Seine Haushaltsrede nutzte der Wehrer Bürgermeister Michael Thater für scharfe Kritik an Bundes- und Landespolitik – und das über alle Parteigrenzen hinweg: „Es wurde auf dem Rücken der Kommunen eine Anspruchsgesellschaft erschaffen, die seit Jahren über ihre Verhältnisse lebt und nun langsam wieder auf den Boden der Realität zurückkehren wird müssen“, sagte Thater mit Blick auf die von oben verordneten Rechtsansprüche auf Ganztagsbetreuung in Kindergärten und Schulen. „Durch diese Entwicklung tragen Kommunen heute mehr als 25 Prozent der öffentlichen Gesamtausgaben, erhalten aber nur 14 Prozent des Steueraufkommens – das kann auf Dauer nicht funktionieren.“ Die Kommunen seien zwar gewohnt, Probleme zu lösen, „aber jetzt zerbläst es die kommunalen Haushalte – auch bei uns in Wehr“, schlägt Thater Alarm. Das bundes- und landesrechtliche Korsett werde den Kommunen „komplett die Luft abdrehen.“

Übergangshaushalt in schwierigere Zeiten

Mit einem „Übergangshaushalt“ bereiten Bürgermeister Thater und Kämmerer Erich Götz die Wehrer Gemeinderäte auf die finanziell angespannte Zeiten vor. Nach vielen Jahren mit hohen Investitionen in die Infrastruktur stehen nun Zeiten bevor, in denen die Stadt den Gürtel enger schnallen muss. Einstimmig verabschiedete der Gemeinderat den Haushaltsplan, der ohne Steuer- und Gebührenerhöhungen auskommt, der allerdings trotz Darlehensaufnahme von einer Million ein negatives Ergebnis von 1,74 Millionen Euro aufweist.

„Sie erkennen an diesem Haushaltsplan, dass wir – noch – kein Einnahmeproblem haben, denn wieder haben wir mit 39,5 Millionen Euro Rekordeinnahmen zu verzeichnen“, so Thater. Demgegenüber stehen allerdings Ausgaben in Höhe von 41,2 Millionen Euro. Hierfür ursächlich sind für Thater die weiter gestiegenen Personalkosten, sei machen mit 16,5 Millionen Euro fast 40 Prozent des Haushaltsvolumens aus. Davon wiederum geht wiederum die Hälfte auf das Konto der Erzieherinnen und Erzieher.

Investitionen gehen stark zurück

Die geplanten Investitionen schraubt die Stadt im kommenden Jahr auf 2,9 Millionen Euro zurück. In den vergangenen Jahren waren es im Schnitt dreimal so viel – vor allem in Breitbandausbau und den Neubau des Ärztehauses. Das Jahr 2025 steht deshalb vor allem im Zeichen der Fertigstellung bereits begonnener Großprojekte: Die Sanierung von Seebodenhalle und Kindergarten St. Josef. Auch der Breitbandausbau in der Kernstadt soll bis Sommer abgeschlossen sein. Hinzu kommen notwendige Sanierungsarbeiten in Abwasserkanäle und Wassernetz, die Fassadensanierung des Alten Schlosses, sowie Innenumbauarbeiten im Rathausgebäude. Auch für die Vorbereitung auf die Ganztagsbetreuung in den Grundschulen stehen im kommenden Jahr Mittel bereit.

Die Verschuldung des städtischen Haushalts einschließlich der Eigenbetriebe steigt im kommenden Jahr laut Plan auf rund 20 Millionen Euro – so hoch wie seit 20 Jahren nicht. Ob es tatsächlich so schlimm kommt, hängt allerdings davon ab, ob die veranschlagten Darlehen tatsächlich gezogen werden müssen.

Von CDU bis FDP: Das sagen die Gemeinderatsfraktionen

Alle Gemeinderatsfraktionen trugen den Haushaltplan einstimmig mit. CDU-Fraktionsvorsitzender Stefan Tussing betonte, dass Wehr angesichts der vergangenen Investitionen gut aufgestellt sei, teilte aber auch Thaters Sorge vor der künftigen Finanzlage: „Wir müssen genau überlegen, welche Investitionen zwingend notwendig sind und welche Stellen wir neu schaffen oder abschaffen. Auf Dauer können wir keine negativen Ergebnisse ausweisen“, so Tussing. Freie Wähler-Sprecher Michael Kownatzki sieht die Stadt Wehr im „Umbruch von einer Industrie- zu einer Wohn- und Schlaf-Stadt“. Dies mache angesichts der veränderten Steuereinnahmen ein Umdenken nötig.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Stadt müsse eine Perspektive in der Entwicklung und Schaffung von Wohnraum entwickeln. „Ziel muss es sein, die Einwohnerzahl von Wehr zu erhöhen und damit die Einkommensteuer zu erhöhen.“ SPD-Sprecherin Angelika Buchmann-Flaitz sieht die Stadt in den kommenden Jahren auch vor einem Sparzwang, hofft aber auch auf die Innenministerkonferenz, dass künftig mehr Steuergelder bei den Kommunen ankommen. Für die Grünen legte Claudia Arnold den Fokus auf den von anderen Parteien kritisierten Rechtsanspruch auf die Kinderbetreuung. „Nicht jede Vorgabe ist negativ“, widersprach sie der Sichtweise Thaters. Der Rechtsanspruch schließe nicht nur eine Betreuungslücke, sondern sorge auch „für positive volkswirtschaftliche Effekte wie höhere Erwerbsquoten von Frauen,

stärkere Familien, und den Erhalt von Fachkräften.“ Afd-Sprecher Matthias Jehle sieht die Spielräume der Stadt immer enger werden. „Noch können wir uns ein Schwimmbad und ein Hallenbad leisten“, so Jehle. Ob diese in einigen Jahren noch so sei, werde sich zeigen. Hans-Peter Zimmermann (FDP) stimmte ebenfalls zu.