Fast 50 Leute stehen vor dem Eingang zur Hausnummer 102. Sie unterhalten sich aufgeregt und spähen immer wieder erwartungsvoll zur Straße. Es sind Mieter aus den Häusern der Schwaketenstraße 98-108. Dann kommen die erwarteten Gäste. Es sind der Vorsitzende des Mieterbundes Bodensee (DMB) Herbert Weber und Pressereferent Winfried Kropp mit zwei Herren im Anzug: mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung und seinem Mitarbeiter Christoph Stetter.
CDU-Politiker Jung sucht Kontakt zu Vonovia
Jung steht schon seit einiger Zeit mit dem Mieterbund wegen der geplanten Modernisierungen durch die Vermietergesellschaft Vonovia SE in Kontakt und will sich nun zum Start der Bauarbeiten ein Bild von der Wohnsituation der Mieter und den umstrittenen Maßnahmen machen: "Ich kann mich nicht erinnern in den ganzen letzten Jahren, dass Herbert Weber mal einen konkreten Fall aufgebracht und gesagt hat: Da müssen Sie sich drum kümmern", stellt Jung bei seiner Begrüßung der Anwesenden die Besonderheit dieses Falls heraus.
"Wohnungen dürfen nicht an der Börse verhandelt werden"
Er nimmt sich viel Zeit für die Erfahrungsberichte der Mieter und ihre Empörung über das Verhalten der Vermietergesellschaft, wie zum Beispiel deren Aktiengeschäfte an der Börse: "In meinen Augen dürften Gebäude, in denen Menschen wohnen, nicht an der Börse verhandelt werden. Wir fühlen uns hier wie Ware", kritisiert Brigitte Gebauer, die schon seit 21 Jahren in ihrer 35-Quadratmeter-Wohnung lebt und nun nach eigenen Angaben mit einer Mieterhöhung von über 47 Prozent zu rechnen hat. Auch meinen viele Betroffene, die energetische Modernisierung werde zu wirtschaftlichen Zwecken missbraucht.
Jung achtet besonders auf schon doppelverglaste Fenster
Andreas Jung besuchte die 65-Quadratmeter-Wohnung einer 77-jährigen Rentnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, da sie sich in rechtlichen Verhandlungen mit der Vonovia befinde. Jung legte besonderes Augenmerk auf die noch gut erhaltenen doppelverglasten Fenster, die im Zuge der Maßnahmen zur Energieeinsparung durch neue ersetzt werden sollen.
Um jedoch keine falschen Hoffnungen zu schüren, konnte der Bundestagsabgeordnete vorerst nur auf das laufende Gesetzgebungsverfahren verweisen, mit dem die Modernisierungsumlage von derzeit elf Prozent reduziert und zukünftige Ordnungswidrigkeiten im Bauwesen besser unterbunden werden sollen: "Es gibt ein paar schwarze Schafe und wenn die dann unter dem Deckmantel energetische Sanierung raussanieren wollen, das darf nicht sein", betonte Jung.
Einige Mieter fordern jetzt weniger Diplomatie
Die vielen Wortmeldungen wolle er mit nach Berlin nehmen und in das Gesetzgebungsverfahren einbringen. Und er wolle sich für ein klärendes Gespräch mit der Vonovia einsetzen: "Ich glaube, dass das Unternehmen ja auch ein Interesse daran haben muss, das, was an Vorwürfen auf dem Tisch liegt, auszuräumen."
Einige der anwesenden Mieter empfanden all das als zu defensiv und diplomatisch. "Das Problem ist eben, dass die Zukunft uns nicht hilft", sagt eine Mieterin, die ihren Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen möchte, unter gemurmelter Zustimmung anderer. Vonovia wolle ihre Miete nach den Maßnahmen um 199 Euro erhöhen, was sie angesichts der abgenutzten Parkettböden und der alten Linoleum-Küche nicht als angemessen empfinde, sagt die Vollzeitbeschäftigte.
Mieterinitiative engagiert sich weiter
"Wann hilft uns die Politik mal konkret? Jetzt muss geholfen werden! Da gehört auch mal Mut dazu!", fordert ein anderer Mieter. Herbert Weber beschwichtigt: Allein die Anwesenheit der Politiker helfe schon, Druck auszuüben.
Eine Mieterinitiative konnte schon einiges bewegen. 180 Mieter erreichten mit einem Widerspruchsbrief, dass die Vonovia die Bäder nun doch nach Bedarf sanieren will. Mit einer Unterschriftenaktion richteten sich mehr als 200 an das Justizministerium, an Volker Kauder, Vorsitzender der Bundestagsfraktion von CDU/CSU, und an Andrea Nahles, Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Die Forderung: eine Umlagensenkung der Modernisierungskosten und zeitliche Ausweitung des Mietspiegels. Auch planen die Mitglieder mit dem DMB Plakate gegen die Baumaßnahmen.
Vonovia weist Vorwürfe zurück
Die Vonovia weist die Vorwürfe zurück. "Wir tun alles mögliche, um den Kunden auch in der Wohnanlage zu halten und möchten nicht, dass der Kunde ausziehen muss", hatte Vonovia-Regionalleiter Dennis Gebhardt unlängst erklärt. Es sei nicht im Sinne des Unternehmens, dass jemand ausziehen müsse.
"Vonovia führt keine Luxusmodernisierung durch. Wir wollen, dass die Leute sich in ihren Wohnungen wohlfühlen und diese aber auch zeitgemäß sind", heißt es dazu auch von Vonovia-Pressesprecherin Bettina Benner. "Und jeder, der wegen dieser Erhöhung Sorge hat, soll sich an uns wenden, und da findet sich dann auch eine Lösung."
Jetzt sollen die Bauarbeiten losgehen
Wider Erwarten ist noch kein Baufahrzeug in Sicht: "Wir wissen auch nicht, warum es noch nicht begonnen hat, aber wir zittern tagtäglich, dass die Baufahrzeuge anrücken", erklärt Mieterin Brigitte Gebauer ratlos.
Der Schein der Ruhe trügt. "Wir haben für die erste Woche Baustelleneinrichtung und die Stromversorgung vorgesehen und in der ersten und zweiten Woche die Freianlagenarbeiten als Vorleistung zum Gerüstbau", sagt Vonovia-Sprecherin Benner. "Wir liegen zeitlich im Plan."
Weiterer Politbesuch
Auch in den kommenden Tagen erwartet der DMB weiteren politischen Besuch unter anderem von der Bündnis 90-Politikerin und Landtagsabgeordneten Nese Erikli und der parlamentarischen Staatssekretärin des Bundesministeriums für Umwelt, Rita Schwarzelühr-Sutter (Wahlkreis Waldshut). (lh)