Frau Mann, Sie sind gerade erst wieder von Berlin zurück in den Süden gezogen. Wie wurden Sie Teil der zweiten Auflage des Equinox-Projekts von Initiator Manfred Müller-Harter in Engen?
Ich habe vor Jahren in Singen gelebt und hier in der Region als Regisseurin gearbeitet. Manfred Müller-Harter und auch John Loram, die die Equinox organisieren, kenne ich aus diesen Zusammenhängen. Eine meiner Inszenierungen war bei der ersten Equinox vor gut zehn Jahren zu sehen. Dass ich bei einer Neuauflage wieder dabei sein werde, stand schon länger fest. Durch die Pandemie hatte sich das Projekt verschoben. Umso mehr freue ich mich auf die Verwirklichung dieses inspirierenden Konzepts, eine ganze Stadt zur Bühne zu machen.
Sie führen gleich bei drei von insgesamt 24 Kurzdarbietungen Regie. Die Stücke sind sehr unterschiedlich. Wie kam die Auswahl zustande?
Die beteiligten Schauspielenden kenne ich durch meine bisherigen Theaterarbeiten. Gemeinsam haben wir vorneweg verschiedene Stücke gelesen und ausgewählt. „Herren im Bad“ ist angelehnt an einen Sketch von Loriot, komisch, etwas absurd, und, auf den ersten Blick zumindest, leicht und unterhaltsam. Dazu hat uns vor allem der Spielort inspiriert. „Hinter der Scheibe“ handelt von einer jungen Frau, die gegen ihre psychische Erkrankung, sich verfolgt zu fühlen, ankämpft. Ein ernstes, emotional mitnehmendes Thema, das wir im Alltag oft ausblenden oder übersehen. Philosophisch und tragikomisch zugleich wird es dagegen in der Szene „Tödliches Klopfen“. Hier erhalten drei alte Herrschaften überraschend einen Brief und sie fragen sich bald, ob da der Tod an ihre Türe klopft.
Wer spielt denn bei Ihren Inszenierungen mit?
Es sind alles Schauspielende, mit denen ich schon gearbeitet habe, zum Teil Laien, die bereits sehr viel Erfahrung mitbringen, zum Teil professionelle Schauspielerinnen. Aus meiner bisherigen Regietätigkeit ist ein Ensemble gewachsen, das jetzt von Freunden und alten Mitstreitern ergänzt wird.
„Nachtszenen“ lautet der Titel der zweiten Equinox-Auflage. Die kurzen Episoden spielen entweder in Fenstern der Altstadt-Häuser oder im Freien. Welchen Einfluss hat diese besondere Kulisse auf den Zuschauer?
Ich finde es spannend, weil die Stadt in dem Moment wie verwandelt wirkt. Gleichzeitig erlebt das Publikum die Szenen, die jeweils zwischen fünf bis zehn Minuten lang sind, anders als in einem Theater. Man wandert weiter zum nächsten Spielort, spaziert durch die Stadt und gewinnt immer neue Eindrücke. Ob Spiel, Tanz, Gesang, ernst oder leicht, es ist eine ungewohnte und einmalige Gelegenheit, Kunst zu genießen.
Worin besteht die größte Herausforderung für Sie als Regiseurin bei einem solchen Projekt?
Eine große Herausforderung ergibt sich vor allem auf der technischen Seite. Die Stücke spielen auf einem Balkon, in einer Bäckerei und in einem Brunnen. Den leert die Stadt dankenswerter Weise für diesen Abend. Es sind Orte, die im Alltag genutzt werden und nur kurzfristig zu einem Schauspielort umgewidmet werden. Da bedarf es einer guten Organisation im Vorfeld, auch wenn es sich um scheinbar einfache Fragen nach Stühlen, Strom und Licht handelt.
Seit wann laufen die Proben für die Stücke?
Wir proben mit Unterbrechungen seit einigen Monaten. Anfangs hatten wir Online-Proben über mehrere Stunden, ein bis zwei Mal in der Woche. Für den Austausch und die ersten Annäherungen ist das durchaus ok. Seit rund zehn Wochen treffen wir uns endlich leibhaftig und vor Ort.