Konstanz gehört zu den Städten mit dem höchsten Radverkehrsanteil in Deutschland – und darauf ist die Stadt stolz. Mindestens 15 Millionen Euro sollen bis 2026 in die Fahrradinfrastruktur fließen. Die neue Zählstation am Herosépark ist ein weiteres Zeugnis des Selbstbildes. "Danke, dass du Rad fährst" steht dort unter der Anzeige. Und: Du zählst. Sven Kleiner denkt auch, dass Radfahrer zählen. Aber nicht mehr als andere Verkehrsteilnehmer.
Straßenverkehr funktioniert nur miteinander
"Wie die Stadt Konstanz das Thema Radfahren inzwischen vorantreibt, das ist das falsche Signal", sagt er. Das Konzept fördere die Haltung mancher Fahrradfahrer, sich als bessere Menschen zu fühlen, weil sie auf zwei Rädern und ohne Motor fahren. "Der Straßenverkehr funktioniert wie alles im Leben nur miteinander."
Deshalb hat Kleiner auf der Facebook-Seite seines Arbeitgebers, einer Werbe- und Veranstaltungsagentur in der Altstadt, deutliche Worte gefunden. In zehn Punkten listet er dabei auf, wie man sich auf der Straße zu verhalten hat – angefangen vom Rechtsfahrgebot über die Beachtung der Vorfahrtsregeln bis zum Handyverbot. Der Beitrag wurde bis Mittwoch dutzendfach geteilt.
Kleiner: "Fahre selbst Rad und Auto"
"Ich will nicht Autofahrer gegen Radfahrer ausspielen, überhaupt nicht", sagt Kleiner, "ich fahre ja selbst auch Fahrrad". Doch er mache auf den Konstanzer Straßen eine wachsende Aggressivität und Ignoranz aus. Entsprechende Worte bekomme er zu hören, wenn er Radfahrer auf ihr Fehlverhalten anspreche. "Es gibt Menschen, die queren die Reichenaustraße mal eben über vier Spuren mit ihrem Rad. Im Industriegebiet wohlgemerkt", führt er aus.
Ernsthafte Unfälle mit Verletzten befürchtet
Die neue Fahrradstraße in der Petershauser Straße hält er für fehlgeplant. "Natürlich kann man die dort einrichten", sagt Kleiner. "Aber die Lösung dort parallel noch Autos fahren zu lassen führt zum Suizid-Verkehr." Womöglich sei es nur eine Frage der Zeit, bis ernsthaft Menschen zu Schaden kämen. Auch die Polizei und das Ordnungsamt Konstanz wiesen kürzlich auf die Unfallzahlen mit beteiligten Radfahrern hin und führten deshalb eine mehrstündige Großkontrolle durch.
Ähnliches erlebe er auf dem täglichen Weg zur Arbeit in die Altstadt, der ebenfalls eine Fahrradstraße kreuzt. Dort, wo Schotten- und Gartenstraße aufeinandertreffen, "lege ich mehrmals die Woche eine Vollbremsung hin, weil die Vorfahrt nicht beachtet wird". Bei allem Bekenntnis, Radstadt zu sein, dürfen die politisch Verantwortlichen der Stadt ihre Verantwortung bei der Sicherheit im Verkehr nicht vergessen, erklärt Sven Kleiner.
Die neue Zählstelle? Für Werbefachmann Sven Kleiner ein "nettes Gimmick"
Gegen weniger Autos auf den Straßen hat er übrigens nichts einzuwenden. "Ich bin auch froh, dass die Innenstadt oder der Bahnhofplatz autofrei ist. Es hilft ja nichts, wenn alles zugeparkt wird", sagt er. Und was sagt er zur neuen Zählstation, die bis 2020 3,5 Millionen Radfahrer für ihr Verhalten gelobt haben soll? Über sie kann er – wohl auch als Werbefachmann – nur lächeln. "Die ist ein nettes Gimmick, ihr Effekt dürfte sich aber in Grenzen halten."