Ein Projekt und jahrelanger Streit – das ist die Lage beim geplanten Kiesabbau im Gebiet Dellenhau. Das Waldstück ist für viele Menschen der Region ein beliebtes Revier für Spaziergänge und Jogging-Runden. Doch wenn es nach dem Kieswerk Birkenbühl geht, das seinen Sitz im Singener Stadtteil Überlingen am Ried hat, soll es demnächst für den Kiesabbau weichen – und danach Stück für Stück rekultiviert werden. Daher zählt die Maßnahme im Verwaltungsverfahren auch als befristete Waldumwandlung.

Die Gegner des Projekts überzeugt das nach wie vor nicht. Eine Bürgerinitiative hat jahrelang gegen den geplanten Kiesabbau mobil gemacht. Und die Bürgermeister der Gemeinden Hilzingen, Gottmadingen, Singen und Rielasingen-Worblingen haben für ihre Kommunen sogar das Land Baden-Württemberg vor dem Verwaltungsgericht verklagt, mit dem Ziel, das Vorhaben zu stoppen – ein einigermaßen seltener Vorgang. Nun hat das Kieswerk seinen Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorgelegt. Und der hat nicht dazu beigetragen, dass die Parteien die Sache anders sehen.

Der geplante Kiesabbau auf dem Lageplan.
Der geplante Kiesabbau auf dem Lageplan. | Bild: Schönlein, Ute

Kieswerk-Geschäftsführer Andreas Drewing erklärt in einer Stellungnahme, dass Kiesabbau im Dellenhau derzeit die einzige Option sei, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Ob dort mineralische Rohstoffe abgebaut werden, würde zudem nicht das Unternehmen entscheiden, sondern „ein komplexes öffentlich-rechtliches Genehmigungsverfahren – das wir übrigens schon seit über sieben Jahren durchlaufen“. In diesem Verfahren würden sämtliche Belange abgewogen und berücksichtigt, wohingegen eine emotionale und teilweise wenig sachliche Diskussion wenig hilfreich sei.

Drewing verweist darauf, dass sein Unternehmen die Kritik ernst nehme und ihr sachlich begegne – und auf verschiedenen Kanälen transparent darüber informiere. „Strengste gesetzliche Auflagen stellen sicher, dass die Flächen nach dem Abbau in mindestens gleicher Art und Güte rekultiviert werden“, so Drewing weiter. Vor allem das Thema Rekultivierung würde in der Diskussion oft außer Acht gelassen. Und: „Allein der nun öffentlich ausgelegte Umweltbericht zeigt, wie umfassend die Themen beleuchtet und analysiert werden.“

Gutachter kommen zu dem Schluss, das Projekt sei umweltverträglich

Die Gutachter des Büros Eberhard Landschaftsarchitekten aus Konstanz kommen in ihrem Bericht zu dem Fazit, dass „dem Vorhaben keine verfahrenshemmenden Sachverhalte und entscheidungserheblichen Konflikte entgegenstehen“. Im Klartext: Aus ihrer Sicht kann man den Kiesabbau auch im Hinblick auf die Umweltauswirkungen rechtfertigen. Der letzte Satz des Berichts lautet: „Aus Sicht der Gutachter ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand eine Umweltverträglichkeit für das geplante Vorhaben zum Kiesabbau im Dellenhau gegeben.“

Naherholung im Dellenhau: Das wäre über Jahrzehnte nicht möglich, wenn dort großflächig Kies abgebaut würde. Das Archivbild stammt von 2021.
Naherholung im Dellenhau: Das wäre über Jahrzehnte nicht möglich, wenn dort großflächig Kies abgebaut würde. Das Archivbild stammt von 2021. | Bild: Trautmann, Gudrun

Das wiederum stellt die Bürgermeister der vier Gemeinden nicht zufrieden. Sie sehen die Belange, die sie schon lange gegen den Kiesabbau vorbringen, in der Umweltverträglichkeitsprüfung, die ohnehin erst verspätet angeordnet wurde, nicht ausreichend berücksichtigt.

„Das Land hat – nach einer ersten Sichtung der Unterlagen – die Chance verpasst, die von den umliegenden Gemeinden vorgetragenen Belange im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung endlich ausreichend zu untersuchen und zu berücksichtigen. Statt die aufgeworfenen Fragen inhaltlich zu beantworten, wurden die Gutachten nur formal aktualisiert“, schreibt Hilzinges Bürgermeister Holger Mayer in einer mit seinen drei Amtskollegen abgestimmten Stellungnahme.

Gemeinden fürchten Belastungen aus dem Kiesabbau

Bei den Kritikpunkten gehe es vor allem um die Belastung durch Lasterverkehr, eine Beeinträchtigung des Grundwassers und die Zerstörung des Waldes, in dem man sich daher nicht mehr erholen und der auch dem Klimaschutz nicht mehr dienen könne.

Tatsächlich heißt es in dem Gutachten, dass der zu erwartende Lasterverkehr nicht zu erheblichen zusätzlichen Belastungen für die Siedlungsgebiete entlang der Straßen führen werde. Dass sich erhebliche Beeinträchtigungen oder Gefährdungen der Trinkwasserversorgung ausschließen ließen, wenn man die vorgesehenen Schutzmaßnahmen berücksichtige. Und dass sich die Beeinträchtigung der Erholung durch Rekultivierung, den Erhalt der Wege und durch Schutzwälle wirksam mindern lasse.

Das könnte Sie auch interessieren

Diese Bewertungen beruhen allerdings tatsächlich darauf, dass ältere Gutachten aktualisiert wurden, wie ebenfalls aus dem Bericht hervorgeht. Für die Bürgermeister ist das nicht genug. Es müsse neu und ergebnisoffen über die Rechtmäßigkeit des Kiesabbaus entschieden werden, schreibt Mayer in der gemeinsamen Stellungnahme.

Harsche Kritik am Landratsamt

Und damit rückt das Konstanzer Landratsamt als Genehmigungsbehörde in den Fokus der Kritik der Bürgermeister. Das Landratsamt hatte 2020 die Genehmigung für den Kiesabbau erteilt – ohne Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Diese wurde nach geänderter Rechtsprechung erst nachträglich 2021 angeordnet. Auch wenn die UVP also vom Vorhabenträger in Auftrag gegeben wird, lege die Genehmigungsbehörde den Untersuchungsrahmen fest und bestimme die Themen mit, so Mayer. Und das ist nach Ansicht der Bürgermeister nicht ausreichend erfolgt.

Das könnte Sie auch interessieren

Überhaupt konnte die Genehmigung nur erteilt werden, weil die damals gültige Version des Regionalplans den Dellenhau als Sicherungsgebiet für Kiesabbau vorsah. Dies habe sich nun geändert, Kiesabbau sei dort nicht mehr vorgesehen – und das „aus gutem Grund“, wie Mayer schreibt.

Nun soll die ohnehin schon gestartete juristische Auseinandersetzung vor dem Verwaltungsgericht Freiburg weitergehen: Die Gemeinden „sind weiterhin optimistisch, auf gerichtlichem Weg den Kiesabbau im Dellenhau verhindern“ zu können. In dem Verfahren gehe es um die Frage, wie eine Gemeinde nach der UVP zu beteiligen ist. Doch nun steht erst einmal die Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der UVP an – Träger öffentlicher Belange wie Fachbehörden und Kommunen können sich daran beteiligen, aber auch Privatpersonen. Bis zum Ende der Umweltverträglichkeitsprüfung ruhe das Gerichtsverfahren teilweise, so Holger Mayer.