Im digitalen Zeitalter merkt man es nicht immer gleich, wenn die Briefpost ausbleibt. Ein Großteil der Kommunikation läuft über das Internet per E-Mail oder soziale Medien. Merkwürdig kam es Martin Heller dann doch vor, dass sein Briefkasten über Wochen leer blieb. Seine Erfahrungen teilen die meisten Bewohner im Dorfkern von Büsingen. „Etwa eine Woche hat es gedauert, bis das Problem bekannt wurde“, erzählt die Bürgermeisterin Vera Schraner. „Wir haben Beschwerden von den Bürgern bekommen.“

Weil die Gemeindeverwaltung ein Postfach hat und zudem in direkter Nachbarschaft zur Büsinger Poststelle liegt, hatte dort bis dahin niemand bemerkt, dass keine Briefe mehr verteilt wurden. Doch die Beschwerden der Dorfbewohner veranlassten die Rathauschefin zum Handeln. „Für die Bürger ist es sehr schwierig, wenn keine Briefe mehr zugestellt werden“, sagt Vera Schraner. „Bisher war die Post für sie immer der Inbegriff von Sicherheit und Verlässlichkeit.“

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Die Bürgermeisterin nahm die Sache selbst in die Hand und kontaktierte die Verantwortlichen für die Zusteller bei der Außenstelle der Deutschen Post in Singen. Sie forderte eine Nachfolge für die Büsinger Postbotin, die den Dienst quittiert hatte. „Man hat uns eine rasche Lösung versprochen“, sagt Vera Schraner. Doch die Büsinger mussten sich noch weitere zwei Wochen gedulden, bis eine neue Zustellerin gefunden wurde. Mittwoch war ihr erster Arbeitstag.

Vier Wochen lang keine Post vom Finanzamt

„Ein Wunder ist geschehen“, sagt Gunnar Lang und erzählt von einem riesigen Stapel Post, der am Mittwochnachmittag in seinem Briefkasten lag. Der ehemalige Büsinger Bürgermeister hatte sich ebenfalls über den unhaltbaren Zustand im Dorf beklagt. Als Steuerberater ist er dringend auf die Briefzustellung angewiesen. „Ich habe vier Wochen lang keine Post vom Finanzamt bekommen“, sagt er.

Für seine Mandanten kann das zu einem Problem werden, weil Einspruchsfristen zum Beispiel gegen Steuerbescheide verstreichen, Termine nicht eingehalten oder Zahlungen nicht geleistet werden können. „Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht“, sagt Lang. „Die Leute haben Angst, Rechnungen zu spät zu bekommen. Dann können sie auch kein Skonto mehr abziehen.“

Wochenlang stand das Post-Fahrrad unbewegt hinter der Büsinger Poststelle. Seit Mittwoch gibt es eine neue Postbotin, die die Briefe im ...
Wochenlang stand das Post-Fahrrad unbewegt hinter der Büsinger Poststelle. Seit Mittwoch gibt es eine neue Postbotin, die die Briefe im Dorf verteilt. | Bild: Trautmann, Gudrun

Auch die Wochenzeitschriften der großen Schweizer Supermärkte werden von der Deutschen Post verteilt. Für die Büsinger sind sie wichtig, weil sie beim Einkaufen auf die dortigen Angebote angewiesen sind. Die meisten der 1576 Dorfbewohner in der Exklave versorgen sich in der Schweizer Nachbarschaft.

Was im Dorf niemand verstanden hat, ist die Tatsache, dass die Pakete immer zugestellt wurden, die Briefe aber nicht. Gelegentlich kamen auch Briefe, immer dann, wenn der zweite Briefträger, der die Außenbezirke versorgt, Überstunden gemacht hat, wie Vera Schraner erklärt. In Büsingen wird die Briefpost von den beiden Zustellern über zwei Fahrradrouten verteilt. Die Pakete werden mit dem Auto ausgefahren.

Wer in den vergangenen Wochen keine Post bekam, der wandte sich fragend an Zdenka von Ow. Manchmal konnte sie helfen. Sie betreibt die Poststelle direkt neben dem Rathaus. Für die Briefzustellung ist sie jedoch nicht zuständig. Sie nimmt die Post von den Büsingern an, damit sie verschickt werden kann. Sie musste sich in den vergangenen Wochen viel von den Bürgern anhören, will aber gegenüber dem SÜDKURIER keine weiteren Kommentare abgeben.

Büsingen hat durch seine besondere Lage auch einen Sonderstatus bei der Post. Die Gemeinde hat eine deutsche und eine Schweizer ...
Büsingen hat durch seine besondere Lage auch einen Sonderstatus bei der Post. Die Gemeinde hat eine deutsche und eine Schweizer Postleitzahl. Briefe in die Schweiz können von Büsingen aus zum Schweizer Inlandstarif abgeschickt werden. | Bild: Trautmann, Gudrun

Büsingen ist zurzeit nicht die einzige Gemeinde, in der es mit der Briefzustellung haperte. Einige Gewerbetreibende sind deshalb dazu übergegangen, ihre Post aus dem benachbarten Schaffhausen zu verschicken. Büsingen genießt mit einer deutschen und einer Schweizer Postleitzahl einen Sonderstatus und kann die Briefe in der Schweiz zum Inlandstarif verschicken. Das ändert aber nichts an der Verteilung der eingehenden Briefe, die von Beschäftigten der Deutschen Post zugestellt werden.

