Bisher lief alles bergauf für das mittelständische Unternehmen Dukart im Gottmadinger Industriegebiet. Die Ingenieure und Entwickler haben ihre Kreativität in den Dienst ihrer Auftraggeber aus den verschiedensten technischen Anwendungsbereichen gestellt.

Große Unternehmen aus der Luftfahrt und anderen Transportbetrieben, Krankenhäuser und Medizintechnikbetriebe, Automotive, Elektroassistenz oder Robotik haben Spezialkonstruktionen in Gottmadingen bestellt, ohne dass die Öffentlichkeit viel davon mitbekommen hat. „Wir waren immer Dienstleister und haben keine eigenen Produkte hergestellt“, sagt der Firmenchef Sergej Dukart. Das hat prächtig funktioniert. Bis Corona kam.

Corona macht die Gottmadinger Entwickler erfinderisch

Das Virus SARS-CoV-2 oder Covid-19 hat nicht nur die Welt verändert, sondern auch das mittelständische Unternehmen in Gottmadingen. Dukart musste Kurzarbeit für seine 27 Mitarbeiter anmelden, weil die Auftragslage sich dramatisch verschlechtert hat. Die Luftfahrtbranche erleidet massive Verluste und damit auch deren Dienstleister und Zulieferer.

Sergej Dukart wollte dem Abwärtstrend nicht tatenlos zuschauen und scharte seine kreativen Köpfe um sich. Der Maschinenbauer mit Hochschulabschluss an der Konstanzer Universität spornte sein Team an zu überlegen, was man mit dem bekannten Know-How zur Eindämmung der Corona-Pandemie beitragen könnte.

Firmengründer Sergej Dukart (links) schaut Dirk Deuer im Konstruktionsbüro über die Schulter. Bisher war das Unternehmen hauptsächlich ...
Firmengründer Sergej Dukart (links) schaut Dirk Deuer im Konstruktionsbüro über die Schulter. Bisher war das Unternehmen hauptsächlich als Entwicklungs- und Konstruktionsdienstleister tätig. Jetzt hat ein Team ein eigenes Luftfiltersystem zur Bekämpfung von Viren in öffentlichen Räumen entwickelt. | Bild: Trautmann, Gudrun

„Es war ein echtes Brainstorming“, erinnern sich auch Thorsten Scholz und Dirk Deuer. Der eine ist für den Vertrieb, der andere für die Berechnung technischer Daten zuständig. Und es kam ihnen die Idee, Luft zu filtern.

Mit Filtertechnik und Belüftung kennen sich die Gottmadinger aus. Sie haben Klima- und Luftfilteranlagen für Züge, für Flugzeuge, für Operationssäle in Lohnfertigung hergestellt. „Wir sind weltweit tätig“, sagt auch die kaufmännische Leiterin Claudia Rückert. „Vom Robert-Koch-Institut wissen wir auch, dass die Bekämpfung von Viren, Bakterien, Schädlingen oder Schimmel mit ultraviolettem Licht zuverlässig funktioniert“, erklärt Dirk Deuer.

Die Gottmadinger wollen die Kosten für Luftreiniger zurückschrauben

Er hatte nun die Aufgabe zu berechnen, welche UV-C-Strahlen benötigt werden, um größere Luftmengen, zum Beispiel in einem Klassenzimmer, von Viren zu befreien. Das wird nun auch auf Landesebene in Erwägung gezogen. Allerdings sind die Kosten für die Filteranlagen noch ein Problem. Und hier könnten die Gottmadinger punkten.

Zahlreiche Konkurrenten arbeiten am gleichen Thema. Im Online-Versandhandel werden günstige Produkte angeboten, mit denen Viren abgetötet werden sollen. Sergej Dukart lächelt, wenn man ihn darauf anspricht: „Die Produkte sind nicht immer seriös. Manche haben überhaupt keine Wirkung.“

Doch woher weiß der Kunde, ob die Gottmadinger Geräte auch halten, was sie versprechen? „Wir benutzen lange erprobte Technik“, versichert der Vertriebsleiter Thorsten Scholz. Dabei setzt das Unternehmen auf Quecksilberdampfleuchten mit einer Wellenlänge von 254 Nanometer.

Diese Technik wird bereits in öffentlichen Verkehrsmitteln zur Flächenreinigung oder Reinigung von Handgriffen angewandt. Und die New Yorker Wasserversorgung reinigt seit 2013 täglich 7,5 Milliarden Liter Wasser mit Lichtschwertern.

Unterschieden wird zwischen Quecksilberdampf- und LED-Leuchten. Dukart hat sich für Quecksilberdampf entschieden und damit den „My Air Protector“ entwickelt. Die UV-C-strahlende Röhre befindet sich in einer Säule, die möglichst zentral in einem Raum aufgestellt werden muss, um effizient die Luft zu reinigen.

Thorsten Scholz in der Montagehalle des Maschinenbauers mit einem Mini-Roboter.
Thorsten Scholz in der Montagehalle des Maschinenbauers mit einem Mini-Roboter. | Bild: Trautmann, Gudrun

Es gibt zwei Stufen, die die Intensität des Luftaustausches regeln. „Wir können die Luft in einem 2,50 Meter hohen Raum mit bis zu 100 Quadratmetern Fläche in einer Stunde austauschen“, sagt Dirk Deuer. In einer Sprechminute werden über 1000 Aerosole produziert, die sich dann bis zu 16 Stunden im Raum halten. Genau diese Aerosole transportieren die Viren und Bakterien.

Das Gesamtkonzept müsse lauten: „Abstand, Maske und Gerät“

Sergej Dukart warnt bei aller Zuversicht, dass seine Geräte 99,9 Prozent der Schadstoffe aus der Luft filtern, trotzdem vor zu viel Lässigkeit: „Das Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Pandemie heißt: Abstand, Maske und Gerät.“

Das könnte Sie auch interessieren

Im Juni sind die ersten Geräte produziert worden. Jetzt hoffen die Entwickler auf Aufträge. Thorsten Scholz kann sich vorstellen, dass die Schul- und Kindergartenträger sowie viele öffentliche Einrichtungen, Gaststätten, Seniorenheime oder Kultureinrichtungen die leuchtenden Viren-Killer einsetzen, um das Risiko von Ansteckungen mit dem Corona-Virus in ihren Räumen zu minimieren.

Im Unternehmen herrscht Aufbruchsstimmung

Singener Berufsschulen hätten schon Interesse gezeigt. „Wenn ein Infizierter jemandem aber direkt ins Gesicht niest, helfen auch die Luftfilter nichts“, warnt Claudia Reckert vor einem falschen Scherheitsgefühl.

Bei Dukart herrscht Aufbruchstimmung. „Wir haben jetzt die Chance, dass wir uns mit Eigenprodukten am Markt behaupten“, sagt der Gottmadinger Firmen-Chef. Corona hat seine Leute erfinderisch gemacht.

Seine Techniker haben schon wieder weitere neue Ideen zur Luft-Kontrolle (Air Control) entwickelt. Ein Prototyp im Handtaschenformat für die Fahrt im Taxi, ein Gerät für die nähere Umgebung und eines für den Tisch sind bereits in der Entwicklung.