Schon der Name der Stadt hat seinen Ursprung in Italien: Constantia hieß das Römerkastell, das später als Bischofssitz zur Keimzelle der Handelsstadt wurde. Die Beziehungen zu Italien verstärkten sich in den folgenden Jahrhunderten zunehmend.
Bischof Konrad machte Konstanz in der Mitte des 10. Jahrhunderts zum „zweiten Rom“, als er zusätzlich zum bestehenden Marienmünster weitere Kirchen erbauen ließ, die mit ihrem Standort im Stadtgebiet und ihrem Namen den päpstlichen Basiliken in Rom entsprachen: St. Johann, St. Paul, St. Lorenz.
Mit dem Kloster Petershausen als Pendant zur Peterskirche vollendete Bischof Gebhard II. Konrads Plan. Die Stadt wurde zur Pilgerstation auf dem Weg nach Rom und ins Heilige Land. Dazu kam noch Konrads Heilig-Grabkirche am Münster, die dem Jerusalemer Vorbild nachempfunden war. Dank seiner verkehrsgünstigen Lage wurde Konstanz auch bald ein Knotenpunkt im überregionalen transalpinen Verkehr.
Lange waren die Bündnerpässe, bevor um 1230 die Gotthardstrecke eröffnet wurde, die wichtigsten Übergänge von Oberitalien zum deutschen Südwesten. Von Chur ging es durchs Rheintal in die Bischofs- und Handelsstadt, von dort aus entlang des Rheins nach Norden bis in die Niederlande, in westlicher Richtung nach Frankreich und südwestlich nach Burgund.
Vor allem die Stauferkaiser Friedrich Barbarossa und seine Nachfolger, von ihrer Herkunft Herzöge von Schwaben, nutzten die Route als Verbindung zwischen ihrem Herzogtum, zu dem auch Konstanz gehörte, und den italienischen Reichsgebieten.
Krieg gegen Mailand endet in Konstanz
In Konstanz, auf halbem Weg nach Italien, schließt Barbarossa während des Reichstags 1153 wichtige Verträge mit dem Papst und den lombardischen Städten: Die Zusicherung seines vollen Schutzes für den Papst vor allen seinen Feinden, im Gegenzug verspricht der Papst, ihn zum Kaiser zu krönen, was 1155 in Rom dann auch geschah.
Wegen der Klage zweier Kaufleute, die aus Lodi nach Konstanz gekommen waren, um sich vom Kaiser Hilfe gegen das mächtige Mailand zu erbitten, führte Barbarossa 30 Jahre lang Krieg gegen Mailand und die mit ihm verbündeten Städte. 1183 kam es zum Friedensschluss, wieder in Konstanz, auf dem Obermarkt. Seit 1986 verbindet eine Städtepartnerschaft Konstanz mit Lodi.
Um 1300 war die Stadt am See schon seit 300 Jahren ein bedeutender Markt- und Fernhandelsplatz. Unter Barbarossas Nachfolgern, seinem Sohn Heinrich VI. und dem Enkel Friedrich II., wurde sie freie Reichsstadt und erlebte einen wirtschaftlichen Boom, der eine Erweiterung der Stadt notwendig machte. Ein neuer Marktplatz, der Obermarkt, entstand, und nach und nach das Viertel bis zum Schnetztor und der obere Teil der Marktstätte, der Fischmarkt und ein neuer Hafen.
1388 bis 1391 auch das weit und breit größte Speicherhaus und Handelszentrum, das erst viel später Konzil genannt wurde. Hier waren es Italiener, die Mailänder Kaufleute, die den Anstoß dazu und viel Geld für seine Errichtung gaben. Für sie war es ihr wichtigster Stützpunkt und Umschlagplatz auf deutschem Gebiet. Eine begehrte Ware war die „tela di Constanza“, ein qualitativ hochwertiger Leinenstoff, der in den Häusern der Stadt meist von Weberinnen hergestellt und bis in den Vorderen Orient exportiert wurde.
Handel macht die Konstanzer reich
Aus Italien kamen über die Alpen exotische Früchte und Gewürze und andere Kostbarkeiten aus dem Orient, von anderswo Metalle, englische Wolle und Salz. Aber nicht nur Waren, auch italienische Kaufleute kamen in die Stadt am See, um sich hier ihre Geschäfte zu betreiben. Prominentes Beispiel sind die Muntprat aus der Lombardei, die sich um 1350 in Konstanz niederließen, wo sie eine Handelsgesellschaft gründeten und im „Haus zur Sonne“ am Beginn der heutigen Hussenstraße ihre Geschäftszentrale einrichteten.
Einer von ihnen, Lütfrid Muntprat, kam zu so großem Reichtum, dass er als reichster Mann Schwabens und der Schweiz galt. Das Vermögen bei seinem Tod 1447 hatte nach heutigen Maßstäben einen Wert von etwa zwei Milliarden Euro. Außer den drei Muntpratfamilien gab es in der Stadt weitere 75 mit ähnlich hohem Reichtum, 1418, am Ende des Konzils, sogar 181. Zusammen mit den Humpis in Ravensburg und den Mötteli in Buchhorn, heute Friedrichshafen, gründeten die Muntprat um 1408 die „Große Ravensburger Handelsgesellschaft“.
Italienische Kaufleute kamen an den Bodensee, deutsche Handwerker gingen seit 1370 auf Wanderschaft in die Gegenrichtung nach Venedig, Florenz und Rom, vor allem Bäcker und Schuster. Das Brot der Deutschen war in Italien sehr begehrt. Ein Konstanzer Bäcker schaffte sogar den Aufstieg zum päpstlichen Hofbäcker in Rom, 40 seiner Landsleute kamen dort jährlich hinzu.
Deutsche „Gastarbeiter“ in Italien, in Rom, italienische Kaufleute hier – der internationale Austausch funktionierte bestens. Besonders viel Italienisch hörte man in der Stadt in den Konzilsjahren: Hier logierte ein Papst mit großem Gefolge, Geldwechsler und Bankiers, unter ihnen ein Medici, italienische Pizzabäcker und Kurtisanen – nicht die Imperia, aber 700 andere.
Wie die Toskana in die Katzgasse kam
Italien hat auch im Konstanzer Stadtbild Spuren hinterlassen. Schon die Anlage der Stadt zeigt italienische Einflüsse: enge Gassen im Kontrast zu weiträumigen baumlosen Plätzen, breite Hauptstraßen mit repräsentativen Gebäuden wie die heutige Wessenberg-, Kanzlei- und Hussenstraße, Wohntürme wie in der Toskana, von denen einer erhalten blieb.
Das Haus zur Katz in der Katzgasse wurde 1424 von der Patrizierzunft erbaut als erstes Gebäude nördlich der Alpen nach dem Vorbild damaliger Bauten in Florenz. Die Fassade mit ihren Rustika-Quadern und der Fenstergestaltung zeigt den Übergang von der Gotik zur Renaissance. In den folgenden Jahrzehnten, am Ende des Mittelalters und dem Beginn der Neuzeit, änderte sich vieles: Nationalstaaten entstanden, Grenzen wurden gezogen, Kriege geführt.
Ein vereinigtes Europa lag noch in weiter Ferne, aber enge Beziehungen zwischen den Nationen gab es schon viele Jahrhunderte zuvor.