Was ist da los in Gottmadingen? Da ist zum einen die anhaltende Klage über fehlenden sozialen Wohnraum und dann beklagen sich andere über ein komplexes Bauvorhaben mit 19 Sozialwohnungen direkt am Bahndamm. Die Stimmung ist aufgeheizt. Nachdem der Gottmadinger Architekt Daniel Binder seine visualisierten Pläne für ein Mehrfamilienhaus mit insgesamt 21 Wohneinheiten in der Johann-Georg-Fahr-Straße gezeigt hat, ist im Dorf eine Diskussion entbrannt, die an Schärfe zunimmt.
Es geht um ein schmales, abfallendes Grundstück, das vom Bahnhof bis zur Hilzinger Straße reicht. Die Pläne wurden schon mehrfach im Gemeinderat diskutiert. Doch erst die nahezu echt wirkende, computerbasierte Darstellung hat besonders die Nachbarschaft jenseits des Bahngleises in der Burgstraße und Umgebung mobilisiert. Zuletzt hatten Kritiker des Projektes zu einer Diskussion ins Brigg eingeladen, bei der rund 50 Teilnehmer anwesend waren. Darunter auch Vertreter der Gemeinderatsfraktionen und Gottmadingens Bürgermeister Michael Klinger. Der nahm zu den Fragen der Bürger Stellung.
Was Nachbarn bei dem Projekt befürchten
Man sei nicht grundsätzlich gegen den Bau, wohl aber gegen das Erscheinungsbild und die Höhe, ließ sich Diskussionsleiter Thomas Conrady im SÜDKURIER zitieren.
Die Nachbarn befürchten mehr Lärm von der Bahn, weil der Schall vom Hochhaus reflektiert werden könnte. Sie befürchten eine Verschattung und Parkplatzprobleme in den angrenzenden Straßen. Und sie befürchten auch eine Wertminderung ihrer Grundstücke. Zusammen mit den Familien Möhringer und Schrödl aus der Burgstraße hatte Conrady per Postwurf zum Informationsaustausch eingeladen. Doch damit nicht genug.
Veranstalter schreiben Leserbriefe
Nach der Diskussion erhielten die Gemeinderäte und der Bürgermeister Post von den Veranstaltern, die gleichzeitig auch als Leserbrief unter anderem an den SÜDKURIER versandt wurde. Darin werfen die Absender dem Gemeinderat und der Verwaltung unbefriedigende Antworten auf sechs Fragen vor.

Das hat nun wiederum Bürgermeister Michael Klinger so erzürnt, dass er zu Beginn der jüngsten Gemeinderatssitzung eine flammende Stellungnahme verlas. Ein ungewöhnlicher Vorgang, den er folgendermaßen rechtfertigte: „Die Art und Weise, wie meine Antworten aus dieser Diskussionsrunde wiedergegeben werden, ist teilweise schlicht falsch oder bestenfalls verkürzt.“ Klinger will dem Eindruck entgegenwirken, er reagiere lapidar auf die Sorgen und Nöte der Bürger.
Der Bürgermeister ist sauer
Im Stil einer Gegendarstellung ging Klinger auf zwei dicht beschriebenen Textseiten die einzelnen Kritikpunkte akribisch durch. Zum Beispiel, dass die Pläne der Nordfassade in der Diskussion nicht gezeigt wurden. Der Bürgermeister verwies auf die Ratssitzungen, in denen alle Ansichten gezeigt wurden.
Auch in Sachen Lärmgutachten bemerkte er, er habe auf eine freiwillige Untersuchung des Bauherren bezüglich der Lärmauswirkung verwiesen. Allerdings sei er im Zweifel gewesen, dass man ihm das Ergebnis abnehme, dass nämlich der zusätzliche Lärm unter der Wahrnehmungsschwelle liege.

„Ich habe deutlich mehr gesagt“, rief Klinger den in der Ratssitzung anwesenden Zuhörern zu. „Ich verwehre mich ausdrücklich persönlich gegen eine bewusst verkürzte Darstellung meiner Antwort, die zumindest bei mir den Eindruck erweckt und wohl auch öffentlich erwecken soll, ich würde das Thema lapidar abtun.“
Nachbarn können Entscheidung rechtlich überprüfen
Die Stellplatzfrage, die Höhe des Gebäudes waren weitere Punkte, bei denen sich der Verwaltungschef mit seinen Antworten falsch oder gar nicht dargestellt sieht. Es sei nie um die Anzahl der Geschosse, sondern um die absolute Gebäudehöhe gegangen, die bei 25 Metern festgelegt wurde. Die Zahl der Stellplätze richte sich nach der Landesbauordnung. Zugunsten eines Car-Sharing-Angebotes werde auf einige Stellplätze verzichtet.
Klinger bekräftige, dass er immer bereit sei, sich kontroversen Themen zu stellen. Er lasse aber nicht zu, „dass man mir in einer öffentlichen Diskussion das Wort im Mund umdreht und ich lasse nicht zu, dass man über die Abwandlung meiner Antworten versucht Stimmung zu machen“. Er forderte eine sachliche Auseinandersetzung mit kontroversen Themen und verwies auf die Möglichkeit der Nachbarn, baurechtliche Entscheidungen rechtlich überprüfen zu lassen. Offenbar liegt ein entsprechender Widerspruch beim Regierungspräsidium zur Prüfung vor.
Bürgermeister fordert sachliche Auseinandersetzung
Der Brief an die Gemeinderäte, der auch als Leserbrief an die lokalen Medien ging, ist nicht der einzige. Mittlerweile gibt es auch weitere schriftliche Kritik an dem Bauvorhaben. So hält zum Beispiel der ehrenamtliche Artenschützer Martin Fehringer einen solchen Komplex für das Dorf für unpassend. Nach seiner Meinung würden Fehler der 1970er-Jahre wiederholt. Damit spielt er auf die bestehenden Hochhäuser in der Johann-Georg-Fahr-Straße an. Und Klaus Knörrle aus der Burgstraße bemerkt zynisch: „Hässlicher geht immer“.