Für einen Tag ins Kloster? Heißt das, von morgens bis abends zu beten oder bekehrt zu werden? So oder so ähnlich sahen die Vorstellungen zweier Besucherinnen aus, bevor sie einen Tag im Kloster Hegne verbrachten. Doch in der Realität begegneten sie einem Ort und Menschen, von denen sie im Nachgang tief beeindruckt waren.
An diesem Septembertag machen die Ordensschwester wieder einmal das Angebot, ihre Überzeugungen und das Kloster kennenzulernen. So sitzen an diesem Morgen fünf Frauen und zwei Schwestern des Klosters Hegne an einem Tisch. Auf die Frage von Schwester Josefa erzählen sich die Frauen gegenseitig, was sie veranlasst hat, heute am Tag des Klosters teilzunehmen. Sie antworten in großer Offenheit, und es zeigt sich: Jede Einzelne hat ihre ganz persönlichen Gründe.
Dabei erzählt Veronika Harter aus Markelfingen, dass ihre Mutter früher jedes Wochenende mit ihr das nahe gelegene Kloster besucht habe. „Es ist ein Stück Heimat für mich“, sagt sie. Besonders erfahren wolle sie das aktive Kloster, mit allem, was es anbietet.
Ein Teil des aktiven Klosterlebens ist das Gebet, zu dem Schwester Josefa die Besucherinnen an diesem Tag einlädt. In der Krypta unterhalb der Klosterkirche Hegne strömt helles Licht durch die Fenster aus transparentem Onyxmarmor.

Ganz vorn steht in ihrer klösterlichen Tracht Schwester Josefa. Sie gehört der katholischen Ordensgemeinschaft der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz an. Vor ihr haben die fünf Frauen auf den Sitzbänken Platz genommen.
Sie zitiert die Worte der selig gesprochenen Schwester Ulrika, dessen Reliquie in der Krypta aufbewahrt wird: „Man muss die Läden schließen und offen sein für das, was kommt.“ Danach betont sie gefühlvoll: „Was da ist, ist da. Aber es muss auch nichts da sein.“ Danach folgen ein gemeinsames Gebet und Stille.
Eine Woche später bestimmen die Worte der Schwester noch immer Veronika Harters Gedanken. „Man hat selbst viel Gruscht zu erledigen, der einen immer begleitet“, sagt die 74-Jährige aus Markelfingen. Der Tag im Kloster habe sie daran erinnert, Probleme nicht immer mit sich zu tragen – und dass es gut ist, einfach loszulassen und die Läden zu schließen.
Brigitte Greifenegger ist der Einladung ihrer Freundin gefolgt und an diesem Tag mitgekommen. „Ich fand den Klostergarten interessant“, verrät Greifenegger. Die 78-Jährige aus Markelfingen ist gerne mit dem Zug nach Hegne gekommen und erlebt das Kloster als einen schönen Ort: „Die Ruhe hier gibt mir am meisten.“

Im Gespräch eine Woche später schildert auch Brigitte Greifenegger, dass sie häufig zu viele Dinge im Kopf habe, die sie zu ernst nehme. „Die Erfahrung im Kloster hat mir innere Ruhe gegeben“, erklärt sie. Die Stunden dort hätten ihr gezeigt, wie überzeugt die Schwestern in ihrem Glauben sind. Am meisten beeindruckt habe sie die Aura des Ortes und der Schwestern. „Die haben wirklich eine besondere Gabe“, sagt die 78-Jährige.
„Im Kreuz ist Heil“
Als kennzeichnendes Symbol tragen die Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz stets eine Kreuzkette um den Hals. Doch diese dient nicht nur als Erkennungsmerkmal, sondern trägt weit mehr Bedeutung in sich. „Das Kreuz sehen wir als Durchgang in die Auferstehung Jesu“, sagt Schwester Maria Theresia.

Gleichnishaft spricht sie vom Leben, das ebenfalls immer wieder durchkreuzt wird. „Schweres, Leidvolles will auch immer auferstehen“, erklärt die 81-jährige Geistliche und deutet auf ein hölzernes Jesuskreuz. Das Besondere daran ist, dass der Gekreuzigte in den Himmel blickt und nicht nach unten.
Die eingeschnitzten Blätter sollen das neue Leben andeuten, das einen nach durchgangenem Leid erwartet. Das Holzkreuz in der Klosterkirche steht sinnbildlich für einen Blick nach vorn. Menschen sollten nicht an Schwerem hängen bleiben. Vielmehr sollten sie auf Vertrauen und Hoffnung, einen Weg voran, setzen.

Die Überzeugung des Klostergründers, Pater Theodosius Florentini, lautete: „Was Bedürfnis der Zeit, ist der Wille Gottes.“ Über diesen Satz philosophieren auch die fünf Frauen an diesem Morgen im Kloster Hegne. Die Lebensweisheit scheint dabei zeitlos Geltung zu besitzen.
Darüber, dass in der heutigen Zeit verstärkt Orientierungslosigkeit herrscht und Orte der Stille fehlen, ist sich die Gruppe rasch einig. In die Runde eröffnet auch Schwester Josefa ihre Meinung: „Leben heißt nicht nur oberflächliche Bedürfnisse zu erfüllen – Der Mensch ist viel tiefgründiger.“

Die Glaubenssätze treffen ein Bedürfnis unserer Zeit
Viele Menschen, vermutet die Schwester, seien damit allein. Religion und Glauben sind heute bei Weitem nicht mehr so allgegenwärtig und bedeutsam wie zum Beispiel vor 80 Jahren. „Trotzdem bleibt ein Bedürfnis nach Antworten und Sinn, sodass viele Menschen ins Kloster kommen“, berichtet sie. Und genau an diesem Punkt steht die aktiv-karitative Haltung der Kreuzschwestern.
Für viele ist das Kloster Hegne ein Kraftort. Das empfinden auch die fünf Besucherinnen an diesem Tag. Dass Offenheit ein wichtiger Wert des Klosters ist, ist unmittelbar zu fühlen. „Ich habe unheimliche Tiefe erlebt“, sagt Veronika Harter dann auch eine Woche nach ihrem Besuch. Das Erlebnis im Kloster veranlasst die beiden Freundinnen, auch anderen davon zu erzählen. Brigitte Greifenegger möchte in Zukunft sogar öfter das Kloster aufsuchen und sich Zeit für ein Gebet nehmen.