Bürglehorn, Gänslihorn, Melcherleshorn. Die Namen der drei Spitzen der Insel Reichenau, die in Richtung Höri und Mettnau zeigen. Aus der Luft sind die Sandbänke zu erkennen, mehrere hundert Meter vor der Reichenau im Wasser gelegen. Dämme verbinden sie mit dem Festland.
Die größte Sandbank ist auf halbem Weg zwischen Reichenau und Mettnau gelegen. Ein großer Mast warnt Wassersportler vor der Untiefe. Im August 2017, das Wasser war deutlich höher als derzeit, missachtete ein Segelboot diese Warnung und setzte auf.
Derzeit liegt der Stand bei 3,31 Metern. Da die Hitzewelle anhält und lang anhaltender Regen nicht in Sicht ist, wird der Pegel weiter fallen.
Wenn es das Wetter im Sommer zulässt, wenn also der Wasserstand niedrig und weder Unwetter noch starker Wind angesagt ist, kommt Karin Schwörer mit ihrem Boot und einigen Freunden hierher.
Bierbänke, Biertische, Bistrotische, voll bepackte Kühltaschen und Sonnenschirme inklusive.
"Es gibt nichts schöneres", sagt die Allensbacherin. "Urlaub? So ein Tag auf der Sandbank ist besser." An diesem Tag hat sie eine Freundin Nadiya Orel mit ihrem Sohn Alxander sowie ihren Stammtischfreund Paul Seeberger dabei.
1972 gab es bei einem Wasserstand von 2,37 ein Inselfest, als sich die Sandbank sich über das Wasser erhoben hatte. Roland Dost, damals wie heute SÜDKURIER-Mitarbeiter aus Radolfzell, erinnert sich: "Fahnen wehten im kühlen Märzwind und die Bürgerkapelle formierte sich in ihren historischen Uniformen."
Auf einer alten Lädine brachten verkleidete Fischer eine schwere, gravierte Steinplatte, die als Gedenkstein auf der Kiesinsel platziert wurde. Derzeit lässt sich der Stein durch die paar Zentimeter Wasser bestens lesen: "Auf dieser Insel spielte die Bürgermusik am 26.3.1972 bei einem Pegelstand von 2,37 Metern."
Einige Legenden ranken sich um die Sandbänke. So seien sie lediglich künstlich aufgeschüttet und zu Klosterzeiten hätten sie den Wachen zur Beobachtung des Schiffsverkehrs gedient. Verbunden wären sie mit einem Kaiserweg. Das letzte Wachhäuschen, so erzählt die Legende, sei 1780 entfernt worden.
Legende? Experte winkt lächelnd ab
Karl Wehrle, der Reichenauer Kultur- und Tourismus-Chef, winkt lachend ab: "Da ist nichts dran. Das wüssten wir." Eine weitere Legende besagt, dass zu Zeiten der alten Römer eine Landbrücke zwischen Mettnau und Reichenau bestand. Die Menschen malten sich aus, dass Kelten oder Römer die Landbrücke künstlich erbauten und ihr den Namen Kaiserweg, Kaiserstraße oder Kaiserbrücke gaben.
Feste auf den Sandbänken haben lange Tradition
Der verstorbene Oberlehrer Josef Zimmermann schrieb 1954 in der Zeitschrift Badische Heimat: "Die Insel- und Uferbewohner des Sees aber, besonders die Reihenauer und die Hörimer, benützten bei ganz niederen Wasserständen die Gelegenheit dazu, auf den freiliegenden Erdkämmen und Inseihen fröhliche Feste zu veranstalten. So spielte z. B. letztmals im Frühjahr 1922 eine Gruppe der Reihenauer Musikkapelle auf dem 'Breitenstein' vor der Mettnauspitze einige lustige Märsche auf."
