Es ist ein milliardenschweres Bauvorhaben, das seine Spuren auch im Hegau hinterlassen wird: Die TransnetBW tauscht veraltete Technik gegen gebündelte 380-Kilovolt-Leitungen aus. Zwischen Herbertingen und Waldshut-Tiengen sollen die Stromtrassen auf einer Strecke von rund 140 Kilometern erneuert und verstärkt werden. Kostenpunkt: Etwa 1 Milliarde Euro. Bei einer Bürgerinformationsveranstaltung in Engen wurden die Hegauer erstmals über das gigantische Bauvorhaben informiert.
Hier ist der Hegau betroffen
Der zwei Abschnitt des Stromtrassenausbaus betreffe laut Otto Kettmann, Großprojektleiter bei TransnetBW, große Teile des Landkreises Konstanz. So sollen Bauarbeiten in Teilen von Singen, Steißlingen, Volkertshausen, Mühlhausen-Ehingen, Tengen, Engen, Eigeltingen, Orsingen-Nenzingen, Stockach, Mühlingen und Neuhausen ob Eck zu sehen sein. Neben den etwa 140 Kilometern an neuen Freiluftleitungen sollen auch vier Umspannwerke saniert beziehungsweise neu gebaut werden. „Eines davon befindet sich in Beuren“, erklärt Kettmann mit Verweis auf den Singener Ortsteil. Die weiteren stehen in Pfullendorf, Gurtweil und Herbertingen.
Laut Großprojektleiter Otto Kettmann gehen die Leitungen zwischen Herbertingen und Waldshut-Tiengen zurück auf die 1930er-Jahre. Damals sei zur Versorgung des Ruhrgebiets eine Nord-Süd-Leitung von den Kraftwerken der Alpen in den Norden gebaut worden. „In den 1960er-Jahren errichtete das Badenwerk, Vorläufer der TransnetBW (neben Amprion), die Leitungen, mit denen bis heute der Bodenseeraum mit Energie versorgt wird“, so Kettmann.

Diese Leitungen hätten nun allerdings das Ende ihres Lebenszyklus‘ erreicht und müssten erneuert werden. Dies hänge laut Kettmann auch mit dem gestiegenen Stromverbrauch zusammen. „Der Strombedarf ist deutlich angestiegen, dies hängt auch mit der Industrialisierung zusammen“, schildert Kettmann.
Diese Vorteile bringt der Ausbau
Statt 220 Kilovolt-Leitungen sollen nach dem Neubau 380 Kilovolt-Leitungen stehen. Die Hochspannungsleitungen sind Stromleitungen zur Übertragung von elektrischer Energie über große Distanzen. Die höheren Spannungsebenen 220 Kilovolt und 380 Kilovolt gehören zu den Höchstspannungsleitungen. „380 KV ist der neue Standard“, so Kettmann.
Die Erneuerung der Leitungen soll langfristig die Versorgungssicherheit garantieren. Die Herausforderung bei dem Projekt: Zu jeder Zeit der Bauarbeiten müsse Strom fließen. Deshalb wird bei einem solchen Ersatzneubau neben der bestehenden Trasse eine neue gebaut, bevor die Leiterdrähte der verschiedenen Stromkreise sukzessive umgehängt werden. Danach werden die alte Stromtrasse und ihre Masten komplett abgebaut.

Ein Vorteil des Projekts: Es werden später deutlich weniger Masten zu sehen sein. Dies hänge laut Kettmann mit der höheren Traglast und neuerer Technik zusammen. Er rechnet vor: Auf einer Trassenlänge von zwei Kilometern soll ein Mast weniger stehen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: „Die Geräuschemissionen werden durch den Einsatz neuer Leiterseile und die Anpassung der Mastgeometrie reduziert“, so Kettmann.
Warum oberirdisch und nicht unter der Erde?
Die neue Stromtrasse wird oberirdisch gebaut. 4,5 Millionen Euro kostet laut Kettmann ein Kilometer im Freileitungsbau. Unterirdisch seien laut dem Projektbetreuer rund 30 Millionen Euro pro Kilometer nötig. Zudem sei es bei Freileitungen möglich, etwa eine Straße unter den Masten zu bauen. Bei Leitungen im Boden sei gar keine Bebauung möglich. Die Entscheidung, ob eine Netzverstärkung per Erdverkabelung erfolge, sei laut TransnetBW vom Gesetzgeber entschieden worden. „Beim Projekt Hochrhein ist unser Auftrag, den Ersatzneubau in Freileitungsbau zu errichten“, so Kettmann.
So sieht der Zeitplan aus
Bis die neue Stromtrasse fertig ist, wird es noch eine ganze Weile dauern. Die gesamte Trasse von Herbertingen bis nach Waldshut-Tiengen soll 2032 in Betrieb gehen. 2028 soll das erste Fundament für einen Mast erstellt werden. „Wir werden im Landkreis Konstanz mit den Arbeiten starten und rücken dann in Richtung Waldshut vor“, sagt Kettmann. Der Baubeginn am Umspannwerk in Singen-Beuren soll laut TransnetBW voraussichtlich 2024 erfolgen.