Bürgermeister Michael Klinger spricht von einem handfesten Skandal: Wer aktuell eine Anzeige beim Polizeiposten in Gottmadingen aufgeben will, der steht vor verschlossenen Türen. Denn die Wache in der Hilzinger Straße 11 ist geschlossen. Vorerst, wie Polizeipressesprecher Uwe Vincon auf Nachfrage mitteilt. Offiziell wegen baulicher Mängel. „Innerhalb des Gebäudes sind einige bauliche Mängel festgestellt worden, die vom zuständigen Polizeirevier Singen an die Verwaltung des Polizeipräsidiums und von dort dem Amt für Vermögen und Bau gemeldet wurden. Die Beseitigung ist in die Wege geleitet worden“, teilt Vincon mit.
Büroräume sind nicht mehr nutzbar
Was auf den ersten Blick nicht gravierend klingt, treibt Bürgermeister Michael Klinger allerdings die Zornesfalten auf die Stirn. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER macht er seinem Unmut Luft: „Es ist mir unbegreiflich, wie man es so weit kommen lassen kann, dass man einen Polizeiposten kurzfristig räumen muss.“
Der Gottmadinger Rathauschef wird beim Aufzählen der baulichen Mängel deutlicher: Er spricht von feuchten Kellerräumen, von erheblichem Schimmelbefall und von nicht mehr nutzbaren Büroräumen. „Das reift da im Keller wahrscheinlich seit Monaten und Jahren“, schimpft er.
Wie das Gesundheitsrisiko beseitigt werden soll
SÜDKURIER-Recherchen bringen nun ans Tageslicht: Die Mängel am Polizeiposten sind offenbar erheblich. „Es wurde Schimmelbefall im Untergeschoss des Gebäudes festgestellt. Eine Luftraummessung vor Kurzem ergab, dass teilweise eine Kontamination mit Schimmelsporen vorlag“, schildert Polizeisprecher Uwe Vincon. Anders formuliert könnte dies bedeuten: Für die Polizisten in Gottmadingen bestand ein Gesundheitsrisiko. Laut Vincon hätte eine Verschleppung der Schimmelsporen nicht vollumfänglich ausgeschlossen werden können.
Deshalb habe man sich bei der Polizei und beim zuständigen Amt für Vermögen und Bau dazu entschieden, die Nutzung erst nach erfolgter Sanierung und erneuter Luftraummessung wieder zuzulassen. Bereits seit Ende März habe eine Fachfirma laut Vincon die Beseitigung übernommen. „Es erfolgt noch eine umfangreiche Schimmelsanierung sowie anschließende fachmännische Reinigung des gesamten Gebäudes“, teilt er mit.
Polizisten sitzen im Bus vor dem Posten statt im Büro
Besonders skurril wird der Fall mit Blick auf die temporäre Übergangslösung der Polizei: Bürgermeister Michael Klinger berichtet davon, dass Polizisten ihren Dienst in Gottmadingen in einem Wagen vor dem Gebäude getan hätten.
Polizeisprecher Uwe Vincon bestätigt das: „Dies war tatsächlich so. Allerdings nur vorübergehend, um Ansprechpartner der Polizei vor Ort zu haben. Dies war ein kurzfristige Lösung, da die Beamten nach der Luftmessung nicht länger ihren Dienst im Gebäude versehen durften.“ Die Übergangslösung sei nur von kurzer Dauer gewesen und hätte sich zudem als nicht praktikabel erwiesen.
Dabei hatte die Gemeinde Alternativen angeboten
Und auch in diesem Punkt findet Bürgermeister Klinger deutliche Worte. Er kritisiert das Vorgehen der Polizei harsch. „Es muss möglich sein, den Polizeiposten in voller Mannschaftsstärke in einem Provisorium in Gottmadigen unterzubringen“, betont er. Bereits kurz nach Bekanntwerden der Schließung habe die Gemeinde Alternativstandorte für eine temporäre Unterbringung angeboten.
Einer davon befindet sich nur wenige Meter entfernt im Jägerstüble in der ehemaligen Fahr-Kantine. Eine Art Großraumbüro sei laut Klinger an dieser Stelle denkbar. Zudem sei das Gebäude im kommunalen Besitz. Es eigne sich als vorübergehende Lösung, da es einen getrennten Zugang, Toiletten und die Verfügbarkeit von W-Lan mit sich bring, so Klinger weiter. Weiter nennt der Bürgermeister Räume beim Zoll in Gottmadingen oder im ehemaligen BKK-Verwaltungsgebäude im Industriepark als mögliche Ersatzquartiere.

In zwei Briefen an das Polizeipräsidium habe Klinger diese Alternativen genannt. „Wir halten das Jägerstüble jetzt noch offen, aber ich habe auf meinen letzten Brief keine Antwort erhalten“, so Klinger. Nur so könne die Polizei effektiv in der Fläche wirken. „Ich denke, es ist auch im Interesse meiner Kollegen in Büsingen, Gailingen und Hilzingen, dass der Polizeiposten für den westlichen Hegau nicht von Singen aus ein Schmalspur- und Ersatzprogramm abwickelt“, kritisiert Klinger.
Jetzt sitzen die Polizisten in Singen
Beim Polizeipräsidium sieht man dies allerdings anders: Laut der Pressestelle der Polizei würden die Polizisten aus Gottmadingen ihren Dienst übergangsweise vom Polizeirevier Singen aus verrichten. „Sie sind
aber nach wie vor für den Postenbereich zuständig“, so Uwe Vincon. An den Aufgaben der Gottmadinger Polizei habe sich nichts geändert. Das Zuständigkeitsgebiet des Polizeipostens werde nach wie vor regelmäßig bestreift. „In unregelmäßigen zeitlichen Abständen befinden sich auch Beamte mit einem Streifenwagen direkt am Polizeiposten“, so Vincon weiter. Vor der temporären Schließung seien acht Polizisten dort stationiert gewesen.
Kommunikation? Fehlanzeige, kritisiert der Bürgermeister
Für Bürgermeister Michael Klinger eine unzufriedenstellende Lösung: „Ich bin deshalb enttäuscht, weil die angebotenen Alternativen eine gute Möglichkeit gewesen wären, die Gottmadinger Kollegen aus der beengten Situation in Singen herauszuholen und wieder vor Ort Präsenz zu zeigen.“ Ebenfalls große Enttäuschung herrsche im Gottmadinger Rathaus aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei. Denn laut Klinger habe diese nicht stattgefunden. „Wir haben als Gemeinde angeboten, eine Kommunikation zur vorübergehenden Schließung des Postens zu machen. Leider haben wir auch auf Nachfrage keine entsprechende Mitteilung erhalten“, sagt Klinger.
Er finde es grundsätzlich nicht richtig, die Gottmadinger Bürger und den westlichen Hegau-Gemeinden nicht über die Schließung zu informieren. „Ich drücke es so aus: Die Gemeinde Gottmadingen würde nicht so handeln“, sagt Klinger. Aus Sicht der Gemeinde habe man alles versucht, um die Information der Bevölkerung sicherzustellen und andererseits ein Ersatzquartier zu bieten.