Zimmermann schrieb ein paar Sätze, bei denen die Auer sehr stark sein müssen: "Die Reihenauer aber wurden dann nur noch als Halbinsulaner angesprochen, wenn auch nur vorübergehend und nur so lange, bis der See wieder wächst und steigt und damit Natur und Menschen den alten Namen und Stolz der Reichenauer Inselleute wiederherstellen."
Hubert Koch, 30 Jahre lang Fischereimeister auf der Reichenau und heute Rentner: "Es existieren zwar Sträßle zu jeder Sandbank", sagt er lächelnd. "Doch es ist schwer vorzustellen, dass die künstlich sein sollen."
Er ist mehrere Jahrzehnte hier zum Fischen gegangen und kann sagen: "Das letzte Mal, als die Sandbänke so weit oben waren wie jetzt, das war mit Sicherheit 1972, als wir das Fest dort feierten."
Zurück zur Gegenwart. Es dauert keine Stunde, da kommen erste Gäste auf die Sandbank – zufällig wohl gemerkt. Ralf Kremer und Peter Reiher aus Konstanz sind an diesem sonnigen Mittag mit dem Kanu unterwegs.
Sie steuern geradewegs auf die sandige Gesellschaft zu und steigen aus. Es ist offenbar nicht das erste Mal, dass man sich hier trifft. "Man kennt sich", sagt Peter Reiher lächelnd.
Nur wenige Minuten später sind die nächsten Wassersportler da. Philipp Wecker, seine Frau Sarah Kuriger und ihre Kinder Neal und Joya aus dem Aargau verbringen ihren Urlaub auf dem Campingplatz Sandseele. "Dort hat man uns von den Sandbänken erzählt", sagt Philipp Wecker, der das Holzkanu der Familie in seiner Freizeit selbst gebaut hat.
"Es ist großartig, dass es Menschen wie Karin und Paul gibt, die hier Bierbänke und Bistrotische ausstellen und dass sie jeden hierher einladen." Die Schweizer sowie die beiden deutschen Kanuten bringen Gebäck und kühle Getränke mit. Es gibt zwar auch Alkoholisches.
Doch die Menschen bleiben vernünftig und gönnen sich bei der großen Hitze maximal ein Viertele. "Mehr ist tabu", sagt Karin Schwörer, die das Motorboot steuert. Neulich kam die Wasserschutzpolizei vorbei. "Die haben gesehen, dass alles in Ordnung war, haben sich ein wenig mit uns unterhalten, ein Bretzele gegessen und sind weiter gefahren", erzählt sie.
Irgendwann taucht auch Willi Herdrich mit seinem Motorschlauchboot auf. Der Mann aus Tiefenbronn bei Pforzheim verbringt seit seiner Pensionierung jeden Sommer auf dem Campingplatz der Naturfreunde zwischen Radolfzell und Markelfingen.
"Das ist wahnsinnig cool, was die Einheimischen hier auf der Sandbank veranstalten", sagt der Mann. "Wer muss da in den Urlaub nach Italien oder Spanien fahren?" Er genießt die Gesellschaft der Mitmenschen sichtlich.
Mehrere Stunden verbringen die Menschen hier im knietiefen Wasser, unterhalten sich, erzählen von damals, heute und morgen. "Auf der Sandbank sind alle Menschen gleich", sagt Karin Schwörer. "Das ist wie Völkerverständigung auf seine schönste Art", fügt Paul Seeberger hinzu. "Es kann nirgendwo schöner sein als hier." Irgendwann ist auch der schönste Mittag vorbei. Einer nach dem anderen verabschiedet sich.
Doch lange bleibt die Sandbank nicht alleine: Kaum sind die ersten Bierbänke und Biertische abgeräumt, kommen schon die nächsten Wasserfreunde – zum Beispiel eine Gruppe junger Reichenauer, die regelmäßig in diesem Sommer nach Feierabend sich und den schönen Bodensee feiern – zum Beispiel mit Cola aus dem Bierkrug.