Bescheidene Arbeitsbedingungen und unbesetzte Stellen bedeuten für die Erzieher und Erzieherinnen viel Mehraufwand. Nicht zuletzt deshalb hat die Vereinigte Dienstleistungsgesellschaft Gewerkschaft (Verdi) am Mittwoch wieder zu Warnstreiks aufgerufen, zum zweiten Mal im Landkreis innerhalb eines Monats. Einige Kindertagesstätten hatten ganz geschlossen, eine Notbetreuung war mancherorts nicht möglich. Zum Streik aufgerufen waren Mitarbeiter im gesamten Kreis Konstanz, der Ausstand dürfte sich aber – wie Beobachter berichten – vor allem auf Singen, Radolfzell und Konstanz konzentriert haben. In Engen hingegen läuft der Kita-Betrieb ganz normal. Wie Heike Kunle, Sachbearbeiterin für Kindergärten in Engen, berichtet, habe es in der Stadt noch nie Beteiligungen an Streiks gegeben. Dies liege – so Kunle – unter anderem an der Historie. Die meisten Kindergärten in der Stadt seien bis vor wenigen Jahren in kirchlicher Trägerschaft geführt wurden. Die Gewerkschaft sei hier nicht sehr aktiv gewesen. „Natürlich können die Erzieher aber streiken, auch ohne Gewerkschaftsmitglied zu sein“, sagt Heike Kunle. Sie sieht aber den engen Austausch mit den Kindergartenleitungen als wichtige Basis, die zu einem guten Klima in den Einrichtungen beitrage.
In Radolfzell haben sich die Streikteilnehmer am Milchwerk getroffen, um in einem Demonstrationszug zu einer Kundgebung am Seetorplatz zu laufen. Die stellvertretende Verdi-Landesleiterin Hanna Binder hatte ihr Kommen angekündigt. Laut Gewerkschaft sei die Enttäuschung über die Haltung der Arbeitgeberseite, die ein konkretes Angebot bisher verweigert habe, massiv. „In Fragen der Entlastung und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie für die Aufwertung der Berufe sind in der letzten Verhandlungsrunde nicht einmal Ansätze für Kompromisslinien gefunden worden“, wird die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle zitiert. Daher habe die Gewerkschaft jetzt zu bundesweiten Streiks aufgerufen. „Wir brauchen eine deutliche Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes, um die personellen Verhältnisse in Kitas und in den sozialen Einrichtungen jetzt endlich zu verbessern.

Christiane Mirandas Kinder besuchen eine Tageseinrichtung. Die Mutter aus Rielasingen-Worblingen hat volles Verständnis für den angekündigten Streik. „Erzieher verdienen ein besseres Gehalt und attraktivere Arbeitsbedingungen“, sagt sie. Denn diese leisten mit ihrer Arbeit einen wertvollen Beitrag in einer funktionierenden Gesellschaft. Und sie findet, dass die frühe Bildung der Kinder und eine gute Betreuung in den Kindertageseinrichtungen nicht ausreichend Wertschätzung findet. Allerdings wünscht sie sich als Mutter eines Kita-Kindes eine gute Organisation des Streiks im Kindergarten und vor allem eine frühzeitige Ankündigung, sodass gerade berufstätige Eltern eine gute Betreuung der Kinder sicherstellen können.
Eltern anerkennen Erziehungsarbeit
Auch Tina Grundl aus Rielasingen-Worblingen ist Mutter und berufstätig. „Mehr Wertschätzung für eine wertvolle Arbeit“, fordert sie. Wenn sie es einrichten kann, lässt sie an einem Streiktag die Tochter zu Hause – so auch als beim letzten Mal der Kindergarten geschlossen war. Auch sie hat Verständnis dafür, dass für bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung gekämpft wird und wünscht sich eine Aufwertung der Erzieherberufe. Und vor allem, dass die Beschäftigten in Kitas mehr Aufmerksamkeit erhalten.

Silvia Boll, Leiterin des Kinderhaus St. Raphael in Rielasingen ist laut eigener Aussage ein altgedientes Verdi-Mitglied und erklärt, dass bei dem aktuellen Streik die wenigsten wegen des Geldes auf die Straße gehen. „Die Arbeitsbedingungen sind schon seit Jahren schwierig“, erläutert sie. Viele in Kitas Beschäftigte seien am Rande eines Burnout oder hätten diesen schon. Die große Masse gehe wegen Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen auf die Straße.
Corinna Neumeister hat letzte Woche Bescheid bekommen, dass diese und kommende Woche an insgesamt zwei Tagen im Kindergarten Beuren gestreikt wird. Plätze in der Notbetreuung möchte sie Eltern überlassen, die diese dringender brauchen. „Ich sitze das jetzt eben aus, greife auf Oma und Opa zurück und arbeite im Homeoffice.“ Grundsätzlich hat sie Verständnis für die Anliegen der streikenden Erzieher. Gleichzeitig bedeuten die Streiks echten Stress für die Eltern. „Viele müssen extra frei machen“, weiß sie. Schon im vergangenen Monat sei an zwei Tagen gestreikt worden. Bei ihnen im Kindergarten seien zwei Stellen nicht besetzt und so sei die Situation für Eltern wie Personal allgemein angespannt.