Seine Kandidatur war ein Zeichen gegen Rechts. Wolfgang Schroff trat vor sechs Jahren für die SPD bei den Gottmadinger Gemeinderatswahlen an, um möglichen rechtspopulistischen Kandidaten einige Stimmen zu kosten. Schließlich kennen ihn viele Gottmadinger, nachdem er 25 Jahre lang eine Arztpraxis im Ort führte. „Ich war ein Arbeiter-Arzt und fand es besser, wenn die Leute mich wählen statt der AfD.“ Vor einem Jahr stellte Schroff sich der Wiederwahl, nachdem ihn ein fremdenfeindlicher Angriff in der Gemeinde bewegte. Unbekannte hatten das Haus einer Flüchtlingsfamilie beschmiert.
Coronavirus gab den Auslöser für seine Entscheidung
Doch nun wird der Gemeinderat künftig ohne ihn auskommen müssen: Wolfgang Schroff legt das Ehrenamt nieder. Auslöser dafür war das Coronavirus: „Ich lebe mit meiner 92-jährigen Mutter zusammen und wenn sie das bekommt, überlebt sie es nicht.“ Deshalb will er eine Ansteckung – und Kontakt zu Mitmenschen – möglichst vermeiden. Außerdem habe er mit Axel Meyer, dem Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins, einen guten Nachfolger gefunden.
Drei Ehrenämter machen über 30 Stunden Arbeit pro Woche
„Die letzten ein bis zwei Jahre war es mir etwas zu viel“, sagt Wolfgang Schroff über seine Ehrenämter. Er ist Vorsitzender der AWO und hilft seit Oktober 2014 bei der Flüchtlingshilfe, dort betreut er aktuell 20 Flüchtlinge. So komme er auf 30 Stunden Ehrenamt pro Woche – ohne Gemeinderat. Für diesen entschied er sich 2014: Während seiner aktiven Zeit als Arzt habe er kein Parteiamt bekleiden wollen, doch anschließend kandidierte er für den Gemeinderat – und zog direkt ins Gremium ein. Dabei ist er schon immer mit der SPD verbunden, wie er selbst sagt. „Willy Brandt war ein Idol für mich.“ Weil es schwerer werde, bei AWO und Flüchtlingshilfe einen Ersatz zu finden, werde er nun den Posten im Gemeinderat abgeben. Der SPD bleibe er als Beisitzer erhalten.
Quartier 2020 als Chance, Thema Wohnraum nachzuholen
Bei seiner Arbeit für das Gremium sei ihm das Thema Wohnen besonders wichtig gewesen, schildert Wolfgang Schroff. „Es war deprimierend zu sehen, wie viele Menschen sich für die Wohnungen der Anneliese-Bilger-Stiftung beworben haben. Auch dass es so weit gekommen ist, dass bezahlbare Wohnungen Mangelware sind“, sagt er. Schroff war an der Auswahl von neun Mietern unter 100 Bewerbern beteiligt.
„Mit dem Quartier 2020 kann man da Einiges nachholen“, sagt er über die geplante Wohnbebauung für das aktuelle Areal der Eichendorff-Realschule, sobald diese in den Neubau gezogen ist. Bei ökologischen Themen sei er hin- und hergerissen gewesen: Wolle man immer mehr Gewerbe oder sei die Wohnqualität wichtiger? Axel Meyer soll dazu beitragen, solche Fragen für die Zukunft zu beantworten.
Vom Norden in den Hegau: Wer ist eigentlich Axel Meyer?
Axel Meyer ist ein neues Gesicht im Gremium. 1995 zog der heute 47 Jahre alte Kinderkrankenpfleger aus Norddeutschland in die Region, um für die Hegau-Jugendwerke in Gailingen zu arbeiten. Seit zehn Jahren wohnt er nun in Gottmadingen. Am Tag der Bundestagswahl 2013 entschied er sich, auch politisch in der neuen Heimat tätig zu werden: „Dieses schlechte Ergebnis war für mich nicht hinnehmbar“, erklärt er dem SÜDKURIER. In seinen Augen hat die Partei viel mehr Potenzial, weil sie den Problemen und Bedürfnissen vieler Menschen begegne.
„Die Demokratie ist nur so stark, wie die Menschen sich bereit sind einzubringen“, deshalb wolle er sich engagieren. Er sei mit der SPD aufgewachsen, seine Familie habe den SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt sehr geschätzt. Seit ungefähr einem Jahr ist er nun Vorsitzender des Ortsvereins, auch zur Kommunalwahl 2019 trat er an.
Das Miteinander im Ort habe sich gewandelt
Dabei steht er hinter den Themen, die die SPD gesetzt habe. Die zentrale Frage dabei sei: Wie lebenswert soll Gottmadingen sein? Es sei bereits jetzt eine prosperierende, wirtschaftlich wahnsinnig erfolgreiche Gemeinde, doch das Miteinander sei nicht mehr so wie früher. Das liege auch daran, dass einige Einwohner nur noch in Gottmadingen wohnen: Sie fahren für die Arbeit in einen anderen Ort, ihre Freizeit verbringen sie in den eigenen vier Wänden oder woanders. Meyer arbeitet in der Pflege, daher seien ihm auch soziale Themen wichtig. Für solche setze er sich bereits seit einigen Jahren ein, zum Beispiel war er Betriebsrat beim Hegau-Jugendwerk.
Was beide bedauern: Interesse an Politik schwindet
Zukunftsaufgabe für die SPD sei zu schauen, wie die Partei jüngere Gottmadinger gewinnen könne. Das ist ein Thema, das auch den scheidenden Gemeinderat Wolfgang Schroff beschäftigt: Er kann nicht nachvollziehen, dass gerade Kommunalpolitik so wenige Menschen anspreche. Beim Bundestagswahlkampf seien viele Menschen am Stand der SPD vorbei gegangen, ohne überhaupt Notiz von den Parteivertretern zu nehmen. Dabei könne man doch gerade lokal Themen mitbestimmen. Auch wenn das im Ehrenamt einige Stunden und einigen Einsatz fordert.