Man könnte sie so leicht ernten, die Sonnenenergie, wenn es nicht ein paar gravierende Hindernisse gäbe. Da sind zum einen die bürokratischen Hürden. Da sind zum andern die seit der Corona-Pandemie aufgetretenen Engpässe bei den Lieferketten. Und jetzt kommen im Falle von Gottmadingen auch noch eklatante Leitungsprobleme hinzu.
Als der Gemeinderat vor Monaten den Grundsatzbeschluss zur Entwicklung von zwei bis drei Freilandsolaranlagen auf Gottmadinger Gemarkung fasste, ahnte noch niemand, dass der Abtransport des gewonnenen Sonnenstroms Schwierigkeiten machen könnte.
Denn mit dem Einspeisen ist das so eine Sache: Man benötigt ein Leitungsnetz mit ausreichend Kapazität. Zwar gibt es Transitleitungen, die den Strom durchs Gottmadinger Erdreich transportieren; deren Kapazität ist aber bereits weitgehend ausgeschöpft.

So schießt zum Beispiel das Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen (EKS) Energie auf zwei Leitungen durch die deutsche Gemeinde. Zwei Leitungen betreibt die Thüga Energienetze zwischen Gailingen und Singen. Außerdem verläuft noch eine Leitung der Rheinfelder ED-Netze über die Gemarkung.
Eigene Leitungen in die Erde zu vergraben, kommt für die Gemeinde Gottmadingen mit rund 10.000 Einwohnern aus Kostengründen nicht in Frage. Also ist man darauf angewiesen, dass man von den bestehenden Netzagenturen ein Leitungsrecht für die eingefangene Sonnenenergie erhält. Doch da macht sich bei genauer Betrachtung Ernüchterung breit.
13 Flächen wurden geprüft
Bürgermeister Michael Klinger hat die Solarenergie zur Chefsache erklärt. Nach dem Grundsatzbeschluss des Gemeinderates, mit eigenen Freilandsolarparks einen Beitrag zur Energiewende zu leisten, hat er auf der Suche nach geeigneten Standorten die eigenen Flächen untersuchen lassen. 13 Flächen, die teilweise der Gemeinde gehören, wurden genauer unter die Lupe genommen. Eine weitere Fläche beim Kreuzhof hat ein Landwirt vorgeschlagen.
Noch im Frühjahr hatten einige Bauern empört auf den Vorstoß der Gemeinde reagiert, weil sie eine Landnahme durch die Gemeinde befürchteten. Sie fühlten sich von der Verwaltung übergangen. Auch in der jüngsten Sitzung sorgte das Thema Freilandsolaranlagen für ein ungewöhnliches Publikumsinteresse.
Doch die Empörung blieb diesmal aus. Schließlich hatte Michael Klinger den Landwirten ausführliche Gespräche versprochen. Niemand werde gezwungen, landwirtschaftliche Flächen abzugeben. Außerdem werden Entschädigungszahlungen in Aussicht gestellt. Doch bis es zu detaillierten Verhandlungen kommt, wird noch Zeit vergehen. Die Standortsuche hat gerade erst begonnen. Alles steht und fällt mit dem Abtransport des gewonnenen Solarstroms.
800.000 Euro stehen bereit, doch keiner will sie haben
Der Ukraine-Krieg, die fehlenden Gaslieferungen aus Russland, die exorbitant steigenden Gas- und Strompreise haben die Menschen zum Umdenken bewegt. Der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit in der Energieversorgung greift Raum. Jetzt kann es nicht schnell genug gehen mit der Umsetzung.
Doch es fehlt an allem, wie Michael Klinger am Beispiel der Verstromung gemeindeeigener Dächer feststellen muss. 800.000 Euro sind dafür im Haushalt eingestellt. „Seit einem halben Jahr versuchen wir, das umzusetzen. Aber wir finden keine Planer und Handwerker, die Photovoltaikanlagen montieren“, sagte Klinger. Auch die Bürokratie sei eine Bremse. „Mit dem Projekt kommen wir nicht voran.“

Für die Freilandsolaranlagen muss Gottmadingen bis zum Start noch viel Zeit einplanen, weil hier ein kleines Flurbereinigungsverfahren dazu kommt, sobald man sich auf einen Standort geeinigt hat. Doch zuerst steht die Beteiligung der Bauern an. „Es ist nicht zielführend, wenn wir ein Gelände auswählen und dann von den Grundstückseigentümern Absagen bekommen“, erklärt Michael Klinger die nächsten Schritte.
Drei mögliche Standorte sind vom Tisch
In einem Ausschlussverfahren wählten die Räte in der jüngsten Sitzung drei mögliche Standorte ab, weil die Infrastruktur für die Einspeisung des Sonnenstroms nicht vorhanden ist. Die Freien Wähler wollten zunächst überhaupt keine Entscheidung treffen, bevor nicht mit den Bauern gesprochen wurde. Doch dann ließen sie sich doch von den Fakten überzeugen.
Für die SPD-Fraktion ist klar, dass keine Abstriche von dem Grundsatzbeschluss gemacht werden sollen. Sprecherin Kirsten Graf bedauert, dass das Verfahren so kompliziert und langwierig ist. Dass die Gemeinde zwei oder drei Flächen für Solarparks ausweisen müsse, steht für sie außer Frage.
Und Bernd Schöffling (CDU) wünscht sich einen Zeitraffer für die Standortsuche. „Parallel zur Planung müssen wir Angebote an die Bevölkerung und die Landwirte für attraktive Beteiligungen machen“, schlägt er vor. Doch bevor es überhaupt so weit ist, muss die Gemeinde sich mit den Netzbetreibern über freie Kapazitäten verständigen. Und das ist, wie Michael Klinger berichtet, ein zäher Prozess.