Seit Wochen sinkt der Wasserstand des Bodensees und ist mittlerweile selbst für diese Jahreszeit ziemlich niedrig. Auch wenn bislang noch kein historischer Tiefstand erreicht ist, bieten sich am See nun plötzlich Einblicke und Freizeitaktivitäten, die es so normalerweise nicht gibt.
Darauf will die Tourist-Information Bodman-Ludwigshafen gemeinsam mit den örtlichen Hoteliers in einer neuen Kampagne aufmerksam machen. So bieten sich etwa ganz neue Wanderrouten in den trockengefallenen Uferzonen. Auch Ausflüge zum Teufelstisch sind derzeit besonders spektakulär, denn die berüchtigte Felsformation liegt momentan nur noch rund 40 Zentimeter unterhalb der Wasseroberfläche und ist deutlich zu sehen.
Ganz andere Einblicke als gewohnt
„Das Bild, das sich am See momentan bietet, ist gigantisch. Gerade für Menschen, die gerne fotografieren, bieten sich tolle neue Motive“, sagt Siegfried Regenscheit vom Höhengasthaus Haldenhof bei einer Schiffsrundfahrt mit der Großherzog Ludwig, die der Bereich Tourismus, Kultur und Marketing der Gemeindeverwaltung Bodman-Ludwigshafen gemeinsam mit örtlichen Hoteliers organisiert hat.

Keine Gerüche wahrzunehmen
In der Runde blickt man durchaus mit Sorgenfalten auf die derzeit landesweite Berichterstattung über das Niedrigwasser mit teilweise negativen Schlagzeilen. „Es stinkt hier nicht“, betont etwa Bürgermeister Christoph Stolz. Sandra Domogalla, Leiterin des Bereichs Tourismus, Kultur und Marketing, fügt hinzu. „Es mag durchaus vorkommen, dass Algen aufgrund des Niedrigwassers beim Austrocknen Gestank verursachen„, doch der See sei groß und zumindest am westlichen Seeende ist kein Gestank wahrzunehmen.
Das bestätigt sich auch im Rahmen der Rundfahrt auf dem Überlinger See. Zu keinem Zeitpunkt sind unangenehme Gerüche wahrzunehmen.
Dennoch seien in den ersten Hotels bereits vereinzelte Stornierungen eingegangen. „Wir hatten schon im vergangenen Jahr enorme Einbrüche bei den Umsätzen, weil Gäste wegen der landesweiten Berichterstattung über eine Mückenplage, die in Wirklichkeit ausgeblieben ist, und das Hochwasser, das auch nicht so schlimm war, abgeschreckt waren“, sagt Wolfram von Prack vom Seehotel Villa Linde. Allein in seinem Hotel hatte man demnach einen Umsatzrückgang von 28 Prozent zu verschmerzen.
Klimawandel soll nicht verharmlost werden
Deshalb gehe es der lokalen Tourismusbranche nun darum, aufzuzeigen, welche schönen Seiten das Niedrigwasser zu bieten hat. „Für uns ist es dabei enorm wichtig, dass wir diese Entwicklung nicht verharmlosen wollen. Wir sehen hier die Auswirkungen des Klimawandels und wir werden in Zukunft deshalb deutlich öfter Hoch- und Niedrigwasserereignisse beobachten können“, sagt Christoph Stolz, Bürgermeister der Doppelgemeinde am Seeende. Vor diesem Hintergrund gehe es jetzt darum, einen nachhaltigen Tourismus zu entwickeln, der auf diese Gegebenheiten eingeht, betont er.

So sieht es auch Ute Stegmann, Geschäftsführerin der Deutsche Bodensee Tourismus GmbH (DBT). „Wir wollen die Situation nicht verharmlosen, es geht uns aber darum, ein realistisches Bild der Lage zu zeigen“, sagt sie. Viele Menschen würden sehr sensibel auf das Thema reagieren und der wirtschaftliche Schaden, der entstehe, sei enorm, wenn die Menschen denken, man könne nicht mehr bedenkenlos am Bodensee Urlaub machen.
Gelegenheit nutzen für besondere Aktionen
Für die Akteure vor Ort ist deshalb klar: „Wir müssen jetzt Aktionen machen, die normalerweise nicht möglich sind“, so Florian Hoyer vom Hotel Seehaus in Bodman. Er hat an diesem Tag trotz erfrischender Wassertemperaturen von um die 10 Grad Celsius seine Badehose dabei. Genau wie Rathauschef Christoph Stolz. Gemeinsam klettern die beiden von Bord der Großherzog Ludwig, die inzwischen am Teufelstisch die Maschinen gestoppt hat, und paddeln mit zwei Surfbrettern hinüber zu der Felsformation, deren flaches Plateau nur noch knapp 40 Zentimeter unter der Wasseroberfläche liegt.
„Das wollte ich immer schon mal machen“, sagt Christoph Stolz kurz bevor er zusammen mit Florian Hoyer im kalten Wasser auf dem Teufelstisch steht, um ein Selfie zu machen und den Mitreisenden auf dem Schiff zuzuwinken.

Tatsächlich ist eine solche Aktion nicht allzu oft möglich. Normalerweise liegt das Felsplateau bis zu 1,50 Meter unter der Wasseroberfläche. Bei Hochwasser kann es sogar bis zu einer Tiefe von drei Metern verschwinden. Es gab jedoch auch schon Jahre, in denen die rund 22 mal zehn Meter große Fläche sogar komplett aus dem Wasser aufgetaucht ist. Das bislang letzte Mal war dies 1972 der Fall.
Dass der Teufelstisch nur noch so weit unter Wasser ist, dass er begehbar wird, kommt tatsächlich öfter vor. „Wir haben das in der Kindheit schon oft gemacht“, sagt Hoyer. Einer, der die wechselnden Pegelstände in dieser Gegend ebenfalls bestens kennt, ist der Kapitän der Großherzog Ludwig, Vladimir Deinis.
„Der See lebt“
„Der See lebt und es gibt immer Pegelschwankungen. Besonders Anfang des Jahres“, sagt Deinis. Für die Schifffahrt sei das kein Problem. „Wir können ganz normal fahren“, sagt Deinis, der mit seinen Gästen gerne den Teufelstisch ansteuert. „Bei gutem Wetter kann man ihn vom Schiff aus immer gut sehen. Momentan geht das natürlich sogar noch besser als bei normalem Pegelstand“, erklärt der Kapitän.

Auch er ärgert sich über die vielen Halbwahrheiten, die in den vergangenen Tagen in Umlauf sind. „An manchen Stellen im Bodensee gibt es Probleme, aber bei weitem nicht überall“, sagt er. Zudem rechne er in den kommenden Wochen mit Regen. Dazu komme das Schmelzwasser aus den Alpen, das dazu führen werde, dass der See in den kommenden Wochen wieder einen normalen Pegelstand erreicht, so die Einschätzung von Deinis.