Den Einkaufsverkehr regeln, statt in der Schule zu lernen: Die Freistellung von Schülern für den Verkehrskadetten-Einsatz am Brückentag vor dem 1. Mai hat auch die Politik erreicht und sorgt bei einigen Stadträten für Empörung. Zugleich räumte der für Schulangelegenheiten zuständige Bürgermeister Andreas Osner ein, weder er noch Mitarbeiter seines Dezernats hätten von dem Vorgang gewusst. Allerdings misst er ihm offenbar keine besondere Bedeutung zu. Das sei "ein Medienthema", erklärte er, als mehrere Kommunalpolitiker im Schulausschuss Aufklärung über den Vorgang verlangten. Das sahen allerdings nicht alle Stadträte so: Wenn die Stadt Konstanz selbst mit einem Brief um Schulbefreiungen bitte, habe der Gemeinderat sehr wohl das Recht, auf Informationen zu drängen, sagte zum Beispiel Anke Schwede von der Linken Liste.

Der Brief mit Bitte um Freistellung kam aus dem Baudezernat

Klar ist inzwischen immerhin: Den Brief hat ein Mitarbeiter im Baudezernat geschrieben. Dort ist die Verkehrsplanung angesiedelt, die auch für die kurzfristigen Lenkungsmaßnahmen auf der Straße zuständig ist. Das unter anderem für die Schulen verantwortliche Dezernat II habe "nicht einmal etwas gewusst von diesem Schreiben", sagte Bürgermeister Andreas Osner (SPD). Das wiederum erstaunte SPD-Stadträtin Zahide Sarikas: "Mich wundert es schon, dass sie davon nichts wussten", sagte sie. Anke Schwede warf überdies die Frage auf, ob Minderjährige überhaupt mitten in den Auto-Abgasen arbeiten dürften und ob ihnen die Belastungen des Verkehrskadetten-Dienstes zuzumuten seien.

Frührer Schulleiter sagt: Das kommt doch ständig vor

CDU-Stadtrat Wolfgang Müller-Fehrenbach, selbst langjähriger Schulleiter, wollte in dem Vorgang dagegen nichts Kritikwürdiges sehen. Fälle von Schulbefreiungen gebe es "dutzende und hunderte Male", es handle sich dabei um eine "persönliche Entscheidung der Eltern, der Schule, der Schulleitung".*

Verkehrskadetten-Einsatz auf einer Stufe mit kulturellem Ehrenamt?

Auslöser der Debatte war die Berichterstattung des SÜDKURIER. Die Redaktion hatte recherchiert, dass die Stadtverwaltung auf amtlichem Papier darum bat, Schüler für den 30. April vom Unterricht freizustellen, damit der Einsatz der Verkehrskadetten möglich werde. Unter anderem in den sozialen Netzwerken war das Unverständnis groß. Neben dem Umstand, dass die Betroffenen Unterricht versäumen, sorgte auch die Tatsache, dass das Regeln des Einkaufsverkehrs auf die gleiche Stufe wie ein kirchliches, soziales, sportliches oder kulturelles Engagement gestellt wurde, für erhebliche Kritik.

Die Stadtverwaltung kündigte schließlich am Mittwoch an, dass es solche Anträge auf Befreiung nicht mehr geben werde. Damit gilt für die Konstanzer Verkehrskadetten am nächsten Brückentag – es ist bereits der Freitag, 11. Mai – uneingeschränkte Schulpflicht, denn an diesem Tag finden an Konstanzer Schulen Unterricht statt.

* Im ursprünglichen Text war hier Charlotte Dreßen zitiert, die stellvertrendende Schulleiterin der Gemeinschaftsschule Gebhard. Dies beruhte auf einen Fehler, wir haben die Passage deshalb entfernt.

 

Wegbleiben von der Schule: Das ist die Rechtslage

Ausnahmen von der Schulpflicht sind in Baden-Württemberg über die Verordnung des Kultusministeriums über die Pflicht zur Teilnahme am Unterricht und an den sonstigen Schulveranstaltungen (Schulbesuchsverordnung) vom 21. März 1982 geregelt. Diese Verordnung unterscheidet zwischen Befreiungen und Beurlaubungen. Demnach betrifft der Komplex Befreiung vor allem gesundheitliche Gründe. Eine Beurlaubung kommt dagegen aus mehreren Motiven grundsätzlich in Frage. Sie ist aber generell "lediglich in besonders begründeten Ausnahmefällen und nur auf rechtzeitigen schriftlichen Antrag möglich". Anlässe können neben sehr wichtigen persönlichen und familiären Gründen auch kirchliche Veranstaltungen, Feier- und Gedenktage sein, ebenso eine Kur, die Teilnahme an einem Schüleraustausch, an wissenschaftlichen oder künstlerischen Wettbewerben.

Wörtlich heißt es in der Verordnung weiter, dass Beurlaubungen auch möglich sind für "die aktive Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen und an Lehrgängen überregionaler oder regionaler Trainingszentren sowie an überregionalen Veranstaltungen von Musik- und Gesangvereinen, anerkannten Jugendverbänden und sozialen Diensten, soweit die Teilnahme vom jeweiligen Verband befürwortet wird" und für "die Ausübung eines Ehrenamts bei Veranstaltungen von Sport-, Musik- und Gesangvereinen, anerkannten Jugendverbänden und sozialen Diensten, sofern dies vom jeweiligen Verband befürwortet wird". Inwieweit die Verkehrskadetten in diesen Kreis einzuordnen sind, dürfte zumindest diskutabel sein.