Ein Paar trennt sich nach fast zehn Jahren Ehe. Nichts Außergewöhnliches. Laut statistischem Bundesamt kommt auf 2,3 Hochzeiten pro Jahr eine Scheidung; die durchschnittliche Ehedauer beträgt 15 Jahre. Die Meldung also, dass zwei Menschen fortan getrennte Wege gehen, kommt so überraschend wie ein Sonnenuntergang.

Und doch explodierte im Laufe der Woche eine eben solche Nachricht und sorgte rund um Konstanz für unzählige Diskussionen, zumeist hinter vorgehaltener Hand. Warum das?

Ein Sack Reis und das Dschungelcamp

Björn Graf Bernadotte und Sandra Gräfin Bernadotte sind offiziell kein Paar mehr. Als SÜDKURIER Online diese Meldung exklusiv veröffentlichte, verbreitete sie sich in Windeseile im Internet – und wurde unzählige Male vor allem bei Facebook geteilt und kommentiert.

Hier ein paar Beispiele von Nutzerkommentaren, die eine Richtung belegen: „Es trennen sich ständig Leute, da schreit kein Hahn nach. Das ist so interessant, als würde in China ein Sack Reis umfallen.“

Oder: „Wo ist der Sack Reis noch einmal umgefallen? Ach ja, in China.“

Oder: „Wen soll das interessieren? Jetzt fehlt nur noch die PR-Kampagne für das neue Dschungelcamp.“

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Immer und immer wieder wurde der Cartoon eines umfallenden Sackes Reis zu den Kommentaren gestellt. Ungeachtet der Tatsache, dass Säcke mit Reis in aller Regel liegend gelagert werden, dann also schlecht umfallen können, lässt sich hier ein spannendes Phänomen beobachten: Offiziell hat angeblich kaum jemand Interesse an einem Thema. Aber fast jeder liest den Artikel dazu.

Ein verpönter Reiz

Das ist so wie mit Ravioli aus der Dose, die isst ja auch niemand – und doch werden alleine in Deutschland 40 Millionen davon verspeist. Oder mit der BILD-Zeitung, die hat auch noch nie jemand gelesen – und doch wird sie rund 1,6 Millionen Mal am Tag verkauft.

Da ist also etwas, was einen großen Reiz ausübt. Doch dieser Reiz gilt als verpönt, als nicht gesellschaftsfähig – damit möchte sich niemand öffentlich schmücken. Ravioli werden grundsätzlich nur mit Bio-Vollkornmehl selbst gekocht, überregionale Nachrichten ausschließlich in den großen Zeitungen aus Frankfurt, München oder Zürich gelesen. Dosenfutter oder die Bild? Ein Fall für ungebildete und grobe Menschen, aber nicht für mich.

Und die Bernadottes? Die interessieren mich nicht, ich bin doch kein Mensch, der am öffentlichen Leben anderer teilnehmen möchte. Ha, ich doch nicht.

Das Interesse am Adel ist ungebrochen

Viele tausend Nutzer haben den Text zum Liebes-Aus auf der Mainau im Internet verschlungen, sich minutenlang damit auseinander gesetzt, ihn kommentiert und weiter verteilt. Hinterher jedoch wollte es niemand gewesen sein. Warum ist das so?

Sind wir mal ganz ehrlich: Wir sind doch ein wenig stolz darauf, eine echte Adelsfamilie in der Nachbarschaft zu haben, auch wenn sie schwedische Wurzeln hat. Juristisch wurde der Adel in Deutschland und Österreich mit dem Ende der Monarchien 1918 zwar abgeschafft, und seither besitzt der Adel weder politische Privilegien, noch übernimmt er eine bestimmte gesellschaftliche Funktion.

Das Interesse der Öffentlichkeit ist jedoch ungebrochen. Familiengeschichten der Aristokratie beherrschen regelmäßig die Schlagzeilen, Live-Übertragungen von Adelshochzeiten sorgen für schwindelerregende Einschaltquoten. Laut dem Bayerischen Rundfunk existieren 28 verschiedene Publikationen zum Thema; etwa neun Millionen dieser Zeitschriften werden Woche für Woche verkauft. Wo ein Markt, da ein Produkt.

Magische Anziehungkraft

Adelstitel sowie die Geschichten der Menschen dahinter üben also eine fast magische Anziehungskraft auf uns aus. Grafen wohnen in Burgen oder Schlössern (und im Fall der Bernadottes zudem noch auf einer wunderschönen Blumeninsel), sie besitzen Wälder und gehen auf die Jagd, sie haben meistens Stil und nicht selten viel Geld.

Da schaut man gerne durchs Schlüsselloch und träumt womöglich insgeheim davon, selbst zu den Hochwohlgeborenen zu gehören. Kleine Mädchen möchten irgendwann einmal als Prinzessin ihren Traumprinzen heiraten. Den Adel umgibt etwas Mystischen, etwas Fantastisches – und etwas Unerreichbares. Und unerreichbare Dinge haben uns schon immer fasziniert.

Dabei sind die Bernadottes in unserer Gesellschaft vor Ort sogar sehr präsent. Sie gehen auf Konstanzer Schulen, treten bei der Fasnacht auf der Bühne auf und übernehmen Patenschaften für lokale caritative Zwecke. Rundum: Sie geben sich als Menschen des Volkes. Das vermittelt den Eindruck: Wir sind ihnen nicht egal. Das gibt uns ein gutes Gefühl der Zugehörigkeit – auch wenn wir in Wahrheit wohl nie wirklich dazugehören werden.