Der riesige, schwarz-rote Kran auf der anderen Straßenseite ächzt unter dem Gewicht. Dann setzt sich der Schwenkarm in Bewegung und hievt das tonnenschwere Betonteil über die Hegaustraße in Richtung Bahngleise an der Ballenbergstraße in Engen.

Ein bisschen mutet die Aktion wie ein Kran-Ballett an. Denn was so spielend leicht aussieht, ist in Wahrheit echte Millimeterarbeit. Am Boden steht Sonja Lieser-Weber, Projektplanerin von der Deutschen Bahn. Sie schaut gebannt mit ihrem Kollegen Christian Müller, der für technische Bauvorplanung zuständig ist, in den Himmel. „Das ist auch für uns keine alltägliche Baustelle“, sagt Lieser-Weber.
Bis zum Ende der Woche soll an der Kreuzung Hegau- zur Ballenbergstraße eine neue Bahnunterführung entstehen. Und dies aus gutem Grund, wie Projektleiterin Sonja Lieser-Weber schildert. „Die Eisenbahnunterführung steht bereits seit 1904, das heißt sie ist über 100 Jahre alt gewesen. Die Lebensdauer der Brücke war einfach erreicht“, sagt sie.

Eine Instandhaltung sei laut ihrer Einschätzung nach nicht mehr möglich gewesen, beziehungsweise hätte sich aus wirtschaftlicher Sicht nicht rentiert. „In Fachsprache würden wir sagen: Die Engener Brücke war abgängig“, so Lieser-Weber weiter.

„An der alten Brücke war an vielen Stellen der Rost schon zu sehen“, ergänzt die Projektplanerin der Bahn. Auch die Widerlager der alten Brücke seien nicht mehr zeitgemäß gewesen und hätten erneuert werden müssen. Als Widerlager wird im Brückenbau ein massiver Unterbau bezeichnet, der den Übergang zwischen der Brückenkonstruktion und dem Erddamm herstellt.
Die neue Brücke wird eingesetzt
Die alte Brücke wurde abgerissen und soll bis Ende der Woche durch eine neue Unterführung ersetzt werden. Dafür müsse der Kran laut Projektleiterin Sonja Lieser-Weber fünf Stahl-Betonrahmenteile in unterschiedlichen Größe nach einander einsetzen und dort miteinander verspannt werden. Für die Arbeiten wurden die Schienen komplett und teilweise auch die Hegaustraße gesperrt.
„Am Ende soll ein durchgehendes Bauwerk entstehen“, sagt sie. Eines der größeren Fertigteilen wiegt laut Lieser-Weber rund 125 Tonnen. „Das sind echte Schwergewichte“, sagt sie.
Bloß nicht zu viel Wind
Lange hängt das zweite Betonfertigteil am Kran. Gefühlt tut sich eine halbe Ewigkeit nichts. Auch die zahlreichen Schaulustigen bekommen langsam steife Hälse vom ständigen Hochschauen. Aber dann tut sich was, langsam senkt sich das Teil in Richtung Erde. Sonja Lieser-Weber und Christian Müllers Blicke werden noch wachsamer, denn nur wenige Meter vom Boden entfernt wird es knifflig. Das Teil passiert die Oberleitungen der Bahnstrecke, die für die Arbeiten extra zur Seite geschoben wurden.

„Das Einheben der Fertigteile ist keine leichte Angelegenheit. Die örtlichen Windverhältnisse spielen dabei eine Rolle, die Teile dürfen nicht zu viel in Bewegung bekommen“, sagt sie. Auch für die Projektplanerin ist das Vorhaben in Engen kein Alltägliches. „Wir arbeiten gute sieben Jahre auf diese Bauarbeiten hin“, sagt sie. Für Lieser-Weber ist es die vierte Baumaßnahme dieser Art. „Aber eine so lange Unterführung wie hier war noch nie dabei“, berichtet sie. Die Kosten für die neue Bahnunterführung beziffert Lieser-Weber auf rund drei Millionen Euro.
Für Christian Müller ist es eine kleine Premiere. Noch nie hat er mit einem Raupenkran gearbeitet. Alleine für dessen Aufstellung seien mehrere Tage nötig gewesen, berichtet er. „Die Teile für den riesigen Kran wurden mit mehreren Tiefladern angeliefert“, erzählt er. Unter dem Raupenkran haben die Arbeiter Baggermatratzen installiert, die dazu dienen, das tonnenschwere Gewicht von Fahrzeug und Material perfekt zu verteilen.

Dass es wirklich auf Millimeter ankommt, wird kurz vor dem Einsetzen des Betonfertigteils deutlich. „So lange die Stücke in der Luft sind, können wir noch justieren“, schildert Lieser-Weber. Kurz bevor das Teil am Boden angekommen ist, übernehmen mehrere Arbeiter mit dicken Eisenstangen. Sie sorgen dafür, dass das Teil perfekt zum anderen passt. „Das ist ein bisschen so wie Legospielen, nur mit viel größeren Teilen“, sagt Christian Müller.

Oberste Priorität bei den Arbeiten hatten laut Sonja Lieser-Weber die Gleise. Soll heißen: Die Sperrung muss noch in dieser Woche aufgehoben werden. Denn die Baustelle beeinträchtigt sämtliche Zugverbindungen von Seehas, Schwarzwaldbahn und Gäubahn. Die Restarbeiten, in denen sich Autofahrer auch weiterhin auf Umleitungen und teilweise Sperrungen einstellen müssen, sollen bis September abgeschlossen sein.
Um die Einschränkungen so kurz und gering wie möglich zu halten, finden die Arbeiten laut Deutsche Bahn auch nachts statt. Die Ballenbergstraße sei bis zum Ende der Bauarbeiten für den Straßenverkehr und für Fußgänger im Bereich der Brücke gesperrt. Fußgänger können das nahe gelegene Fuchsloch zur Querung nutzen.
Arbeiten sind störungsfrei verlaufen
Schon am frühen Abend sind alle fünf Betonelemente platziert. „Die Arbeiten sind alle gut ohne Störungen verlaufen. Hier haben alle, die daran beteiligt waren, einen guten Job gemacht“, betont Sonja Lieser-Weber sichtlich erleichtert. Insgesamt etwa 35 Beschäftigte des beauftragten Unternehmens sind wechselnd im Einsatz. Immer noch betrachten etliche Interessierte vom Parkplatz des Einkaufszentrums aus das Geschehen.

Und wie geht es weiter?
Es folgen Auffüllarbeiten des Brückenareals. Und dann geht es an den Wiedereinbau der Gleise. Nach dem bisherigen Verlauf gibt sich Sonja Lieser-Weber mehr als zuversichtlich, dass der vorgegebene Zeitplan eingehalten werden kann: Nach Ende der Arbeiten, die auf Freitag 21 Uhr terminiert sind, sollen die Züge wieder rollen. Restliche Tätigkeiten sollen noch bis in den August hinein erfolgen.