
Christof Ruh und Bernd Kammerlander sind ratlos. Die beiden Vorsitzenden der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) des Ortsvereins Gottmadingen finden einfach keine Lösung. Ihr Problem ist der fehlende Nachwuchs im Verein.

Die Zwangspause durch die Corona-Pandemie in diesem Jahr könnte zu einer weiteren Verschärfung beigetragen haben. Aber im Grunde genommen suchen die Gottmadinger Lebensretter schon seit mehr als 20 Jahren nach ehrenamtlichen Helfern, die am Beckenrand des Höhenfreibades bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Ein Glücksfall wie vor drei Jahren ist die absolute Ausnahme. „Da hatten wir einen Quereinsteiger, der gleich im ersten Sommer um die 70 Wachstunden übernommen hat“, erzählt Bernd Kammerlander. Im Jahr darauf sah das schon anders aus. Die Ausbildung und die Freundin waren wichtiger geworden, so dass der Hoffnungsträger nur noch Pflichtdienste übernahm. Das erleben die Vereinsvorsitzenden immer wieder.
Jedes dritte Wochenende Dienst
Etwa 90 Mitglieder hat die Gottmadinger DLRG-Ortsgruppe, davon aber nur 20 Aktive, die auch Wachdienste übernehmen können. Was das für sie bedeutet? „Sie müssen jedes dritte Wochenende und auch an Feiertagen am Beckenrand stehen“, sagt erste Vorsitzende Christof Ruh. Um die Einsatzdichte zu entzerren, bräuchte der Verein mehr aktive Lebensretter. Doch die fehlen.
Dazu kommt, dass es an Ausbildern fehlt. Christof Ruh und Bernd Kammerlander könnten den Nachwuchs zwar ausbilden; ohne Lehrschein dürfen sie aber keine Prüfung abnehmen.

Wer die Prüfung bestanden hat, darf mit 16 Jahren seinen ersten Wachdienst in Begleitung übernehmen. Erst mit dem silbernen Rettungsabzeichen und mit 18 dürfen die Nachwuchsretter die Becken selbstständig beaufsichtigen. Doch bis dahin sind viele Kandidaten, die die DLRG trainiert hat, schon wieder abgesprungen.
Zu alt für die Jugend
Christof Ruh vermutet, das der Altersabstand zwischen den gestandenen Mitgliedern und der Jugend zu groß ist. „Außer dem Schwimmtraining können wir ihnen nicht viel bieten“, räumt er schulterzuckend ein. „Da ist die Konkurrenz durch die rund 80 Vereine in Gottmadingen einfach zu groß.“
In diesem Jahr konnte der Verein Corona-bedingt nicht einmal die üblichen Schwimmkurse anbieten. In normalen Jahren lernen bis zu 15 Kinder bei der DLRG Gottmadingen im zweiwöchigen Sommerferienprogramm schwimmen. Einige davon entscheiden sich für die Rettungsschwimmerausbildung und könnten potenzielle Unterstützer für den Schwimmmeister werden.
Erschreckend, wie schlecht geschwommen wird
Bernd Kammerlander findet es zum Teil erschreckend, wenn er sieht, wie sich Kinder im Wasser bewegen. Die Zahl derer, die nicht mehr richtig schwimmen können, steige stetig. Für die DLRG ist erst ein guter Schwimmer, wer 400 Meter am Stück schwimmen kann.
Wie ist es um die Sicherheit im Wasser bestellt, wenn immer weniger Menschen schwimmen können und dann auch noch die Wasserwacht fehlt? „Im Schwimmbad geht der Betrieb ganz normal weiter“, sind sich Kammerlander und Ruh einig. „Es wird allerdings teurer für die Gemeinde, weil sie mehr Personal einstellen muss.“
Wichtige Helfer in Singen
Ein Blick in das Nachbarbad in Singen zeigt, wie wichtig die ehrenamtlichen Wachen am Beckenrand sind. An heißen Tagen haben die jungen Helfer in Rot die Schwimmmeister bei der Aufsicht unterstützt. Dabei ging es darum, die Besucherfrequenz in den Becken zu regeln.

Und auch für die Pausen der hauptamtlichen Schwimmmeister stellen sich DLRG-ler an den Beckenrand. So auch Ramona Renn aus Tuttlingen, die in Singen als Rettungsschwimmerin aktiv ist. Sie ist begeistert von der Aufgabe und möchte das Training jedem empfehlen.
See als Ausweichgelände
Wegen der Kontaktbeschränkungen zur Bekämpfung des Corona-Virus gab es aber auch in der Singener DLRG seit März kein Training. „Wir konnten nicht wie gewohnt ausbilden“, sagt der Vorsitzende des Singener Ortsvereins, Thorsten Gottschalk. Doch der Verein hat sich etwas einfallen lassen und ist mit seinen Schwimmkursen ins Strandbad Horn auf die Höri ausgewichen.
Statt der üblichen 100 Nichtschwimmer konnten allerdings nur 20 Kinder schwimmen lernen. „Das liegt daran, dass wir im See die Kinder 1:1 betreuen müssen“, erklärt Gottschalk. Es sei ein großer Unterschied, ob man im Schwimmbecken oder im Naturgewässer schwimmen lerne.
Geburtstag fällt Corona zum Opfer
Auch in Singen gibt es 20 aktive Lebensretter in der DLRG. Es gebe immer eine Fluktuation. Und wer gerade eine junge Familie hat, hat auch weniger Zeit für Wachdienste an den Wochenenden. Die Ortsgruppe versucht jedes Jahr, 20 bis 25 Rettungsschwimmer auszubilden. In diesem Jahr werden es höchstens zehn sein. Immerhin.
„Wir wollen keinen verlorenen Jahrgang 2020 haben, sondern das Beste aus der Situation machen“, sagt Thorsten Gottschalk. Es sei schon schade genug, dass der 60. Geburtstag des Vereins dem Coronavirus zum Opfer gefallen ist.