Es ist dunkel, sehr dunkel momentan – jedenfalls zwischen 8 Uhr früh und 16 Uhr nachmittags. Ich mag das überhaupt nicht, genauso wenig wie Kälte. Aber ein Gutes hat die Jahreszeit immerhin: die Menschen hängen sich Lichterketten in die Fenster. Oder sie wickeln sie um ihre Balkonbrüstungen, schmücken kahle Bäume im Vorgarten damit, stellen leuchtende Sterne auf die Fensterbank. Ich liebe das. Vor ein paar Jahren noch war das in Konstanz noch nicht so verbreitet. Aber nach und nach zogen funkelnde, teils blinkende Lichter aller Art in unsere Straßen ein. Es gibt gelbe, rote, blaue, warmweiße und kaltweiße Lichterketten, alle möglichen Formen und in jeder Preisklasse etwas.
Der erleuchtete Lastwagen vom Fruchthof
Mein absoluter Favorit in Sachen Lichterkettendeko für dieses Jahr ist der festlich erleuchtete Lastwagen, der im Industriegebiet beim Fruchthof steht – das sieht aus, als habe sich ein Stückchen aus der Cola-Werbung zu ins in die kleine Stadt verirrt, und obwohl an Lastwagen eigentlich nichts Schönes ist, bringt mich dieser Anblick jeden Morgen, wenn ich daran vorbeifahre, zum Lächeln.
Manches ist jenseits des guten Geschmacks
Wer hat sich das wohl ausgedacht?, frage ich mich, und ob der- oder diejenige lange reden musste in der Firma, denn so etwas ist ja eigentlich Energieverschwendung und je nach Sichtweise auch Lichtverschmutzung. Aber im tiefen Winter heiligt der Zweck die Mittel, finde ich. Man muss ja die Nachbarn nicht bis mitten in der Nacht mit wild blinkenden LEDs beglücken – es gibt nämlich durchaus auch Lichterketten, die für mich die Grenze des guten Geschmacks und der Zumutbarkeit überschreiten.
Ein fröhlicher bunter Setzkasten
In meiner Straße habe ich allerdings dieses Jahr nur zauberhafte Vielfalt gesehen, und unser Innenhof in der großen Wohnanlage sieht aus wie ein fröhlicher bunter Setzkasten. Es ist, als würden die Bewohner der jeweiligen Wohnungen sagen: „Ja, es ist blöder dunkler Winter, aber ich versuche, es mir gemütlich zu machen, und euch da draußen gleich mit“, und das ist ein schöner Gedanke.
Wer wohnt da wohl?
Manchmal gehe ich durch die Straßen und gucke gezielt nach oben zu den Fenstern mit den jeweiligen Lichterketten. Und dann überlege ich, wer da wohl wohnt und warum sich diejenigen ausgerechnet dieses Exemplar ausgesucht haben. Die schief aufgehängte, sehr kleine Lichterkette in warmweiß am Küchenfenster – lebt da eine alte Dame, die sich auf den Hocker stellen musste, um sie anzubringen? Und die eher protzigen, selbstbewussten und vielen bunten Lämpchen auf so manchem Balkon, gehören die zu Menschen, die keine Angst vor dem Auffallen haben?
Bei uns leuchtet es ganzjährig
Und vielleicht machen Sie das genauso, wenn Sie bei mir in der Straße vorbeikommen. Dann sehen Sie eine warmweiße, ziemlich präsente Lichterkette, die bei mir die komplette Balkonbrüstung umrahmt und auf den Fußweg strahlt. Ich lasse sie aber, im Unterschied zu den meisten Lichterkettenfans, ganzjährig hängen. Mein Balkon sieht damit im Sommer aus wie ein einladender Biergarten, von drinnen wie von draußen. Wenn Sie daran vorbeikommen und mich sehen, winken Sie mir gerne, ich freu mich darüber.
Christine Finke (52) ist Buchautorin und lebt mit ihren Kindern (zehn, zwölf und 18) und zwei Katzen allein, wie man so sagt – also ohne Mann. Seit 2011 berichtet sie über ihr Leben in ihrem Blog „Mama arbeitet“. Sie zog im Jahr 2002 nach Konstanz