Einen Tag nachdem der Bildungsausschuss der Stadt Konstanz die Schließung seiner Schule empfohlen hat, sitzt Sportlehrer Markus Rues wütend im Lehrerzimmer der Theodor-Heuss-Realschule: „Seit Jahren kursieren immer wieder Gerüchte über das Aus unserer Schule. Seit Jahren werden wir schlecht geredet. Deshalb melden so wenig Eltern ihre Kinder hier an. Das ist der Grund.“ Nur Minuten zuvor hatte Schulrektor Frank Raddatz den Lehrern von der Ausschusssitzung berichtet. „Der Gemeinderat entscheidet letztendlich noch, aber es ist so gut wie sicher. Das bedeutet, dass wir nur noch dieses Jahr Schüler aufnehmen, in etwa vier Jahren wird es ganz aus sein“, sagt Raddatz.

Bild 1: Ausschuss: Stadt soll Realschule schließen, damit Gemeinschaftsschule Platz hat
Bild: Eva Marie Stegmann

Perspektiven für alle Lehrer

Für alle Lehrer, das hatte der Ausschuss zugesichert, werde es Perspektiven geben. Raddatz ist genau wie sein Team der Überzeugung: Die Theodor-Heuss-Realschule wäre voller, wenn die Gerüchte um die Schließung nicht seit etwa fünf Jahren waberten. Und damit, dass die Schule nicht voll genug sei, wird das angedachte Aus nun hauptsächlich begründet.

Der Plan des Bildungsausschusses ist es, stattdessen die Gemeinschaftsschule Gebhard zu vergrößern. Bis zu acht fünfte Klassen soll sie mittelfristig aufnehmen. Denn die Gemeinschaftsschule, an der man auch das Abitur machen kann, boomt. Laut Schulleiterin Elke Großkreutz musste sie in den vergangenen zwei Jahren jeweils bis zu 20 Schüler abweisen. Vom Land kam nun das Signal: So geht das nicht weiter. Mit dem Abweisen ist es vorbei. Doch woher den Platz nehmen?

Bild 2: Ausschuss: Stadt soll Realschule schließen, damit Gemeinschaftsschule Platz hat
Bild: Eva Marie Stegmann

Verdrängung am Zähringerplatz

Schon heute teilen sich Gebhardschule und Theodor-Heuss-Realschule am Zähringerplatz die Mensa, einige Projekträume sowie den Pausenhof. „Es ist bitter für das Theo“, sagt Elke Großkreutz, „aber ich bin froh, dass wir jetzt wenigstens Planungssicherheit haben.“

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Eine Alternative wäre gewesen, einen neuen Platz zu finden, um dorthin entweder das Theo zu verlagern – oder eine zweite Gemeinschaftsschule zu eröffnen. Insgesamt wurden vom Baudezernat innerhalb von knapp drei Monaten neun Standorte geprüft. Alle wurden verworfen, aus den verschiedensten Gründen, von Artenschutz (Schwaketental) über „zu klein“ (Suso-Sportplatz) bis hin zu „bereits vergeben“ (Klein-Venedig, dorthin soll die Messe im Zuge der Döbele-Bebauung).

Mögen ihre Schule sehr: von links Jung-Pädagogin Allegra Hottner, Lehrerin Heidrun Meißner und Schüler Jeremiah Decker im Treppenhaus ...
Mögen ihre Schule sehr: von links Jung-Pädagogin Allegra Hottner, Lehrerin Heidrun Meißner und Schüler Jeremiah Decker im Treppenhaus der Theodor-Heuss-Realschule | Bild: Eva Marie Stegmann

Hätte man die Theodor-Heuss-Realschule retten können?

