Im Vitaminmarkt in Hilzingen kann man nicht nur einkaufen, sondern auch in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken und ins Gespräch kommen. Doch obwohl hier eine entspannte Marktatmosphäre herrscht, ist es für die Betreiberfamilie Hägele derzeit alles andere als entspannt. Das Unternehmen musste Insolvenz anmelden, inzwischen wurde das Verfahren eröffnet. Wie es für den Vitaminmarkt weitergeht, erklären die Betreiber im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Mitte Februar hat der Betrieb Insolvenz angemeldet. Die Insolvenzverwaltungsgesellschaft Pluta mit Sitz in Singen hat damals in einer Mitteilung Liquiditätsschwierigkeiten als Grund angegeben. Schon damals hat der Verwalter aber klargemacht: Der Betrieb läuft weiter und Kunden können wie gewohnt im Vitaminmarkt einkaufen. Auch das Café hat weiter geöffnet. Auch wenn die Kundschaft keine Veränderung bemerkt, für die Betreiberfamilie ist die gegenwärtige Situation sehr belastend.
„Der psychische Druck ist immens“, sagt Andreas Hägele knapp vier Monate später. Zum 1. Mai wurde das Insolvenzverfahren offiziell eröffnet. Damit liegt die Verantwortung nun beim Insolvenzverwalter, wie Franco Caputo, Wirtschaftsjurist bei Pluta, auf Nachfrage erklärt.
Vitaminmarkt hat jetzt auch am Sonntag geöffnet
Nichtsdestotrotz zeigen sich Andreas und Sohn Jan Hägele zuversichtlich, dass sie gemeinsam mit den rund 30 Mitarbeitern den Betrieb wieder auf Kurs bringen. „Wir wollen nichts unversucht lassen und das Beste daraus machen“, sagt Jan Hägele. „Das Ziel ist weiterhin ganz klar: Wir wollen mehr Umsatz erzielen“, ergänzt Andreas Hägele.

Und dafür wurden einige Stellschrauben gedreht. So hat seit Juni der Vitaminmarkt auch sonntags geöffnet, von 12 bis 18 Uhr. Die Entscheidung war richtig, wie die Betreiber nach der Premiere berichten. „Die erste Sonntagsöffnung war ein Erfolg, viele Gäste waren da“, erzählt Jan Hägele. Künftig soll jeden ersten Sonntag des Monats ab 9 Uhr ein Frühstück angeboten werden. Zur besseren Kalkulation bitten die Betreiber jedoch um eine vorherige Reservierung.
Auch Wirtschaftsjurist Franco Caputo sagt: „Wir setzen verschiedene Maßnahmen um und probieren viele Dinge aus. Dabei ist nichts in Stein gemeißelt, wir müssen flexibel sein und uns den Kunden anpassen“.
Zusammenhalt im Team bestärkt Familie Hägele
Dass solche Aktionen überhaupt möglich sind, haben die Hägeles auch den Mitarbeitern zu verdanken, die teilweise seit über zwei Jahrzehnten dabei sind. „In schweren Zeiten sieht man, wer wirklich hinter einem steht. Unsere Mitarbeiter gehen diesen Weg mit uns, das ist eine große Unterstützung und stärkt den Zusammenhalt“, sagt Jan Hägele.
Was das Unternehmen belastet
Gründe für die Insolvenz gibt es einige, wie Andreas Hägele und Jan Hägele schildern. Der wohl größte Grund sei die Corona-Pandemie. Denn der Vitaminmarkt im Hilzinger Gewerbegebiet hat im Oktober 2020 eröffnet, also in der Hochphase der Pandemie. ‚Da wir Lebensmittel verkaufen, hatten wir nie komplett geschlossen. Den Gastro-Bereich durften wir aber erst im März 2022 öffnen, als die Corona-Regeln gelockert wurden“, erklärt Andreas Hägele.
Damit konnte das Konzept einer Markthalle nicht voll umgesetzt werden. „Verweilen, genießen und Leute treffen – es soll eine Atmosphäre wie auf dem Wochenmarkt herrschen“, sagt er. Die Lebensmittel werden entsprechend präsentiert und die Kunden von Mitarbeitern bedient.

Mit dem Wochenmarktgeschehen kennen sich die Hägeles aus: Seit vier Generationen ist die Familie viermal pro Woche bei Wochenmärkten in der Region präsent. Auf dem familieneigenen landwirtschaftlichen Betrieb Staufenhof haben die Hägeles ein Hofladen betrieben. Dann gab es einen Verkaufsstand bei der Gärtnerei Mauch und schließlich konnten sie dort eine Fläche von 60-Quadratmetern mieten, erzählt Andreas Hägele. Als die Gärtnerei dann umgebaut habe, mussten sie sich etwas Neues einfallen lassen. Schon bald war die Idee der großen Markthalle geboren.
„Die Nachfrage war da, auch dank der Nähe zur Schweiz“, sagt Jan Hägele. Sein Vater führt aus: „Die Schweizer legen Wert auf regionale, hochwertige Lebensmittel“. Anders sähe es hierzulande aus: Als nach der Pandemie der Ukraine-Krieg begann, tauchten andere Probleme auf. Die Inflation machte der Bevölkerung zu schaffen, hochwertige Lebensmittel wollten und konnten sich die wenigsten leisten, sagt Hägele.
Finanziell belastet habe die Familie auch der Neubau im Gewerbegebiet, der während der Corona-Pandemie fertig wurde. „Zu dem Zeitpunkt konnten aber noch keine Hilfen beantragt werden“, sagt Jan Hägele.
Die Entscheidung, Insolvenz anzumelden, sei eine riesige Befreiung gewesen, aber auch der schwerste Gang, gesteht Andreas Hägele. Er betont, wie wichtig die Mitarbeiter in einer solchen Situation seien. „Sie sind das höchste Gut, das wir haben“, so Hägele.