Richtfest: „Jetzt wird das Dach gedeckt!“ Aus der Unterschrift des Fotos vom 30. Juni 2017 ist die Erleichterung förmlich herauszulesen. Über Wochen bestand zwischen dem Neubau in der Bodanstraße 36/38 und dem benachbarten Haus Nummer 40 eine Dachlücke. „In die Zwischenwand der Häuser ist so viel Regenwasser eingedrungen, dass die ohnehin schon beschädigten Wohnungen flächendeckend mit Schimmel befallen wurden“, schildert ein Miteigentümer des denkmalgeschützten Hauses „Zum Lohengrin“ neben dem Schnetztor.
Nachdem der SÜDKURIER kürzlich über die überdurchschnittlich lange Bauzeit in der Bodanstraße berichtet hatte, hatte er sich an die Redaktion gewandt. Grund für die monatelangen Verzögerungen seien längst nicht mehr technische Probleme, wie durch den zuständigen Architekten Fredi D’Aloisio ausführlich geschildert. „Der Neubau steht offenkundig wegen finanzieller Probleme des Bauherrn still. Es ist völlig offen, ob und wann er überhaupt fertig wird“, sagt der Eigentümer der Grundstückgemeinschaft „Zum Lohengrin“. Anders ausgedrückt: Die als Bauherr ausgewiesene Magnus Projekt GmbH aus Baden-Baden hat sich mit dem Neubau übernommen und steht vor der Pleite. Vom baldigen Einzug in die exklusiven Wohnungen kann keine Rede sein. Ein lange währender Rechtsstreit steht offenbar bevor. Die Geschäftsführerin der Magnus Projekt GmbH aus Baden-Baden will zu diesen Entwicklungen auch auf mehrfache Anfrage hin nichts sagen.
Die unklare Zukunft des Baufortgangs hat Folgen für die Eigentümer des benachbarten Hauses „Zum Lohengrin“. Weil es in diesem Haus durch den Abbruch und Neubau zu beträchtlichen Bauschäden gekommen war, seien die angrenzenden Wohnungen laut einem Miteigentümer nicht mehr bewohn- und beheizbar. „Es hilft nichts, wir müssen jetzt rasch selbst für die Reparatur sorgen“, sagt der Miteigentümer. Er rechnet mit Kosten von mindestens 300 000 Euro.
Denn der Schimmelbefall durch die Dachlücke ist nur eines von mehreren Problemen: Schon im Frühjahr 2016, noch während des Abbruchs, sei es zunächst zu einem Wassereinbruch in den Kellern des Hauses Nummer 40 gekommen, kurz darauf zu einem Bruch der Abwasserleitung. Mit Beginn des Neubaus nahmen die Schäden im Nachbarhaus stetig zu: Risse und Spalten in den Wänden, ganze Durchbrüche in der Hausmauer, nicht mehr nutzbare Türen und Fenster. Die Grundstücksgemeinschaft hat all dies mit Dutzenden Fotos dokumentiert, Statiker und Sachverständige haben die Schäden festgestellt. Die Dokumente liegen der Redaktion vor. Eines davon zeigt Sonnenschein – wohlgemerkt durch die vom Neubau zerstörte Wand des denkmalgeschützten Hauses „Zum Lohengrin“ hindurch. „Ich mache mir keine Illusionen“, sagt der Miteigentümer, „ob und wann wir die Kosten für die ganzen Reparaturen überhaupt einmal ersetzt bekommen.“ Ein Vertreter der Magnus Projekt GmbH habe ihm ins Gesicht gesagt, dass sich ein möglicher Prozess über Jahre hinziehen wird. "Wenn es zur Insolvenz kommt, sind wir wohl die letzten Gläubiger", so der Miteigentümer.
Ob und wie es mit dem Bau der größtenteils bereits verkauften exklusiven Wohnungen plus Ladengeschäft weitergeht, steht in den Sternen. „Ich gehe davon aus, dass dort der Rohbau zu Ende gebracht wird, und das war es dann erst einmal“, sagt der Miteigentümer des Nachbargebäudes. Er zählt die Verkettung auf: „Der Architekt erhält kein Geld mehr vom Bauherrn, bezahlt deshalb die Handwerker nicht mehr und diese arbeiten deshalb nur tröpfchenweise.“ Der zuständige Architekt Fredi D’Aloisio hatte auf die Frage, ob es wegen der Schäden am benachbarten Gebäude einen Rechtsstreit gebe, kürzlich mitgeteilt: „Hierzu liegen uns keine konkreten Informationen vor.“ Die Mieter des Nachbarhauses haben dagegen konkrete Informationen, wenn auch in anderer Sache. Zum Beispiel den Sonnenschein durch die beschädigte Wand ihrer Wohnung.
Haus mit Geschichte
Das Haus "Zum Lohengrin" blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, wie der frühere Stadtarchivar Nobert Fromm zusammengefasst hat. Beim Abriss des Nebenhauses wurde der Blick auf das ehemalige Unterbaumeisterhaus freigelegt. Dieses mittelalterliche Gebäude datiert aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als man dem Unterbaumeister als Stadtbeamten einen Kuhstall erstellte. Unterbaumeister waren städtische Bauaufseher mit eingeschränkten Befugnissen. Bis ins Jahr 1600 wurde das Unterbaumeisterhaus vergrößert und erhöht, bis es schließlich den seltenen Luxus eines "Badstübles" erhielt, wie im Konstanzer Baubuch vermerkt ist. Danach verlieren sich die Aufzeichnungen, bis das Gebäude im Jahr 1800 von der Stadt für 3855 Gulden an einen Zimmermeister verkauft wurde. Seinen heutigen Namen "Zum Lohengrin" hat es 1878 erhalten, als dort ein gleichnamiges Café eröffnete. (bbr)