Dank einer Initiative der VHS Wehr wird auch im Corona-Krisenjahr 2021 dem heutigen Internationalen Frauentag Aufmerksamkeit zuteil. Der SÜDKURIER hat mehrfach über Wehrerinnen berichtet, die sich für die Rechte von Frauen stark gemacht haben. So setzte sich Emmy Laule von 1949 bis 1961 im Deutschen Bundestag vehement für die Gleichstellung von Frauen ein. Aber auch das Engagement von Stadträtinnen wie Maria Albietz, Rita Burger oder Imma Anneke-Hein wurde bereits gewürdigt.
Anlässlich des Internationalen Frauentags stellen wir heute Frauen vor, die außerhalb der Politik „ihre Frau gestanden“ haben oder deren Schicksal die Menschen bewegt hat. Dabei geht es auch um heute so Alltägliches wie den Führerschein. Davon weiß die Geschäftsfrau Mechthild Tenhibben, geb. Biesinger, zu berichten. Ihr Großvater Eugen Biesinger (1876-1952) hatte nach dem 1. Weltkrieg einen Großhandel für Tabakwaren gegründet. Eigentlich sollte dieser von Schwiegersohn Karl Hölle, Mechthilds Vater, übernommen werden. Hölle verstarb jedoch 1940 und Biesinger musste das Geschäft allein weiterführen. Als es nach dem 2. Weltkrieg wieder bergauf ging, stand fest: Die tüchtige Enkelin Mechthild sollte einmal Chefin werden. Dazu brauchte sie den Führerschein.
„Unsere Kunden saßen überall in der Region. Mein Opa hatte früh ein Auto, um sie zu beliefern. Als ich 1947 siebzehn Jahre alt wurde, beantragten wir beim Landratsamt eine Sondergenehmigung“, erzählt die Geschäftsfrau. Fahrlehrer Alfred Maier betrieb seine Fahrschule in der Öflinger Straße. Er staunte nicht schlecht, als das zierliche „Maidle“ zur ersten Fahrstunde erschien. Das hatte er noch nicht erlebt. Er staunte noch mehr, als sich zeigte, dass es einem Lenkrad ziemlich egal ist, ob es in einer Männer- oder Frauenhand liegt. „Anfangs hat mich mein Opa im Geschäftsauto begleitet“, erzählt Mechthild Tenhibben. Als Eugen Biesinger 1952 verstarb, war die junge Geschäftsfrau längst allein auf Tour zwischen Grenzach, Waldshut und dem Wiesental.
Weniger Glück hatte Wally Kramer, eine Schulkameradin Mechthild Tenhibbens. Ihr trauriges Schicksal bewegte viele Menschen in Wehr. „Wally war eine ganz Lustige“, erinnert sich Mechthild Tenhibben. Klar, dass sie die Fasnacht liebte. Am 27. Februar 1949 nahm sie quietschfidel am großen Fasnachtsumzug zum 75-jährigen Jubiläum des Elferrats teil.

Einige Wochen später erkrankte sie schwer an der Grippe. „Wally verschleppte sie. Ihr ging es immer schlechter und sie wurde ins Basler Spital eingeliefert,“ erzählt ihr Bruder Günter Kramer. „Sie verstarb mit 18 Jahren am 24. April 1949 an einer Gehirnblutung als Folge der Grippe.“ Wenige Jahre später gab es die ersten Impfungen. Hätte Wally Kramer 1949 schon Impfschutz gehabt, würde sie vielleicht heute noch leben.
Ein anderer Schicksalsschlag traf Emilie Siebold, geb. Büche (1888-1968). Gemeinsam mit vielen Witwen aus zwei Weltkriegen erfuhr sie das harte Los sozialer Benachteiligung, jedoch infolge einer anderen Gewalttat. Die aus einer Zimmerei stammende Emilie hatte 1921 den Zimmermeister Emil Siebold aus Niedergebisbach geheiratet. 1927 wurde ihr Ehemann heimtückisch nach dem Kirchgang von einem Handwerker-Konkurrenten vor einer Herrischrieder Gaststätte erschlagen.

Die junge Witwe zog mit ihren beiden Buben zurück nach Wehr und legte sich dafür krumm, dass ihre Söhne eine gute Erziehung bekamen. Weil es keine Sozialhilfe gab, musste sie in die „Wehra“ zum „Schaffe goh“. Ihre Mühen waren nicht vergebens, wie das Beispiel ihres Sohns Emil zeigt. Der 2001 verstorbene Förderer des Wehrer Jugendfußballs ist bis heute unvergessen, während sich an seine Mutter Emilie nur noch wenige erinnern.
Mit zwei mutigen Frauen, die in jungen Jahren viel auf Achse waren, beenden wir unsere Porträts zum Weltfrauentag. Anni Prutscher (1903-1991), die Mutter von Alt-Stadtrat Klaus Marksteiner, wagte in den 1920er Jahren den Blick über den Wehrer Tellerrand. Mehrfach ging sie nach Meran, ein Zentrum des internationalen Tourismus, und nahm dort Jobs im renommieren Theatercafé an.

Auch die Öflingerin Gertrud Starkel kam weit herum, allerdings durch den Sport. Nach dem 2. Weltkrieg zählte sie zu den Spitzenturnerinnen Südbadens. Mit sensationellen Übungen bewies sie, dass das Turnen an den Ringen längst keine Männerdomäne mehr war.

Das Publikum hielt den Atem an, wenn sie durch die Luft sauste. Gertrud Starkel, seit 1958 verheiratete Schmidt, arbeitete 35 Jahre lang als Einzieherin in der MBB und genießt heute gemeinsam mit ihrem Ehemann ihren wohlverdienten Lebensabend in Brennet.