Mit der Zukunft der Realschule beschäftigt sich die Stadt seit Jahren. Zweimal hatte der Gemeinderat beschlossen, dass das Theo nur eine fünfte Klasse aufnehmen darf. Zuletzt 2016/2017. Oberbürgermeister Uli Burchardt fragte damals, ob das Festlegen auf die Einzügigkeit, also nur eine fünfte Klasse, nicht eine sich selbst erfüllende Prophezeiung bewirke. Seither, so Schulleiter Raddatz, gingen die Anmeldezahlen zurück. Der Gemeinderat kassierte die Festlegung später wieder. „Wir haben den Fuß nicht wieder in die Tür bekommen, die Eltern waren verunsichert“, sagt Raddatz.

Manche sagen: Realschule hätte attraktiver werden müssen

Bild 4: Ausschuss: Stadt soll Realschule schließen, damit Gemeinschaftsschule Platz hat
Bild: Eva Marie Stegmann

Das ist die eine Version. Andere sagen: Die Theodor-Heuss-Schule hat es selbst versäumt, wieder attraktiver zu werden, zum Beispiel durch Reformen. Einer der wenigen, der in der Sitzung des Bildungsausschusses für die Heuss-Schule Position bezog, war CDU-Stadtrat Wolfgang Müller-Fehrenbach. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER sagte er: „Wir warten schon länger darauf, dass die Realschule wieder zur attraktiveren Schule wird. Aber es passiert nichts. Ich hätte sie gerne gerettet. Man hätte einen Schulverbund prüfen können: Aus einer neuen Gemeinschaftsschule und der Heuss-Realschule. Doch wenn nicht einmal Schulleiter Frank Raddatz sagt: ‚Das könnte ich mir vorstellen.‘“

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Raddatz: Schulverbund gut vorstellbar

Raddatz sagt auf Nachfrage des SÜDKURIER jedoch, einen Verbund aus Gemeinschaftsschule und Realschule könne er sich gut vorstellen.

Was spricht dagegen?

Dazu Frank Schädler, Amtsleiter Bildung und Sport: „Die Stadtverwaltung hat diese Variante geprüft. Eine einzügige Realschule und eine zweizügige, neue Gemeinschaftsschule.“ Aber: Die Akzeptanz, so vermute man, sei bei Eltern gering. So ein Verbund würde nur organisatorisch, nicht pädagogisch Sinn machen. Außerdem würde das Kultusministerium eine einzügige Realschule nicht mittragen. Platz für zwei zweizügige Schulen sei am Zähringerplatz nicht.

Tatsächlich hat Bürgermeister Andreas Osner beim Kultusministerium angefragt, inwiefern die einzügige Realschule im Verbund mit einer Gemeinschaftsschule genehmigungsfähig sei. Aus dem Schreiben geht hervor: Das Kultusministerium sieht diese Variante pädagogisch und schulorganisatorisch kritisch.

Stadt Konstanz entscheidet, nicht Kultusministerium

Genehmigungsfähig hingegen ist sie. Das bestätigte die zuständige Ministerialrätin auf Anfrage. Die Stadt Konstanz als Schulträger könne dies selbst entscheiden.

Im Ausschuss sagten nahezu alle Redner, dass die Entscheidung schwer sei und es um die Theodor-Heuss-Realschule schade wäre. Aber, so die recht einhellige Meinung, man habe alles versucht. Und die Zeit für die Gemeinschaftsschule Gebhard, die aus allen Nähten platzt, drängt.

Christine Finke vom Jungen Forum beantragte während der Sitzung, dass das Baudezernat noch einen Standort prüfen soll: das Helle-Müller Gelände am Horn. Das lehnten die anderen Räte mehrheitlich ab. Frank Raddatz betonte im Gespräch mit dem SÜDKURIER: „Wir sind nicht mit dem Zähringerplatz verheiratet, wir können auch woanders hin.“

Elternwille ist auch Theodor-Heuss-Schule

Franka Gansow vom Elternbeirat des Theo sagte: „Es heißt der Elternwille soll gehört werden. Eltern entscheiden sich bewusst fürs Theo, weil es familiär ist. Es gibt viele Kinder, die Mühe hatten, den Übergang zu schaffen und bei uns hat es geklappt. Die fallen in einem großen System einfach raus.“

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