Die Polizei spricht von baulichen Mängel, Bürgermeister Michael Klinger von einem handfesten Skandal: Der Polizeiposten in Gottmadingen ist seit Tagen geschlossen. Während die dort stationierten Polizisten vorübergehend vom Singener Revier aus arbeiten, konnte sich der SÜDKURIER das Schimmel-Revier ansehen.
„Es ist mir unbegreiflich, wie man es so weit kommen lassen kann, dass man einen Polizeiposten kurzfristig räumen muss“, machte Bürgermeister Klinger seinem Unmut Luft. Er sprach davon, dass der Schimmel im Keller wahrscheinlich seit Monaten und Jahren reife. Architekt und Polizeisprecher sehen das anders.
Wie ist die aktuelle Lage?
Zusammen mit Architekt Peter Schuch vom Landesamt Vermögen und Bau mit Sitz in Konstanz geht es direkt nach dem Betreten des Polizeipostens schnurstracks in den Keller. Würde es sich um polizeiliche Ermittlungen handeln, wäre hier der Tatort zu finden. In der ehemaligen Arrestzelle und in einer Art Asservatenkammer sei der Schimmel zum ersten Mal entdeckt worden.

Vom Schimmel selbst ist nicht mehr viel zu sehen. „Die Sanierungsarbeiten im Keller wurden abgeschlossen“, sagt Schuch. Dafür wurden an den befallenen Stellen der Putz entfernt. Zur Zeit werden zudem die Büroräume grundgereinigt.
Wo kommt der Schimmel her?
Bei einer Routine-Begehung im Sommer 2021 wurde festgestellt, dass die Wände des Untergeschosses feucht sind. Das erklärt Thomas Steier als Leiter des Konstanzer Amtes Vermögen und Bau auf Nachfrage. „Schimmelbildung war zu diesem Zeitpunkt nicht wahrnehmbar“, betont er. Woher die Feuchtigkeit stamme, lasse sich nach wie vor nicht genau erörtern. Danach seien notwendige Schritte in die Wege geleitet worden. So sei eine Sofortmaßnahme laut Steier etwa eine Querlüftung der Kellerräume gewesen. „Eine solche Lüftung ist gerade in der kalten Jahreszeit sinnvoll, da die Luft zwar kalt aber relativ trocken ist und erfahrungsgemäß gut zur Abtrocknung feuchter Oberflächen und damit zur Verbesserung der raumklimatischen Verhältnisse beiträgt“, schildert Steier.
Doch das Ergebnis sah anders aus: „Die Lüftung hat nicht den gewünschten Erfolg erzielt“, sagt Peter Schuch beim Vor-Ort-Termin. Die Schimmelbildung hätte durch die Maßnahme nicht verhindert werden können. „Deshalb wurde nun eine umfassende Sanierung des Kellers durch eine Fachfirma in Auftrag gegeben und durchgeführt“, ergänzt Steier. Aber er betont auch: „Im rechtlichen Sinn musste das Gebäude nicht geschlossen werden, lediglich im Rahmen der Fürsorgepflicht und um eine Gesundheitsgefährdung während der Sanierungsarbeiten auszuschließen.“ Dafür seien die Polizisten temporär ausquartiert worden.
Wie konnte es so weit kommen?
Laut Thomas Steier werden die Gebäude des Landes Baden-Württemberg regelmäßig einer Bauschau unterzogen. „Damit kommt das Land seiner Verpflichtung und Verantwortung als Eigentümer nach, die Instandhaltung und Verkehrssicherheit sicherzustellen“, sagt er. So sei auch im Polizeiposten Gottmadingen im Juli 2021 eine solche Bauschau durchgeführt worden. Das Gebäude, in dem sich der Polizeiposten befindet, ist laut Steier fast 100 Jahre alt.
„Für sein Alter und seine intensive Nutzung ist es in einem guten Allgemeinzustand“, sagt er. Die notwendige Bauunterhaltung seien laufend ausgeführt worden. So seien etwa in den letzten drei Jahren ein neuer Warmwasser-Speicher eingebaut und die Wasserleitungen zum Teil erneuert worden. Aktuell finden sanitäre Umbauten im Erd- und ersten Obergeschoss statt. „Im Rahmen der sparsamen Haushaltsführung wurden stets alle Möglichkeiten ausgeschöpft, das Gebäude technisch und baulich auf einen aktuellen Stand zu bringen und zu halten“, so Steier.
Wie geht es jetzt weiter?
Eine erneute Raumluftmessung soll Aufschluss darüber bringen, ob der Polizeiposten wieder nutzbar ist. Diese soll laut Architekt Peter Schuch noch in dieser Woche stattfinden. Die Auswertung brauche etwa zwei bis drei Wochen. „Damit kann der Polizeiposten, vorausgesetzt die Messung ergibt ein entsprechendes Ergebnis, Mitte bis Ende der Kalenderwoche 17 wieder bezogen werden“, betont Thomas Steier. Das wäre in der letzten April-Woche.

Die Gesamtkosten beziffert er auf rund 30.000 Euro.
Weitere Maßnahmen seien seiner Aussage nach an dem Gebäude nicht vorgesehen: „Eine Komplettsanierung ist derzeit nicht notwendig.“ Bürgermeister Michael Klinger sieht dies anders. In einem Schreiben an Polizeidirektor Hubert Wörner, das auch der Singener Redaktion vorliegt, spricht er von weiteren baulichen Rückständen: Die Rede ist darin von einer wohl herausgerissenen, aber nie wieder eingebauten Duschecke und einem sehr alten Teppichboden, schildert Klinger.
Das sagt die Polizei zu den Vorwürfen aus dem Gottmadinger Rathaus
- Die Alternativunterbringung: Die Gemeinde hat der Polizei gleich mehrere Standorte angeboten für eine temporäre Unterbringung. Darunter Räume in der ehemaligen Fahrkantine. Pressesprecher Uwe Vincon erklärt auf Nachfrage, weshalb dies nicht in Frage kam: „Die vorgeschlagenen Objekte erfüllten unter anderem die sicherungstechnischen Vorgaben nicht, die an einen Polizeiposten gestellt werden.“ Da das Polizeirevier Singen diese Vorgaben erfülle und die Unterbringung der Gottmadinger Polizisten nur für einen überschaubaren Zeitraum erforderlich gewesen sei, habe man sich für diese Variante entschieden.
- Die Kommunikation: Bürgermeister Michael Klinger kritisierte die fehlende Kommunikation der Polizei über die temporäre Schließung des Polizeipostens. Vincon widerspricht dem: „Der Zeitpunkt war unseres Erachtens richtig gewählt, da sich jetzt erst wesentliche Änderungen für die Bürger ergeben haben.“ Personen aus dem Zuständigkeitsbereich des Polizeipostens, die in den nächsten zwei Wochen direkten Kontakt zur Polizei suchen, müssten nun je nach Einzelfall nach Singen kommen. Die Telefonnummer des Polizeipostens (0 77 31/ 14 37 0) ist unverändert geblieben.
- Die Krankheitstage: Ob es aufgrund des Schimmelbefalls bei den Polizisten in Gottmadingen vermehrt zu Krankheitstagen gekommen sei, lässt sich laut Polizeisprecher Uwe Vincon derzeit nicht sagen. „Bei der Luftmessung im Erdgeschoss des Polizeipostens Gottmadingen, wo sich die Diensträume befinden, sind keine Schimmelsporen in der Raumluft nachgewiesen worden“, sagt er.