Lächelnd sitzt Nurjamal Omurkanova auf einem Sessel und trinkt einen Schluck Wasser. Sie fühlt sich wohl in ihrer Wahlheimat: "Konstanz ist ein wunderschöner Ort und es gefällt mir, dass Uni und Stadt international sind." Die 38-Jährige strahlt eine ansteckende Unbeschwertheit aus. Erst, als das Gespräch auf ihre Nichte kommt, weicht der fröhliche Ausdruck auf dem Gesicht der Kirgisin einem ernsten Ausdruck. Doch dazu später mehr.
Bis 24 lebte sie in Kirgistan
Geboren wurde Omurkanova rund 5000 Kilometer entfernt in einem kleinen Dorf im Norden Kirgistans, etwa eine Stunde von der Hauptstadt Bischkek entfernt. Bis zu ihrem 24. Lebensjahr blieb sie in dem zentralasiatischen Binnenstaat, machte dort ihr Abitur und begann ihr Studium. Obwohl ihre Familie die universitäre Ausbildung nicht finanzieren konnte, gab sie nicht auf, machte sie sich auf die Suche nach Investoren und schrieb zahlreiche Unternehmen an, bis sie in der Tourismusbranche fündig wurde. Der Kompromiss: Um die Ausbildung finanziert zu bekommen, begann sie nebenher, in der Marketingabteilung des Unternehmens zu arbeiten. Als sie über eine Informationsveranstaltung von der Möglichkeit erfuhr, mit einem Stipendium nach Deutschland zu kommen, bewarb sie sich und wurde wider eigener Erwartungen unter den Bewerbern ausgewählt.
Rückkehr nach dem Masterstudium
Lange blieb sie damals nicht in Deutschland. Nachdem sie in Eichstätt-Ingolstadt ihr Masterstudium im Bereich internationale Beziehungen abgeschlossen hatte, kehrte sie in ihr Heimatland zurück. Ihr beruflicher Werdegang liest sich wie ein Musterbeispiel: Neben Stellen in mehreren kirgisischen Unternehmen war Omurkanova für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) tätig und mit internationalen Wahlbeobachtern unterwegs. Schließlich zog es sie erneut nach Deutschland, wo sie sich durch ein Promotionsstipendium an der Universität Konstanz wiederfand und im Sommer 2016 in der Fachschaft Politik- und Verwaltungswissenschaften promovierte. Derzeit befindet sie sich in der Bewerbungsphase um eine Stelle in der freien Wirtschaft und Unternehmensberatung.
Ihre Liebe zu Konstanz
Sie fühlt sich wohl in Deutschland, will auch in Zukunft hier leben und arbeiten. „Mir gefällt, dass man sich hier sicher und wohl fühlen und frei bewegen kann.“, schwärmt die Kirgisin. Da sie in ihrer Freizeit sehr aktiv ist, kamen ihr die Freizeitangebote der Universität sehr gelegen. „Ich konnte nicht schwimmen“, erklärt sie und fährt fort: „Über den Hochschulsport habe ich das gelernt.“ Ihr Heimatland Kirgistan sei nicht annähernd so weit entwickelt wie die Industrienation Deutschland: „Die Hauptstraßen sind asphaltiert, weitere Straßen bestehen nur aus Erde.“, erzählt Omurkanova. Und weiter: „Zentrale Heizung und Kanalisation haben wir in den Dörfern noch nicht.“
Kirgistan – das zweitärmste Land der Sowjetstaaten
Dass Kirgistan das zweitärmste Land unter den ehemaligen Sowjetstaaten ist und es vielerorts noch an technischen Mitteln fehlt, birgt für Nurjamal Omurkanovas und ihre Familie jedoch noch ein weiteres Problem: Ihre Nichte Datkaiym, die erst wenige Monate alt ist, leidet an einem angeborenen Herzfehler, ihr Zustand hat sich in der letzten Zeit zunehmend verschlechtert. Obwohl sie nach einer langen Zeit auf der Intensivstation jetzt endlich nach Hause gebracht werden konnte, müssen ihre Eltern sie mehrmals täglich an ein Sauerstoffgerät anschließen. Ohne die Hilfe würde die Sauerstoffsättigung ihres Blutes rasch in einen kritischen Bereich fallen.
Der Kampf um Datkaiyms Leben
Nachdem sie sich in der Vergangenheit mit aller Kraft für ihre eigene Karriere eingesetzt hat, kämpft Nurjamal Omurkanova jetzt für eine neue Sache: Datkaiyms Leben. Da ihr in Kirgistan nicht geholfen werden kann, hängt es am seidenen Faden, der Familie läuft die Zeit davon. Auch bei zahlreichen Kliniken im Ausland, fand Omurkanova keine Hilfe, da diese nicht auf die Behandlung von Säuglingen spezialisiert sind. So auch das Herz-Neuro-Zentrum Bodensee, deren Sprecher auf Nachfrage zwar Betroffenheit ausdrückt, jedoch auch zu verstehen gibt: „Grundsätzlich ist das medizinische Leistungsangebot des Herz-Neuro-Zentrums Bodensee auf die anspruchsvolle Behandlung erwachsener Herzpatienten spezialisiert. Die kardiologische und herzchirurgische Behandlung von Säuglingen wird dagegen bundesweit nur an einigen wenigen Universitätskliniken und großen Herzzentren durchgeführt."
Teurer Transport nach Deutschland
Vom Deutschen Herzzentrum Berlin liegt der Familie zwar ein Angebot vor. Jedoch gibt es ein Problem: Zusammen mit einem Ambulanzflug, auf den Datkaiym aufgrund ihres Zustands angewiesen ist, kostet die Behandlung rund 90 000 Euro. Die Reise nach Deutschland wäre mit einem Linienflug und ärztlicher Begleitung zwar deutlich günstiger, kann dem Kind jedoch nicht zugemutet werden, wie auch Sebastian Demiet von der Ambulanzflug Zentrale aus Wuppertal betont: „Das Kind befindet sich in einem Zustand, der einen Linienflug nicht zulässt.“
Tapferer Kampf ums Leben
Um die enormen Kosten zu decken, die Nurjamal Omurkanovas Familie alleine nicht tragen kann, bemüht sie sich, die Menschen über Spendenkampagnen zur Unterstützung aufzurufen. „Sie leidet seit dem ersten Atemzug“, sagt sie über ihre Nichte, „sie kämpft tapfer um ihr Leben, leider kann ihr in Kirgistan nicht geholfen werden.“ Und Nurjamal Omurkanova ist bereit, sich mit aller Kraft für ein gesundes Leben ihrer Nichte einzusetzen.
Kirgistan
Der zentralasiatische Binnenstaat grenzt an vier Staaten: China, Kasachstan, Tadschikistan und Usbekistan. Laut der Weltbank und dem Auswärtigen Amt leben etwa sechs Millionen Menschen auf rund 198 km
2. Während Kirgisisch den Status als Staatssprache einnimmt, ist seit 2000 Russland als offizielle Sprache in der Verfassung aufgeführt. Kontakt: nurjamal.omurkanova@uni-konstanz.de