Metall- und Kunststoffteile in allen erdenklichen Formen: In der Feinmechanikwerkstatt von Walter Wunderle in der Wehrer Talstraße werden kleine Bausteine hergestellt, die, ähnlich wie Puzzleteile, in ganz unterschiedlichen Bereichen größere Einheiten vervollständigen und deren Funktionalität bedingen.
„Unsere Teile kommen unter anderem in der Schifffahrt und im Bereich der Luftfahrt zum Einsatz, vor allem aber auch in der Medizintechnik, beispielsweise bei Endoskopen“, erklärt Wunderle. Der 61-Jährige führt seinen Betrieb seit 20 Jahren. Künftig will er nun aber etwas kürzer treten und seinen Betrieb auf längere Sicht ganz übergeben.
Zahlreiche Betriebe suchen Nachfolger
Mit diesem Thema ist der gelernte Kfz-Meister Walter Wunderle nicht alleine. In den kommenden Jahren steht bei mehr als 150 Betrieben, ohne Berücksichtigung der Freiberuflichen, im Kreis Waldshut das Thema Nachfolgesuche an. Darunter befinden sich aktuell 17 Handwerksbetriebe, die bei der Handwerkskammer Konstanz gemeldet sind.
Die IHK Hochrhein Bodensee betreut im gesamten Kammerbereich derzeit rund 50 Unternehmen in Sachen Nachfolge und schätzt, dass allein im Landkreis Waldshut in den kommenden Jahren 50 bis 60 Nachfolgen anstehen. Über verschiedene Plattformen können Unternehmer anonym sich möglichen Nachfolgern vorstellen, die sich bei Interesse direkt melden können.
Begegnung war Zufall
Walter Wunderle ist hier schon einen Schritt weiter: Mit dem 39-jährigen Dirk Lippold hat er, der selbst keine Kinder oder Verwandte hat, an die er den Betrieb hätte weitergeben können, einen geeigneten externen Nachfolger gefunden. Dass Lippold und Wunderle sich fanden, sei ein „glücklicher Zufall“ gewesen, wie beide sagen.
Wunderle habe erst begonnen die Frage der Firmennachfolge anzugehen, Lippold suchte nach einer beruflichen Perspektive und hörte von den noch vagen Plänen des 61-Jährigen. „Ich stand dann einfach bei Walter Wunderle vor der Tür und habe mich sozusagen direkt beworben“, bei diesen Worten muss er schmunzeln. „Wir haben uns dann zusammengesetzt und festgestellt, dass das ganz hervorragend passt“, sagt Wunderle. Lippold schaute sich den Betrieb an und schnell wurden sich beide einig.

Gelernt hat Lippold den Beruf des Schlossers im bayerischen Wald, verfügt aber über reichlich Berufserfahrung im Bereich „Zerspanung“, wie das Fachwort für das, was in diesem Wehrer Betrieb getan wird, lautet. „Ich bringe außerdem Fachwissen mit aus dem Ein- und Verkauf, sowie Reparatur und Teile“, ergänzt Lippold. Darüber hinaus habe er gute kaufmännische Kenntnisse.
Dirk Lippold geht mit sehr viel Motivation an die neuen Aufgaben heran. „Für mich ist die Selbstständigkeit die optimale Lösung“, sagt der 39-Jährige.
Verschiedene Aufgaben als Unternehmer
Aus Sicht des Experten seien dies gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Übernahme. „Man darf den ganzen buchhalterischen Bereich nicht unterschätzen“, bestätigt Dennis Schäuble von der Handwerkskammer. Er ergänzt: „In der Werkstatt wird gearbeitet, aber das Geld wird im Büro verdient.“ Vielschichtig seien die Aufgaben, mit denen Selbstständige konfrontiert seien.
Für Lippold ist es gerade die Vielfalt, die ihn an seiner neuen Tätigkeit begeistert: „In einem Betrieb wie diesem ist man mit allen Bereichen konfrontiert – von der Kalkulation von Preisen, Materialeinkauf, der Pflege des Kundenstamms – das ist einfach spannend und ich freue mich riesig, dass ich hier einsteigen darf“, sagt der Vater zweier Kinder. Vor allem die praktische Tätigkeit macht ihm Spaß: „Zuletzt habe ich einige Zeit nur im Büro gearbeitet, auf Dauer gefällt mir das aber nicht. Ich bin zu gerne in der Produktion.“
In der Wehrer Werkstatt werden die Teile mit so genannten CNC-Drehmaschinen hergestellt. Diese bearbeiten das Material – Kunststoff, Stahl oder Aluminium beispielsweise – so dass es am Ende genau die Form hat, die der Kunde braucht und dessen Anforderungen entspricht. Die richtige Länge, die auf millimetergenaue Kontur, mit oder ohne Löcher, mögliche Gewinde: All das kann eine einzelne Maschine ausführen. „Im Prinzip lässt sich praktisch jedes denkbare Teil produzieren“, erklärt Lippold.
