Mit Putzlappen und Politur werden die kleinen Pflastersteine aus Messing auf den Singener Gehwegen immer wieder zum Strahlen gebracht. Und dann leuchtet sie wieder auf – die Erinnerung an die Menschen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden. Insgesamt sollen es einmal 200 Messingtafeln sein, die an die Singener Opfer erinnern. Im nächsten Frühjahr soll auch der Opfer in Engen auf diese Weise gedacht werden.
Lange Zeit vor der geplanten Verlegung der Stolpersteine begann die Arbeit für den ehemaligen Kreisarchivar Wolfgang Kramer. Denn die Stadtverwaltung bat ihn, auf Anfrage von Stadtrat Tim Strobel, nach Hinweisen auf mögliche NS-Opfer in Engen und seinen Ortsteilen zu suchen. Ein wichtiger Schritt, denn bis zu dato hatte danach noch nie jemand gesucht. „Ich bin immer davon ausgegangen, dass wir in Engen gar keine Opfer haben“, gibt Bürgermeister Johannes Moser offen zu.

Auch Wolfgang Kramer reagierte zunächst skeptisch auf die Anfrage, wie er im Nachhinein feststellt. Er sei in den 25 Jahren als Konstanzer Kreisarchivar kaum Engener Menschen begegnet, die für dieses Gedenken in Frage kämen, so Kramer bei der öffentlichen Vorstellung seiner Arbeit im Juni dieses Jahres. Doch die Recherche brachte schon nach kurzer Zeit die Namen von 15 Menschen hervor, an die mit einem Stolperstein erinnert werden könnte.
Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt Kramer mit seiner Untersuchung nicht. Im Gegenteil: Er geht davon aus, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema rund um die Stolpersteinverlegung eventuell noch weitere Opfer ans Licht bringen könnte.
„Wir müssen aus der Geschichte lernen.“
Der Engener Bürgermeister Johannes Moser findet die Aktion richtig und wichtig. Gerade heute sei es wieder Thema mehr denn je, wie wichtig Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind. „Wir müssen aus der Geschichte lernen. Das funktioniert nur, wenn Geschichte präsent ist“, so Mosers Überzeugung. Auf die Präsenz der Erinnerung im Alltag zielen die Stolpersteine ab. Im Rahmen der Aktion möchte Moser auch mit Nachfahren der Opfer ins Gespräch kommen. „Das war ein schreiendes Unrecht“, so Moser zu den Verbrechen im Nationalsozialismus. Heute sei das für die Menschen nicht mehr mit Schuld zu verbinden, aber es gebe die Verpflichtung, an die Opfer zu erinnern.
Künstler hat erst nächstes Jahr Zeit
Hergestellt und verlegt werden die Stolpersteine von Künstler Gunter Demnig. Und der ist mit seinem deutschlandweiten Kunst- und Erinnerungsprojekt ganz schön gefordert. Der Engener Gemeinderat hat die Verlegung bereits Anfang des Jahres beschlossen. Ein Termin mit dem Künstler war aber erst 2023 wieder zu haben.
Mitte März soll es soweit sein, kündigt Hauptamtsleiter Jochen Hock aktuell an. Dann sollen nicht alle 15 Stolpersteine auf einmal verlegt werden, sondern maximal fünf der glänzenden Erinnerungspflaster. „Ich gehe davon aus, dass wir über mehrere Jahre immer wieder Stolperstein-Aktionen in Engen haben werden“, fügt Jochen Hock hinzu.
Für die erste Verlegung ist ein kleines Programm der Stadt angedacht. Das, so Hock, könnte in Kooperation mit dem Gymnasium Engen gemacht werden. Die Schule hat bereits zugesagt, in das Projekt inhaltlich zu begleiten.