Wenn man die wichtigsten Wehrer Themen des Jahres 2021 zusammenfassen müsste, dürfte kaum eine Redensart besser passen als diese: „Was lange währt, wird endlich gut.“ Gleich mehrere Großprojekte schrieben nach jahrelanger Vorbereitung endlich die erhofften positiven Schlagzeilen. Zwar dominierte die Corona-Pandemie auch in Wehr das Nachrichtengeschehen – doch es war eben nicht alles Corona in diesem Jahr. Es gab auch ein paar echte Meilensteine.

  • Brennet-Areal: Endlich der ersehnte Spatenstich! Was wurde in den vergangenen Jahren geplant, diskutiert und gestritten über das Projekt, das wie kein zweites die Wehrer Innenstadt verändern soll. Mehrfach schien das Projekt schon beerdigt, am Ende rauften sich alle beteiligten Parteien doch noch zusammen. Nach dem Abriss der alten Fabrikhallen konnte Anfang August der Neubau beginnen. Fast acht Jahre dem Ende der Textilproduktion hat damit auf dem Brennet-Areal eine neue Zeitrechnung begonnen. Bis Ende 2022 sollen auf der bisherigen Brachfläche zwischen Todtmooser Straße und Wehra drei große Märkte entstehen: Ein Schmidts-Markt, ein Lidl und ein Müller-Drogeriemarkt.
  • Breitband: Nicht weniger bedeutend für die Zukunft der Stadt war der zweite Spatenstich, zu dem Bürgermeister Michael Thater im Juli einlud: Es war der Startschuss für das kommunale Breitbandnetz, dass den Ortsteil Wehr an die schnelle Datenautobahn bringen soll. Auch hier war lange geplant worden, einige juristische Klippen mussten umschifft werden. Im Herbst begann der neue Eigenbetrieb der Stadt mit dem Verlegen der Hausanschlüsse im Hölzle. Wenn alles gut läuft, sollen bis Ende 2022 die ersten Daten durch die neue Glasfaserleitungen übertragen werden.
  • Energy Award: „Endlich!“ dürfte nicht nur Bürgermeister Thater im November gedacht haben, als er erfuhr, dass die Stadt Wehr nun tatsächlich mit dem European Energy Award in Silber ausgezeichnet wird. Acht Jahre, nachdem der Gemeinderat den Prozess begann, konnten nun die notwendigen Punkte erreicht werden. Andere Gemeinden schaffen die Auszeichnung in zwei Jahren – in Wehr dauerte es deutlich länger.
  • A98: Nach Jahren des Stillstands gab es mal wieder Neuigkeiten in Sachen Hochrheinautobahn – und diese dürfte Bürgermeister Michael Thater als politischen Erfolg feiern: Die Autobahnplanungsgesellschaft Deges stellte nun endlich die lange angekündigte Vorzugsvariante des A98-Abschnitts zwischen Schwörstadt und Murg vor. Die Planen rücken damit ab von der lange bevorzugten Brücken-Lösung über Öflingen, stattdessen wird die Trasse nun in Brennet im Tal geführt – über eine elf Meter hohe und 1140 Meter lange Talbrücke beim Gewerbegebiet Nagelfluh. Die Stadt Wehr begrüßt das Ergebnis des Trassenvergleichs, sieht aber auch bei dieser Trasse noch Optimierungsbedarf.
  • Wehrabecken: Für die größte Baustelle in der Stadt war das Schluchseewerk verantwortlich: Nach fast 50 Betriebsjahren sanierte das Unternehmen das Wehrabecken. Ein halbes Jahr war der Stausee ohne Wasser. Was nach spannenden Einblicken klingt, bekam aber kaum jemand zu sehen. Die Baustelle war aus Sicherheitsgründen abgesperrt, eine Begehung des leeren Beckens unmöglich.
Der Staudamm in seiner ganzen Größe: Auf der Wasserseite bekam der Damm eine neue Deckschicht. Bild: Justus Obermeyer
Der Staudamm in seiner ganzen Größe: Auf der Wasserseite bekam der Damm eine neue Deckschicht. Bild: Justus Obermeyer
  • Gewerbekanal: Und noch ein anderes altes Gewässer wurde trockengelegt: Der Wehrer Gewerbekanal, seit mehreren hundert Jahren Lebensader von Handwerk und Industrie, wurde abgestellt. Stattdessen entsteht nun nördlich des Wehra-Areals ein neues Stauwehr und ein Wasserkraftwerk.
  • Wirtschaft: Keine guten Nachrichten kommen von zwei Industrieunternehmen Das Kunststoff-Recycling-Unternehmen Celanese hat seine Schließung zum Jahresende angekündigt. Der Zahnrad- und Getriebehersteller Kownatzki Premium Gears wird voraussichtlich nach Albbruck umsiedeln und dort expandieren. „Wir platzen aus allen Nähten“, erklärt Günter Ebi, Geschäftsführer und Inhaber von KPG. Schon seit einigen Monaten sei man auf der Suche nach einem größeren Fläche, in einem Gewerbegebiet in Albbruck sei man fündig geworden.
  • Vereine: Das Wehrer Vereinsleben ruhte 2021 aufgrund der Pandemie weitgehend. Und doch konnte sich ein Verein besonders freuen, nämlich der Vereine Eine Welt. Auf sein Betreiben wurde die Stadt als Fairtrade-Stadt ausgezeichnet. Andere Vereine kämpften dagegen mit Nachwuchsmangel: Die BUND-Ortsgruppe hat deshalb im November ihre Auflösung beschlossen. Dasselbe Schicksal droht auch der Awo, wenn sich nicht bald ein neuer Vorstand findet.
  • Von Naturkatastrophen und Großbränden blieb die Stadt glücklicherweise weitgehend verschont. Lediglich ein Hochwasser im Januar beschädigte die Widerlager der Wehra-Brücke in Brennet schwer und drohte sogar die gesamte Brücke wegzuspülen. Mehrere Wochen musste sie gesperrt bleiben.