Wie das funktioniert?
„Wir müssen für jedes Teil ein eigenes Programm erstellen. Hier gilt höchste Konzentration, denn ein kleiner Fehler macht das Ergebnis unbrauchbar“, erklärt Lippold und zeigt auf den Bildschirm neben der Maschine. Hier lassen sich die Fertigungsschritte verfolgen.
Die Maschine verfügt außerdem über ein Sichtfenster: Eine Fräse dreht sich vom Werkstück weg. Nun wird ein Loch in das Metall gebohrt. Dann wird das Stück in der passenden Länge abgeschnitten. Ein weiterer Mechanismus gibt das fertige Bauteil aus. Dann endet das Programm und der Vorgang beginnt von Neuem.
„Natürlich machen wir erst ein paar Probedurchgänge, ehe eine größere Stückzahl produziert wird“, sagt Lippold. Denn nicht nur das Computerprogramm ist entscheidend, auch die Maschine muss mit dem richtigen Werkzeug ausgerüstet sein. Die Rüstzeit kann je nach Komplexität mehrere Stunden dauern.
Zeit sich einzuarbeiten
Wunderle und Lippold führen die Firma seit 1. September gemeinsam. Dafür haben sie die Rechtsform der GbR gewählt, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. „Die gemeinsame Unternehmensführung ist ein gängiges Modell, insbesondere, wenn die Nachfolge extern geregelt wird“, sagt Dennis Schäuble von der Handwerkskammer. „So kann sich der Nachfolger in Ruhe einarbeiten, Kontakte knüpfen und auch die Kunden können sich langsam an den Neuen gewöhnen. Das gilt vor allem, wenn der Chef praktisch das Gesicht des Unternehmens ist.“
„Im Moment denke ich noch nicht daran, mich komplett zurückzuziehen, dafür macht mir das alles noch zu viel Spaß“, sagt Wunderle. „Das alles“ ist natürlich die laufende Produktion, aber noch mehr: Instandhaltung der CNC-Maschinen beispielsweise, der Werkstatt, der Kontakt zu den Kunden – ganz möchte Wunderle darauf noch nicht verzichten. Schön sei es aber, jemanden gefunden zu haben, auf den er sich verlassen könne. Er freut sich darauf, bald etwas mehr Freizeit zu haben.
Hintergründe zur Nachfolgersuche
Der Unternehmer hat keine Verwandten, die den Betrieb fortführen werden und sucht einem externen Nachfolger: Ein Szenario, das mittlerweile recht häufig vorkommt, hier sind sich Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer (IHK) einig.
- Handwerkskammer: Entlastend wirke sich hier die Neuregelungen bei der Meisterpflicht aus. Mittlerweile sind nicht mehr alle Gewerke meisterpflichtig, so dass das Fortführen eines Betriebes auch schon mit Gesellenstatus möglich ist. 41 Gewerke gilt nach wie vor die Meisterpflicht, so beispielsweise bei Elektrikern, Friseuren oder Bäckern. Dennis Schäuble, Experte bei der Handwerkskammer Konstanz sagt über Firmenübernahmen: „Es kann lukrativer sein, einen bestehenden Betrieb zu übernehmen, als neu zu gründen. Zwar sind die Kosten anfangs höher, aber man kennt das Unternehmen, das meist am Markt etabliert ist.“
- IHK: „Auch im IHK-Bezirk Hochrhein-Bodensee nähern sich immer mehr Chefs der Altersgrenze und müssen eine Nachfolgeregelung treffen, um ihr Lebenswerk zu sichern“, sagt IHK-Gründungs- und Nachfolgeexperte Alexander Vatovac. Hinsichtlich der Besonderheiten der Branchen sagt er: „Im Hotel- und Gastgewerbe ist es aufgrund eines oft vorhandenen Investitionsstaus schwierig, einen Nachfolger zu finden. Das betrifft auch den nicht spezialisierten kleinen Einzelhandel. Besser ist es bei gut aufgestellten Industriebetrieben.“