Wenn es nicht schon Mai wäre, dann könnte man fast glauben, dass es sich hierbei um einen Aprilscherz handelt. Oder noch besser: Um einen echten Schildbürgerstreich. In einem Schreiben an die Grenzgemeinden in Hegau – also Gottmadingen, Hilzingen, Rielasingen-Worblingen, Tengen, Gailingen, Öhningen und die Exklave Büsingen – hat das Hauptzollamt Singen darüber informiert, dass es zukünftig nicht mehr für das Aufstellen und die Pflege der Grenzpfähle zur Schweiz verantwortlich ist. Die Hegauer Bürgermeister bringt dies auf die Palme. Für die betroffenen Bürgermeister sei dies nur ein erneutes Beispiel dafür, dass der Bund Aufgaben zu den Gemeinden nach unten durchreiche.

Bürgermeister Michael Klinger (Gottmadingen): „Schon wieder werden Gemeinden alleine gelassen und Aufgaben vom Bund einfach nach unten ...
Bürgermeister Michael Klinger (Gottmadingen): „Schon wieder werden Gemeinden alleine gelassen und Aufgaben vom Bund einfach nach unten weitergereicht.“ | Bild: Matthias Güntert

Michael Klinger, Bürgermeister von Gottmadingen, ist sauer, richtig sauer. „Es mag sich um eine Kleinigkeit handeln, die die Gemeinden sehr wohl erledigen könnten. Es geht aber um etwas ganz anderes: Schon wieder werden Gemeinden alleine gelassen und Aufgaben vom Bund einfach nach unten weitergereicht“, schimpft er. Der Bund ziehe sich aus unliebsamen Aufgaben zurück, doch dies widerspreche dem Verursacherprinzip, so Klinger weiter.

Klinger hat sich in einem Schreiben – stellvertretend für alle betroffenen Bürgermeister im Landkreis Konstanz – zwar an die beiden Bundestagsabgeordneten Andreas Jung (CDU) und Lina Seitzl (SPD) gewandt. Er zweifle aber, ob das etwas bewirken könne.

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„Der Bund beschließt, dass man für die Schilder nicht mehr zuständig ist und teilt uns einfach mit, dass wir uns ab sofort für den Abbau oder den Betrieb zu kümmern haben“, kritisiert der Gottmadinger Rathauschef. Sein nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag: „Vielleicht sollte man die Pfähle dafür nutzen, um Schilder aufzuhängen, die dokumentieren, dass dies eine Anlage ist, die einst von der Bundesrepublik aufgestellt und nun zurückgelassen wurde.“

Ein trauriges Bild, aber jetzt im Aufgabenbereich der Hegauer Gemeinden: An diesem Grenzpfahl fehlt das deutsche Bundesgrenzzeichen. Im ...
Ein trauriges Bild, aber jetzt im Aufgabenbereich der Hegauer Gemeinden: An diesem Grenzpfahl fehlt das deutsche Bundesgrenzzeichen. Im Hintergrund ist die Büsinger Bergkirche zu sehen. | Bild: Matthias Güntert

Jetzt ist der Hegau dran

Auslöser des Ärgers war ein Anschreiben des Hauptzollamtes Singen, das neben den betroffenen Hegau-Gemeinden auch die Stadt Konstanz sowie weitere Gemeinden wie etwa Öhningen erreichte. Darin teilt das Hauptzollamt schriftlich mit, dass das Amt vor sehr langer Zeit für die Aufstellung der Bundesgrenzzeichen, an allen Straßen, die die Grenze zur Schweiz überqueren, sowie auf vereinzelten Wanderwegen verantwortlich gewesen sei.

„Es dient der Kenntlichmachung, wo das deutsche Hoheitsgebiet beginnt beziehungsweise wo man die Schweiz verlässt und deutschen Boden betritt“, heißt es darin. Laut dem Anschreiben sei es nun allerdings nicht länger vorgesehen, das Bundesgrenzzeichen entlang der Grenze aufstellen – auch nach Rücksprache mit dem Innenministerium.

Die Hegauer Bürgermeister können über den Entscheid nur den Kopf schütteln, wie sie gemeinschaftlich gegenüber dem SÜDKURIER betonen. „Ich will doch wissen, in welchem Land ich bin“, sagt Thomas Auer, Bürgermeister von Gailingen. Dies hänge auch mit möglichen rechtlichen Konsequenzen für Bürger zusammen. Denn laut Auer sei die Grenze zur Schweiz eine EU-Außengrenze.

Bürgermeisterin Vera Schraner (Büsingen): „Wir sind Deutschlands einzige Exklave, für uns ist die Grenze von doppelter Bedeutung.“
Bürgermeisterin Vera Schraner (Büsingen): „Wir sind Deutschlands einzige Exklave, für uns ist die Grenze von doppelter Bedeutung.“ | Bild: Freißmann, Stephan

Besonders für Vera Schraner, Bürgermeisterin von Büsingen, ein wichtiger Punkt. Für ihre Gemeinde wären die Grenzpfosten als deutsche Exklave mit entsprechend langer Grenze eigentlich besonders wichtig. „Wir sind Deutschlands einzige Exklave, für uns ist die Grenze von doppelter Bedeutung“, so Schraner.

Wie es nun weitergeht

Ein Umstand, der die Hegauer-Bürgermeister wirklich sehr verärgert, ist die mangelnde Kommunikation. „Wir werden mit einem Brief einfach vor vollendete Tatsachen gestellt“, sagt Holger Mayer, Bürgermeister von Hilzingen. Es werde über den Kopf der Gemeinden hinweg entschieden, ohne nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen – „wieder einmal“, wie Mayer betont. Er verweist damit etwa auf die Unterbringung von geflüchteten Menschen oder die Schaffung von Ganztagesbetreuungen in Kitas und Schulen, die von Land und Bund an die Kommunen weitergereicht wurden.

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Und dann wäre da noch der Zustand der Grenzpfähle. Die seien laut dem Hauptzollamt in unschönem Zustand. Es sei den Gemeinden deshalb freigestellt, ob sie die Bundesgrenzzeichen entfernen oder einen Ersatz beschaffen wollen. „Wir konnten, solange die Ersatzbeschaffung der Bundesgrenzzeichen in unserer Zuständigkeit lag, feststellen, dass manche kurz, nach dem sie montiert waren, zwei Wochen später schon wieder entwendet waren“, schreibt das Hauptzollamt. Ein Schild kostet rund 500 Euro.

Ärger richtet sich gegen die Regierung

Bürgermeister Klinger betont bei aller Kritik explizit, dass sich seine Wut nicht gegen das Hauptzollamt in Singen richte. Im Gegenteil: „Mich ärgert es maßlos, dass unsere Regierung einfach sagt: Was wir aufgestellt haben, und was auch noch in einem unschönen Zustand ist, geht uns nichts mehr an.“ Er bezeichnete den Brandbrief selbst als Symbolpolitik. Denn sowohl seine als auch jede andere Gemeinde sei durchaus in der Lage, sich um die Grenzpfähle selbst zu kümmern. Allerdings sehe Klinger darin ein Sinnbild mehr dafür, wie der Bund mit den Kommunen umgeht. Die Grenzzeichen aufzugeben sei die eine Entscheidung, die vielleicht nachvollziehbar sei. „Aber dann müssen sie sie wenigstens abbauen.“ Oder eben besser kommunizieren.

Die Hegauer Bürgermeister sind sich indes fast durchgehen einig: Sie wollen gar nichts an den Grenzpfählen machen. Nur Bürgermeisterin Vera Schraner überlegt, dort das Büsinger Wappen aufzuhängen.