Licht und Schatten im zweiten Corona-Jahr

Es war wahrlich kein guter Start ins Jahr 2021 für die Wehrer Bürgerstiftung: Konnte im Jahr zuvor die Senioreneinrichtung durch strenge Besuchs- und Test-Regeln noch coroanafrei gehalten werden, wurde das Virus vermutlich über die Weihnachtsfeiertage 2020 in das Pflegeheim getragen. Schon am 3. Januar gab es den ersten positiven Test – und dabei blieb es nicht. Praktisch zeitgleich zu den ersten Impfaktionen im Kreis Waldshut infizierten sich im Wehrer Pflegeheim mehrere Dutzend Bewohner, viele davon erkrankten schwer. Am 3. Januar wurden die ersten Bewohner positiv getestet. Für Besucher wurde die Einrichtung daraufhin sofort geschlossen, die Infektionswelle war aber nicht mehr aufzuhalten. Einen guten Monat später zählte die Stadt insgesamt 13 Todesfälle in den beiden Stationen des Pflegeheims, die auf eine Sars-Cov2-Erkrankung zurückgehen. „Es ist der bitterste Monat meiner bisherigen Amtszeit“, bilanzierte Bürgermeister Michael Thater.

Zum Politikum wurde die tragische Entwicklung, weil Thaters Amtsvorgänger Klaus Denzinger die aus einer seiner Sicht zu laxen Zutrittskontrollen in der Bürgerstiftung öffentlichkeitswirksam kritisierte. Um die Mängel zu beweisen, betrat er das Wohnheim außerhalb der Öffnungszeiten – ohne kontrolliert zu werden. Thater wies die Vorwürfe zurück und kündigte nach der Aktion eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch an – der Streit endete schließlich außergerichtlich.

Doch auch bei einigen tief betroffenen Gemeinderäte gab es Zweifel, ob der Corona-Ausbruch nicht zu verhindern gewesen wäre, und ob er nicht besser hätte gemanagt werden können. Die Kritik blieb größtenteils hinter verschlossenen Türen. Immerhin stellte sich der Gemeinderat hinter das Personal der Bürgerstiftung und veranlasste einen finanziellen Bonus und zusätzliche Urlaubstage.

Den Kampf gegen die Corona-Pandemie nahm in Wehr vor allem Ordnungsamtsleiter Stefan Schmitz auf. Als Leiter der Ortspolizeibehörde oblag ihm nicht nur Kontrolle der Einhaltungen Quarantäneverfügungen für positive Fälle, er hatte mit seinem Team auch die manchmal undankbare Aufgabe, Gastronomen und Händler über die sich ständig ändernden Corona-Verordnungen zu informieren – und sie auch durchzusetzen und zu überwachen.

Sorgten für erfolgreiche Impfaktionen in Wehr: Olaf Böttcher Leiter Kreisimpfzentrum, Diana Linneweber stellvertretende ...
Sorgten für erfolgreiche Impfaktionen in Wehr: Olaf Böttcher Leiter Kreisimpfzentrum, Diana Linneweber stellvertretende Bereitschaftsleitung DRK Wehr, Michael Thater Bürgermeister Wehr, Stefan Schmitz Leiter Ordnungsamt Wehr (von links) und Martina Leist von der Stadtverwaltung (vorne sitzend) beim offenen Impftag in der Wehrer Stadthalle. Bild: Archiv | Bild: Barbara Halder

Eine weitere Aufgabe kam auf das Ordnungsamt während der Impfkampagne zu: Gemeinsam mit den DRK-Ortsvereinen, dem Landratsamt und dem Pandemie-Beauftragten des Landkreises organisierte das Team um Stefan Schmitz mehrere Impfaktionen. Ob in der Bürgerstiftung, in der Seniorenresidenz, in Wallbach, in der Stadthalle oder zuletzt kurz vor Weihnachten bei einer „Impf-Happy-Hour“. Diese niederschwelligen Impfangebote erwiesen sich als Schlüssel zu einer hohen Impfquote, denn sie ersparten vielen Wehrern den Weg nach Tiengen ins Kreisimpfzentrum.