Schon seit dem Sommer 1992 rumorte es in Konstanz, Gerüchte huschten durch die Gassen – bis schließlich der SÜDKURER am 4. März 1993 titelte: „Fremdenverkehrsverein enthüllt: Ein ‚Koloss‘ für die Hafeneinfahrt“. Der damalige Versitzende, Werner Häusler, verriet im Artikel: „Damit werden wir Lindau und seinem Löwen den Rang ablaufen.“ Er beschrieb die Figur als „nicht anstößig, ästhetisch und humorvoll“.
Doch die Nachricht, dass eine übergroße, schlanke Frauenfigur den Hafen zieren sollte, bereitete manchem Konstanzer kolossale Ängste. „Gut sechs Wochen vor seiner Enthüllung (...) sorgt das neueste Projekt des Bodmaner Bildhauers Peter Lenk für erste Hitzewallungen bei Konstanzer Kommunalpolitikern“, ist am 10. März 1993 im SÜDKURIER zu lesen.
Die Gerüchteküche um das „bestgehütete Konstanzer Geheimnis“ brodelte weiter: Plötzlich sollte die Statue statt neun Metern angeblich sogar 22 Meter in die Höhe ragen und – Gott bewahre! – sie könnte in Anlehnung an den Koloss von Rhodos breitbeinig über der Hafeneinfahrt stehen.
Dann könnten einige Schiffe, wie das MS Graf Zeppelin, nicht mehr anlegen, wurde sogar befürchtet. Eifrige Fotografen lichteten irrtümlicherweise die 15 Meter hohen Zentauren in Lenks Garten ab, um Beweise für die Kolossin von Konstanz zu finden. Die Frage kam auf: Gibt es die noch namenlose Lenk-Skulptur überhaupt?
Leiter der Schiffsbetriebe „stinksauer“ auf Stadträte
Die Aufregung war groß; der Konstanzer Gemeinderat entschied schließlich Anfang April 1993, dass das Kunstwerk nicht aufgestellt werden dürfe. Häusler und Lenk kommentierten diese Entscheidung nicht, während Professor Dieter Bögle, der damalige Leiter der Schiffsbetriebe, klar kommunizierte, dass er „stinksauer“ auf die Räte sei. Da der Pegelturm ohnehin Bundeseigentum war, über das die Kommunalpolitik nicht zu entscheiden hatte, konnten die Konstanzer Stadträte das Aufstellen des Kunstwerks aber ohnehin nicht verhindern.

Trotz dieser Unstimmigkeiten wurde die Statue aus Waiblingen, wo sie gegossen wurde, an den Bodensee gebracht, und erste Fotos der Einzelteile tauchten auf. Es gab sie also wirklich. Und im Volksmund wie auch beim Künstler Lenk selbst kam erstmals ein Name auf: Constantia. Derweil sickerte durch, dass die Figur die „Venus von Babylon“ darstelle, die in ihren ausgestreckten Händen Figuren halte, die „in ihrer Darstellung als Bischöfe gekennzeichnet sind“.
Kirchenvertreter sind empört, Konstanzer sind verliebt
Wurde da ein Hurendenkmal vor historischer Konzilkulisse errichtet, das die Konstanzer Katholiken brüskieren könnte? Dagegen lief die katholische Kirche – oder zumindest Teile von ihr – Sturm, obwohl der Anblick der Hafenschönen bis dato nur einem erlesenen Kreis vorbehalten war. Als dann am 24. April 1993 bei strahlendem Sonnenschein tausende Menschen erstmals die Kurtisane erblicken, applaudierte die Menge. Der Großteil der Konstanzer genoss ab diesem Zeitpunkt den Anblick der Hafenschönen.

Am Tag der Enthüllung stand auch der offizielle Name der Figur fest: Imperia. Ihr historisches Vorbild war eine römische Kurtisane, die Anfang des 16. Jahrhunderts lebte und der Honoré de Balzac in seinen „Tolldreisten Geschichten“ bereits ein literarisches Denkmal setzte. In den folgenden Monaten war vereinzelt aus Politik und Kirche noch Kritik zu vernehmen, die allerdings nach und nach verstummte.
Nur einmal flammte die alte Debatte aus den Imperia-Anfängen noch auf – als ein Abguss des Päpstchens zeitweise in der Tourist-Information im Konstanzer Bahnhof präsentiert wurde. Auf Augenhöhe der Besucher wirkte Papst Martin V. nicht gerade kraft- und machtvoll. Also einfach so, wie es Peter Lenk einst auch gemeint hatte. Heute haben die Kritiker von damals ihren Frieden mit dem Konstanzer Wahrzeichen gemacht. Wie die Imperia ihr wissendes Lächeln bis heute im Konstanzer Hafen zeigt, könnte man fast glauben, sie habe all die Auseinandersetzungen leibhaftig er- und überlebt.