Das war ein großer Tag im Leben des Unternehmers Friedrich Rupp (1844-1913). Was mag ihm durch den Kopf gegangen sein, als er am Sonntag, den 7. April 1907 im Bankhaus Josef A. Krebs in Freiburg vorsprach? Sein Plan war kühn, die Ausführung teuer, doch winkten hohe Gewinne. Ob Krebs einen Kredit für das neue Projekt geben würde?
Mit 40.000 Mark Startkapital und seinem später zum Betrüger gewordenen Freund Wilhelm Neflin hatte Rupp 1869 das Areal am oberen Gewerbekanal in Wehr erworben, um dort eine kleine Schuhstoffweberei aufzubauen. Sie ging 1870 in Betrieb. Als Rupp 1885 in das Geschäft mit den Möbelstoffen einstieg, erhielt er von Krebs den erforderlichen Kredit. Die Möbelstoffe waren Renner und brachten gute Gewinne. Nun plante Rupp den letzten großen Coup seines Lebens: die Produktion von Webteppichen.

150.000 Mark Startkapital
Die Verhandlungen mit der Hausbank waren erfolgreich. Wie einem Schreiben vom 9. April 1907 zu entnehmen ist, hatte Rupp dem Bankier mitgeteilt, „die Fabrikation von Boden-Teppichen und Läuferstoffen aufzunehmen“. Es sei ihm gelungen, die „fachmännische Mitarbeit eines Herrn Alfred Hauber“ zu gewinnen. Hauber habe „die technische Leitung der Herforder Teppichfabrik vorm. Korte & Co in Herford unter sich“ gehabt und wolle in Wehr einsteigen. Ein echter Experte der Teppichweberei. Das überzeugte Krebs und er gewährte den stattlichen Kreditrahmen von 150.000 Mark.

Trotzdem gab es Zweifel. Um sie zu zerstreuen, schrieb Rupp am 9. April, dass sich „Herr Hauber mit einer grösseren Einlage an dem neuen Unternehmen beteiligen“ werde. Geplant waren zunächst 70.000 Mark. Dann folgte der für Krebs entscheidende Zusatz: Man werde keinen „Credit über die bisherigen Grenzen hinaus in Anspruch nehmen“. Nun floss das Geld und es ging zur Sache.
Neue Halle wird gebaut
Unter der Leitung Alfred Haubers wurde „oberhalb der Moquetteweberei“ die neue Halle für die Teppichwebstühle gebaut. Wie Rupps Sohn Albert Jahrzehnte später schrieb, wurde sie wie folgt bestückt: „Mit vierzehn 70 cm, zwei 90 cm und einem 130 cm Webstuhl sowie mit den erforderlichen Vorbereitungs- und Ausrüstungsmaschinen.“ Sie kamen aus einer Maschinenfabrik in Chemnitz. Bald wurde auch „der erste 200 X 300 cm Teppichwebstuhl“ für breite Ware angeschafft.

Inzwischen hatte Hauber fleißig Geld auf das Konto der Firma eingezahlt. Insgesamt handelte es sich um sieben Überweisungen zwischen dem 28. Juni 1907 und dem 7. April 1908. Der Betrag in Höhe von 90.300 Mark wurde „als zu 5 Prozent verzinsliche Geschäftseinlage“ verbucht. Hauber zahlte mehr als die ursprünglich vereinbarten 70.000. Das zeigt: Er wollte voll und ganz bei „Neflin & Rupp“ einsteigen.
Da die Firma ihr Geschäftsmodell radikal erweitert hatte, wurde im März 1908 zum Beweis der Solvenz eine Geschäftsauskunft mit den wichtigen Eckdaten lanciert. Der Jahresumsatz betrug damals 800.000 bis 900.000 Mark. Durch die neue Teppich-Weberei hoffte man die Millionen-Grenze zu überschreiten. Es waren 150 Arbeiter beschäftigt und die Einlagen der drei Inhaber (Rupp und seine beiden Söhne Friedrich und Albert) betrugen 860.000 Mark. Und Alfred Hauber war Anfang 1908 Prokura erteilt worden.
Während Hauber Ende Februar 1908 die ersten Webteppiche von den neuen Maschinen ließ, kümmerte sich Friedrich Rupp um deren Vermarktung. Die Konkurrenz hatte die Vorgänge in Wehr mit Argusaugen verfolgt. Bereits am 8. Februar erhielt Rupp einen Brandbrief der Herforder Teppichfabrik. Man war in Sorge, er könne durch Dumping „die bisher für Teppiche allgemein geltenden Preise“ drücken. Es gab nur wenige Teppichwebereien in Deutschland, insofern war das Teppichgeschäft – im Gegensatz etwa zur Buntweberei – äußerst lukrativ.
Kampf um die Markteinführung
Die Jahre 1908 und 1909 waren vom zähen Kampf um die Markteinführung der Teppiche aus Wehr bestimmt. So schrieb Rupp am 30. November 1908 an die Firma „Smyrna-Teppich Berlin“, man sei bei Einführung des „Moquette-Geschäfts nie Preisverderber“ gewesen und werde auch das Teppichgeschäft „nach soliden Grundsätzen betreiben“.
Unverkennbar waren Rupps Versuche, die Konkurrenten zu einer Preisabsprache zu bewegen – was aber misslang. Trotzdem blieb er seiner Linie treu, die hieß: Qualität siegt. Mit Alfred Haubers Hilfe gelang der glänzende Start ins Teppichgeschäft. Das Experiment war geglückt. Hauber wurde 1911 Teilhaber, baute in der Merianstraße eine ansehnliche Villa und sorgte dafür, dass „Neflin & Rupp“ zu einer der führenden Teppichwebereien Deutschlands aufstieg.