite mehr. Der Vorstand der Landeskreditbank schrieb, dass es nicht Aufgabe des Staates sei, Unternehmen mit Steuermitteln zu stützen, bei denen keine Chance mehr bestehe, im Wettbewerb zu bestehen. Annemarie Conradt-Mach beschreibt in ihrem Beitrag auch das „undurchsichtige Taktieren“ der Gesellschafter, die nach außen hin glauben ließen, sie seien bereit, die für einen Vergleich benötigten Millionen in das Unternehmen einzubringen.
Mauthepark verkaufen
Mitte August 1975, so Conradt-Mach, nach Eröffnung des Vergleichsverfahrens, erklärte eine Gruppe der Gesellschafter überraschend der Arbeitnehmerseite, eine Millionen Mark für den Sozialplan oder zur Erhaltung der Arbeitsplätze schenken zu wollen, wenn das Konkursverfahren eingeleitet werde. Man wolle nicht mehr in ein „Fass ohne Boden“ investieren. So gab es plötzlich verschiedene Absichtserklärungen der Eigentümer: Eine Gruppe wollte ein Erbengrundstück verkaufen und den Erlös, mehrere Millionen Mark, zur Verfügung stellen. Die andere Gruppe wollte nur eine Millionen Mark bereit stellen. Das Geld sollte aus dem Verkauf des Mautheparks kommen, die Stadt sollte hier einen Einkaufsmarkt genehmigen, dies wurde aber abgelehnt.

Allerdings gab es dann keine Einigung und damit auch kein Geld für das Weiterbestehen der Firma. Ende September konnte Mauthe seine Rechnungen nicht mehr bezahlen, darunter auch die des Konkursverwalters in Höhe von 166 000 Mark. Dies löste dann den Konkurs im Oktober 1975 und das Ende der 130 Jahre alten Uhrenfabrik aus. Konkursverwalter war übrigens, wie bei Kaiser-Uhren auch, Hellmuth Fischer aus Stuttgart, der im Nachhinein den Gesellschaftern die Hauptschuld am Untergang der Firma gab. Als es 1975 anfangs nur um den Vergleich ging, habe Fischer die mehr als 20 Teilhaber nach einer eintägigen Sitzung in Bad Dürrheimer Hänslehof dazu bewegen können, eine Million nachzuschießen. Annemarie Conradt-Mach zitiert Hellmuth Fischer: „Damit hätte man die Firma in kleinerem Umfang weiterleben lassen können.“ Doch niemand aus den Inhaber-Familien zahlte schließlich. Ein Sozialplan war mit einem Volumen von rund einer Millionen Mark ausgestattet, 80 Prozent davon wurde im Dezember 1980 an die betroffenen Arbeitnehmer ausbezahlt. Erst 1988 fand die letzte Gläubigerversammlung statt, dann wurden die Akten geschlossen.