Zu viele kranke Postboten

Eine Nachfrage bei den zuständigen Behörden in Deutschland beantwortet Klaus-Dieter Nawrath wie folgt: „Die Infektionswelle, die derzeit ganz Deutschland erfasst, geht auch an uns nicht spurlos vorbei. Dabei gehen die Infektionszahlen auch mit einer Zahl von positiven Fällen insgesamt in unseren Betriebsstätten einher. Aufgrund der dynamischen Entwicklung können wir nicht ausschließen, dass es in vereinzelten Regionen vorübergehend auch einmal zu Verzögerungen in den Betriebsabläufen kommen wird.

Hinzu kommt: Aufgrund der aktuellen Situation auf den deutschen Arbeitsmärkten sind Arbeitnehmer momentan generell stark umworben. Dies trifft auch auf diese Region zu und ist in der Logistikbranche besonders stark spürbar.“ Zur Situation in Büsingen erklärt er: „Leider erfolgt die Zustellung wegen Personalausfall hier nicht immer in der Qualität, wie es unsere Kundinnen und Kunden gewohnt sind. Wir tun alles dafür, dass die Verzögerungen maximal einen Tag betragen. Zur Wahrheit gehört aber leider auch, dass uns das nicht immer gelingt.“

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Den Mangel an Zustellern haben zuletzt auch die Bürger von Gailingen gespürt. Walter Busch schildert, dass er am 22. September zuletzt Post im Briefkasten hatte. Nur ein Briefträger sei für die ganze Gemeinde zuständig. Das hat bei seiner kranken Frau dazu geführt, dass sie um ein Haar einen wichtigen Termin bei einem Facharzt verpasst hätte, auf den sie dringend gewartet hat. Der Brief mit der Einladung kam gerade einen Tag vor dem Termin. „Es war also reine Glückssache“, sagt der Gailinger. Dass er nicht alleine mit dem Problem ist, beweisen ihm die ständigen Nachfragen der Nachbarn, die immer wieder wissen wollen, ob er Post bekommen habe.

Auch in Gottmadingen hakt die Zustellung

Auch in Gottmadingen gibt es Klagen über die unregelmässige Briefzustellung. „Bei uns gibt es das Problem seit den letzten Wochen. Tagelang bekommen wir keine Post und als Höhepunkt haben wir dann 14 Briefe und Karten auf einmal zugestellt bekommen“, sagt Klaus-Dieter Bauer. „Besonders ärgerlich, dass sich darunter zwei Briefe mit abgelaufenen Anmeldeterminen für Veranstaltungen befanden, die als Dialogpost bereits am 21. September im Briefzentrum Villingen-Schwenningen abgestempelt wurden.

Außerdem zwei abgelaufene Gutscheincodes und zwei Rechnungen, bei denen die Zahlungsfrist schon seit zwei Wochen läuft.“ In Gottmadingen gehören solche Erfahrungen derzeit zum Alltag. Die Zeiten, in denen man auf die Post warten konnte, sind offenbar vorbei. Klaus-Dieter Bauer ärgert sich über entgangene Gutscheine. Die Begründungen der Post hält er für wenig hilfreich.

Sind Pakete vorrangig?

Daniela Beier ergeht es da ganz ähnlich. Sie hat jetzt wichtige Post mit Rechnungen bekommen, die Anfang September abgestempelt wurde. „Seit Monaten ist die Zustellung bei uns in Gottmadingen eine Katastrophe“, sagt sie. „Ein Brief der Gemeinde, über DHL versendet, braucht acht Tage. Eine Rechnung von einem Pflegeheim in Singen schon mal 14 Tage. Wichtige Rechnungen sind bereits im Verzug, bis sie mich erreichen. Terminpost von Ämtern, sowie Konzertkarten landen fast zwei, zum Teil auch drei Wochen später in meinem Briefkasten.“

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Ein Zusteller habe ihr erklärt, dass er seine Route abbrechen musste und keine Briefpost verteilen könne, da Pakete vorrangig seien. Daniela Beier ist wütend, weil sie die Konsequenzen für die verspätete Briefzustellung tragen muss. Sie weiß, dass die Post händeringend nach Personal sucht. In der Zwischenzeit wäre sie sogar bereit, ihre Briefe und die der Nachbarn im Lager in Rielasingen selber abzuholen, wenn dort ein Abholschalter eingerichtet würde.

Unterdessen wirbt die Post mit riesigen Straßenbannern um neue Mitarbeiter in zahlreichen Hegaugemeinden. Ein Blick auf das Bewerberportal: www.werde-einer-von-uns.de zeigt einen Stundenlohn von 14,98 Euro sowie einen Regionalzuschlag von 0,55 Euro pro Stunde an. Die Stelle in Büsingen ist seit Donnerstag aus dem Portal verschwunden, das Plakat vor dem Rathaus hängt aber noch. Vielleicht möchte ja ein Dorfbewohner Post in Engen, Radolfzell oder Rielasingen austragen?