Sechs Wochen Busse statt Züge: Für die Fahrgäste hat am Montag eine längere Geduldsprobe begonnen. Wegen der Erneuerung von fünf Bahnübergängen zwischen Radolfzell und Allensbach fahren auf diesem Streckenabschnitt in beide Richtungen keine Züge. SBB Deutschland, die Deutsche Bahn (DB) und das Landratsamt Konstanz äußern sich über den ersten Tag zufrieden. Die Reisenden sehen das teilweise anders.
Bahnkunden teils schlecht informiert
Deutlich wird aber auch, dass sich einige Bahnkunden unzureichend informiert beziehungsweise die Informationen sie nicht erreicht haben. Ein jüngerer Mann, der am Bahnhofsgebäude in Allensbach lehnt, winkt ab, als er zum Thema Schienenersatzverkehr (SEV) angesprochen wird. Nein, mit dem wolle er nicht fahren, sondern mit dem Zug nach Radolfzell ...
Fabian Wolf aus Engen wartete an der Bushaltestelle in Richtung Radolfzell. Seine Erfahrungen mit dem SEV waren in der Vergangenheit recht durchwachsen. „Manchmal gut, manchmal ...“, formuliert er es nicht ganz druckreif. In Singen seien die Busse manchmal bis zu 15 Minuten verspätet losgefahren.
„Wenn es nur fünf Minuten waren, dann war es schon topp. Oder sie sind zwei Minuten vorher losgefahren“, erzählt er. Daher sei er nicht glücklich darüber, dass er für seinen Schulweg auf die Insel Reichenau so umständlich fahren muss. Aber auch er zeigt sich überrascht, dass die Streckensperrung sechs Wochen andauern soll.
Zwischen Lob und hartem Urteil
Uwe Kottusch aus Radolfzell ist auf dem Weg zu einem Arzt in Konstanz. „Es lief perfekt. Wenn das alles so pünktlich bleibt, dann ist das so okay für mich“, sagt er zufrieden.

In Radolfzell sind am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) gegen 15 Uhr viele Schüler unterwegs. Der 17-jährige Noah war schon am Morgen von Konstanz gekommen. „In Allensbach standen zwei große Busse, aber es waren so viele Leute, dass ich nicht mitfahren konnte und eine Stunde warten musste“, berichtet er. Manuel (16 Jahre) urteilt hart. „Katastrophe“, sagt er. Als „komplett unstrukturiert“ habe er den SEV empfunden.
Mit seinem gleichaltrigen Kumpel Gino sei er gegen 7.30 Uhr in Allensbach gewesen. „Der erste Bus kam nicht. Der nächste hat Leute stehen lassen“, erzählt er. „Am ersten Tag ist es immer ein bisschen chaotisch, am zweiten vielleicht auch noch. Es regelt sich dann. Ich kann nicht sagen, dass es schlecht ist“, sagt Gino dagegen verständnisvoll.
Am Morgen überraschend wenig los
Rolf Wiehler von der Lokalen Agenda Allensbach „Verkehr und Mobilität“ hatte im Vorfeld Zweifel an einem funktionieren Schienenersatzverkehr während des Berufsverkehrs zwischen 7 und 9 Uhr angemeldet. Vor allem befürchtete er, dass der Ausweichverkehr durch Allensbach zusammenbrechen könnte, weshalb die Busse dann Anschlüsse nicht rechtzeitig erreichen. Wiehler selbst fährt täglich zum Arbeiten noch Konstanz. Am Montag war er gegen 7.30 Uhr unterwegs. „Ich fahre immer mit dem Rad. Mich lässt das kalt. Aber es war überraschend wenig los“, berichtet er.

Er hält jedoch an seiner prinzipiellen Kritik fest. 750 Fahrzeuge würden sich nach einer Zählung im morgendlichen Berufsverkehr durch den Ort quälen. Der Rückstau auf der B 33 sei mittlerweile größer als vor Corona.
Landratsamt-Pressesprecherin Marlene Pellhammer zieht am Nachmittag eine vorsichtig positive Bilanz. „Die Rückmeldungen zum Schienenersatzverkehr sind bei uns bislang recht ruhig. Es gab eine Meldung über die Hotline, dass der Bus als zu voll empfunden wurde. Ein Mitarbeiter hat berichtet, dass der Bus normal besetzt war, aber Verspätung hatte“, berichtet sie.
Eine Sprecherin der Deutschen Bahn ist ebenfalls zufrieden: „Der SEV zwischen Allensbach und Radolfzell ist reibungslos angelaufen. Die Busse sind pünktlich und die Kapazitäten nach ersten Beobachtungen und Rückmeldungen auch im morgendlichen Berufsverkehr ausreichend“, sagt sie. Mehrere Lotsen hätten die Reisenden im Bahnhof Radolfzell den Tag über auf die Änderungen hingewiesen.
Süßigkeit als Frustvorbeugung
Daniel König, Leiter Marketing und Qualität der SBB Deutschland, war ab 5.45 Uhr zusammen mit DB-Kollegen vor Ort. Um 9 Uhr sei er mit Bus und Zug nach Konstanz gefahren. „Es hat sehr gut geklappt. Die Sitzplatzkapazitäten haben gut ausgereicht“, fasst er seine Einschätzung zusammen. Bis zu sechs Busse seien gleichzeitig unterwegs gewesen.
In der Regel seien der erste oder die ersten beiden Busse gestürmt worden. Von den Helfern seien die Passagiere auf die hinteren Busse gelenkt worden. „Wir haben auch Anti-Stress-Linsen verteilt. Das kam sehr gut an. Die Menschen hatten gleich ein Lächeln in den Augen“, erzählt König.