Frank Mahr gibt sich keinen Illusionen hin. „Mein Körper ist Schrott“, sagt er. „Ich bin krank, kann nicht mehr arbeiten. Für mich gibt‘s nichts mehr.“ Seit neun Jahren ist er obdachlos. „Ich war damals selbst verantwortlich dafür“, erklärt er offen und ehrlich. „Ich habe zwei Menschen verprügelt und musste dafür 18 Monate ins Gefängnis.“ Als er raus kam, so erzählt der 53-Jährige, ging es steil bergab. Keine Wohnung, keine Arbeit, keine Perspektive. „Ich habe immer mehr getrunken“, sagt der gelernte Maurer und Stuckateur.

Frank Mahr vor seinem selbst gebauten Zelt.
Frank Mahr vor seinem selbst gebauten Zelt. | Bild: Schuler, Andreas

Beim Mittagessen in den Räumen der AGJ am Lutherplatz erzählt er seine Geschichte. Der gemeinnützige AGJ-Fachverband gehört zu der Trägerfamilie der Caritas und unterhält in der Erzdiözese Freiburg Einrichtungen im Bereich Suchthilfe, Wohnungslosenhilfe und Prävention. Wer hierher kommt, ist am Rande der Gesellschaft angekommen.

„Wenn es regnet und man nass wird – das ist nicht schön.“

Gleich nebenan hat Frank Mahr seine Bleibe: Zwischen dem AGJ-Gebäude und dem Polizeiposten Lutherplatz hat er sich mit Planen und Decken eine Art Notunterkunft aufgebaut, hier wohnt er seit ein paar Monaten. „Die Kälte ist nicht das Problem“, sagt er. „Wenn es regnet und man nass wird – das ist nicht schön.“ Seine Knochen machen nicht mehr richtig mit, er lebt mit ständigen Schmerzen. „Die muss ich dann betäuben“, schildert er und lacht laut.

Nach dem Mittagessen unterhalten sich Frank Mahr (von links), Uwe Siegfried Aschenbrenner und Uwe Hartl mit Jörg Fröhlich.
Nach dem Mittagessen unterhalten sich Frank Mahr (von links), Uwe Siegfried Aschenbrenner und Uwe Hartl mit Jörg Fröhlich. | Bild: Schuler, Andreas

Nach dem Mittagessen bei der AGJ, die von Landkreis, der Stadt sowie Spenden finanziert wird, sitzt Frank Mahr mit Uwe Siegfried Aschenbrenner und Uwe Hartl zusammen. Sozialarbeiter Jörg Fröhlich gesellt sich hinzu. „An einem normalen Tag im Winter kommen zwischen 40 und 45 Personen zu uns“, sagt er. Hier gibt es warmes Essen, Kaffee und Kuchen, die Möglichkeit zu duschen oder einfach mal abzuschalten.

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„Das war dumm von mir“

Uwe Hartl war Taxifahrer in Singen und Radolfzell. Irgendwann bezahlte er seine Rechnungen nicht mehr. „Das war dumm“, gibt er zu. „Ich habe alles liegen gelassen, auf großem Fuß gelebt und gespielt.“ Im Januar 2019 musste er für drei Monate ins Gefängnis. Ähnlich wie bei Frank Mahr ging es danach bergab. „Heute wohne ich in der Unterkunft in der Hussenstraße“, berichtet er. „Ich würde gerne wieder arbeiten, um ein normales Leben führen zu können. Egal was, Hauptsache Arbeit. Bisher gab‘s nur Absagen. Ich werde bald 57 – da will man mich wohl nicht mehr.“

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Im Büro der Sozialarbeiterin Marie Königsdorfer steht ein offener Schrank mit vielen Fächern. „Hier sammeln wir die Post und übergeben sie den Menschen“, erklärt sie. „Wenn du keinen Mietvertrag hast, bist du nirgendwo gemeldet. Aber unsere Gäste müssen für Ämter oder Banken postalisch erreichbar sein. Daher haben sie ihre Adresse hier.“ Marie Königsdorfer zahlt auch Arbeitslosengeld II (ALG II) oder Grundsicherung aus – jeweils 432 Euro monatlich. ALG II erhalten diejenigen, die noch arbeitsfähig sind; Grundsicherung diejenigen, die nicht mehr erwerbsfähig sind. „Über das Jobcenter sind sie krankenversichert.“

Jörg Fröhlich und Marie Königsdorfer in der Kleiderkammer der AGJ.
Jörg Fröhlich und Marie Königsdorfer in der Kleiderkammer der AGJ. | Bild: Schuler, Andreas

Jetzt, da der Winter Einzug hält, kommen zwar nicht mehr Gäste zur AGJ. „Doch wir beobachten, dass sie länger bleiben, um in der Wärme bleiben zu können“, so Jörg Fröhlich. 2019 wurden hier 163 Personen betreut, 2018 waren es 128. „Die Anzahl nimmt spürbar zu, da die Wohnungssituation so angespannt ist“, beobachtet Jörg Fröhlich.

Ehrenamtliche Arbeit – als Dank gibt‘s ein Lächeln

Uwe Siegfried Aschenbrenner ist in Konstanz bekannt wie ein bunter Hund. Er wohnt im Mühlenweg in einer Sozialwohnung und fährt mit seinem Moped regelmäßig durch die Stadt. „Ich mache ehrenamtliche Arbeit als Bote“, erzählt er. „Aufgrund gesundheitlicher Probleme bin ich arbeitsunfähig. Ein Lächeln der Menschen ist mir Bezahlung genug.“

Am Tisch sitzt eine 44-Jährige Frau, die unerkannt bleiben möchte. Sie wohnt in der Notunterkunft für Frauen und Familien in der Hafenstraße. In Osteuropa hat sie eine Ausbildung zur Krankenpflegerin gemacht, in Deutschland gearbeitet. Als ihre Mutter krank wurde, ist sie in die Heimat gereist, um die Mutter einige Monate zu pflegen. Ohne Einkünfte verlor sie die Mietwohnung. Nach Hospitanzen in Pflegeeinrichtungen in Konstanz hofft sie auf einen Neuanfang. „Bisher hat sich nichts ergeben“, bedauert sie. „Wenn ich bis 3. Februar keine Arbeit habe, muss ich aus der Unterkunft raus.“

Tanja von der Bushaltestelle

An dieser Bushaltestelle lebt die obdachlose Tanja seit einigen Monaten. Nach eigener Aussage findet sie keine Wohnung.
An dieser Bushaltestelle lebt die obdachlose Tanja seit einigen Monaten. Nach eigener Aussage findet sie keine Wohnung. | Bild: Schuler, Andreas

Die obdachlose Tanja wohnt mit ihrem Hab und Gut seit Monaten auf der Bank der Bushaltestelle hinter der Stephansschule neben den beheizten öffentlichen Toiletten. Sie sucht nach eigener Aussage zwar eine Wohnung – hat bisher aber jedes Angebot ausgeschlagen.

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„Ich würde aber gerne eine bezahlbare Wohnung finden“, sagt sie. „In eine Unterkunft gehe ich nicht.“ Da bleibe sie lieber alleine an der Laube. Wenn es zu kalt ist, schläft sie in der Toilette.

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